Den Freien gehören ihre Texte jetzt wieder

Der Fall

Im Frühjahr dieses Jahres begannen die Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien, freien Autoren neue Rahmenverträge vorzulegen. Die Regelungen sahen einen „Total Buyout“ bei einer weitgehenden Pauschalhonorierung vor; auch ließ sich G+J das Recht einräumen, Texte ohne gesonderte Zustimmung der Autoren an beliebige Dritte weiterzureichen. Die Autoren mussten weitere Kröten schlucken: So sollte es ihnen laut Vertrag untersagt sein, bei Recherchen Aufzeichnungen anzufertigen oder mit irgendjemandem über ihre Rechercheergebnisse zu sprechen – auch nach Veröffentlichung des Artikels. Die Verträge führten zu heftigen Debatten unter freien Journalisten und auch innerhalb des Verlags. Der Deutsche Journalistenverband DJV klagte – und bekam vor dem Landgericht Hamburg nun in allen wesentlichen Punkten recht.

Das Urteil

Paukenschlag für freie Journalisten: Das Landgericht hält Total-Buyout-Klauseln und Pauschalvergütungen weitgehend für unzulässig. Die Richter stellten klar, dass in beiden Punkten die AGB-Kontrolle greift: Die Regelungen des Rahmenvertrags müssen den urheberrechtlichen Grundsätzen der Zweckübertragungslehre und der wirtschaftlichen Beteiligung an jeder Nutzung genügen. Das seien nicht bloße Auslegungsregeln, sondern „wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“ – eine für die Bestimmung der Zulässigkeitsgrenzen in AGBs extrem wichtige Unterscheidung. Die in keiner Weise eingegrenzte Rechteübertragung in dem Rahmenvertrag sei deshalb „aus sich heraus“ unzulässig, ohne dass es auf die Höhe des Honorars ankomme. Da die Urheber an jeder Nutzung beteiligt werden müssen, so die gesetzliche Verpflichtung, gelte das auch für Pauschalhonorare, solange dies nicht eine angemessene Höhe erreiche. Für freie Autoren äußerst wichtig: Die gesetzlich erforderliche Zustimmung zu einer Weiter-übertragung der Rechte an Dritte kann dem Gericht zufolge nicht in AGBs erteilt werden. Die Konsequenz: Verlage müssen Autoren jedes Mal fragen, bevor sie einen Text an Dritte verkaufen. Damit soll dem Urheber auch ermöglicht werden, eine entsprechende zusätzliche Vergütung geltend machen zu können.

Die Folgen

Bei den Gerichten scheint sich eine urheberfreundlichere Haltung mittlerweile durchzusetzen – wozu offenbar auch die Korrekturen des Gesetzgebers im Urheberrecht beigetragen haben. Für die Verlage dürfte es angesichts der Verschiebung der Bewertungsmaßstäbe immer schwieriger werden, bislang übliche Total-Buyout-Klauseln und Pauschalhonorierungen unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Verwertung in zulässiger Weise in Rahmenverträge aufzunehmen. Für Autoren ist insbesondere wichtig, dass der Verlag für jede Rechteeinräumung an Dritte die Zustimmung einholen muss – so kann effektiv sichergestellt werden, dass die Urheber auch tatsächlich über zusätzliche Verwertungen der Verlage informiert werden und diese einen entsprechenden Anteil an die Urheber ausschütten. Ebenfalls wichtig: Das Urteil gilt rückwirkend. G+J kann sich gegenüber freien Journalisten, die den Rahmenvertrag bereits unterzeichnet haben, nicht auf die unzulässigen Regelungen berufen.

Erschienen in Ausgabe 10-11/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 42 bis 42 Autor/en: Stephan Zimprich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.