„Journalisten unterschätzen den Job“

Herr Fleischmann, wie viele Journalisten haben dieses Jahr schon bei Ihnen angerufen, um in die Kommunikationsbranche vermittelt zu werden?

Philipp J. Fleischmann: Die Zahl derer, die journalistisch tätig sind, über einen Wechsel nachdenken und sich deshalb bei uns melden, ist tendenziell steigend.

Chefredakteure, Ressortleiter, Redakteure: Welche Hierarchieebenen betrifft das vor allem?

Mit dem expliziten Wunsch, auf die Kommunikationsseite zu wechseln, kommen primär Menschen aus der zweiten Ebene auf uns zu, Ressortleiter, Büroleiter, Korrespondenten oder erfahrene Journalisten, weniger Chefredakteure.

Fragen Ihre Kunden heute vermehrt nach Journalisten?

In erster Linie suchen unsere Klienten natürlich die bestmögliche personelle Lösung für eine leitende Position. Und da entscheidet die Kompetenz, nicht der Berufsstand. Grundsätzlich gibt es drei Bereiche, aus denen potenzielle Kandidaten kommen können: aus der Unternehmenskommunikation, aus PR-Agenturen oder aus dem Journalismus. Nach unserer Erfahrung gehen die direkten Wechsel von Führungspositionen im Journalismus in Führungspositionen von Unternehmen tendenziell eher zurück. Das heißt, dass Chefredakteure oder Top-Journalisten die Seiten wechseln, geschieht seltener. Wechsel von Führungskräften aus PR-Agenturen sind ebenfalls seltener zu beobachten. Letztlich arbeiten hochkarätige Kandidaten oftmals bereits in der Unternehmenskommunikation. Hier finden meines Erachtens die meisten Wechsel statt.

Woran liegt das?

Journalisten besitzen ihre Stärken in der Pressearbeit und in ihren Netzwerken. Sie haben aber selbst als Führungskraft oft geringer ausgeprägte Managementerfahrungen als etwa ein Kandidat, der als Leiter eines Corporate-Communication-Bereichs eines DAX-Unternehmens gelernt hat, 150 bis 250 Mitarbeiter und Manager weltweit zu führen. Hinzukommt, dass erfolgreiche Kommunikationschefs das politische Spiel in einem Konzern beherrschen, die Abläufe kennen und mit Weitblick zu Werke gehen müssen. Kommunikation besitzt strategische Bedeutung und ist deshalb in direkter Nähe zum CEO angesiedelt.

Was muss ein Journalist mitbringen, um für Sie und Ihre Kunden interessant zu sein?

Erstens sollte jeder Bewerber in der Lage sein, für Dritte zu kommunizieren. Das klingt simpel, dieses Selbstverständnis findet man aber nicht bei allen Kandidaten. Nicht jeder gute Journalist ist auch ein guter Kommunikator im Namen Dritter. Zweitens sollte der Bewerber über Managementerfahrung, insbesondere Personalverantwortung, verfügen. Durch die flachen Hierarchien im Journalismus ist das nicht immer gegeben. Es gibt immer wieder gute Kandidaten, denen diese Kompetenz fehlt. Wer Führungserfahrung vorweisen kann, hat einen großen Vorteil, selbst wenn er in der zweiten Ebene tätig war. Drittens müssen Kandidaten strategische Kompetenz mitbringen.

Ist den Journalisten grundsätzlich bewusst, was auf sie zukommt?

Viele Journalisten, insbesondere aus dem tagesaktuellen Journalismus – also Tageszeitung, Fernsehen, Agenturen –, laufen Gefahr, die strategische Kompetenz zu unterschätzen. Wer sie mitbringt, kann in die Zukunft denken und einen langfristigen Plan für die Positionierung und die damit einhergehenden Herausforderungen aus kommunikativer Sicht entwickeln. In diesem Bereich bewegen sich meist auch die ersten Aufgaben im Job, wie zum Beispiel im Auftrag des CEO eine konsistente Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Es gibt sicherlich viele Kollegen im Journalismus, die dazu in der Lage sind. Man sollte sich aber vor einem „Seitenwechsel“ am besten selbst kritisch hinterfragen, inwieweit man hierzu fähig ist. Und nicht zuletzt sehr gutes Englisch und die Fähigkeit, auch in Krisen die Nerven zu behalten, sind weitere Voraussetzungen, die erfüllt sein sollten.

Zur Person

Philipp J. Fleischmann war Journalist bei „Handelsblatt“ und „Welt“, später unter anderem Geschäftsführer der Verlagsgruppe Handelsblatt und der DSV Deutscher Sportverlag GmbH. Heute sucht Philipp J. Fleischmann als Headhunter für Zehnder International Führungskräfte für die Kommunikationsbranche. Auch Journalisten rücken immer mehr in seinen Fokus.

Erschienen in Ausgabe 10-11/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 29 bis 29 Autor/en: Interview: Katy Walther | Foto: www.lesmann.de. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.