Nur leise gackernde Hühner

Emotionale Bilder stellen Unternehmen schnell an den öffentlichen Pranger. Dagegen kommt man mit reinen Informationen kaum an. So wie der Lebensmittelkonzern Wiesenhof beweist, der im Sommer in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte.

Am 31. August lief die ARD-Dokumentation „Das System Wiesenhof. Wie ein Geflügelkonzern Menschen, Tiere und die Umwelt ausbeutet“. Die SWR-Reporter entdeckten hinter der Fassade des Unternehmens Massenhaltung, mangelnde Hygiene und Tierquälerei. Schockierende Bilder von verwesenden, durch die Stallungen geworfenen Hühnern und totgetrampelten Puten scheinen dies zu belegen und sorgten für viel Kritik nach der TV-Sendung.

Für Wiesenhof waren die Kritikpunkte nicht neu. Bereits seit Jahren sieht sich der Konzern mit Skandalen über mangelnden Tierschutz und Hygiene konfrontiert. Dementsprechend verwundert es nicht, dass sich Vorstandschef Peter Wesjohann bereits im Juni, also Wochen vor der Ausstrahlung im TV, zu einem Interview mit dem „Handelsblatt“ traf. Dieses wurde am Tag der Reportage veröffentlicht und war ein erstes Indiz für die modifizierte Krisen-PR seitens Wiesenhof. Die Aussage „Wir beanspruchen für uns, transparent und offen zu sein“ scheint dies zu unterstützen. Neben dem Interview nutzte Wiesenhof diverse moderne PR-Instrumente und brachte diese ebenfalls weit vor der Ausstrahlung der Reportage in Stellung.

Ein wichtiges Element dieser Gegenkampagne war der seit November 2010 bestehende Social-Media-Newsroom. Man erweiterte ihn um einen sogenannten Faktencheck, der neutralisierend auf die emotionale Diskussion um Tierquälerei wirken sollte.

Wiesenhof sorgte auch auf dem firmeneigenen Youtube-Kanal vor: Fünf Tage vor der ARD-Sendung luden sie den PR-Film „ARD-exklusiv: Faire Recherche?“ hoch, mit Repräsentanten des Wiesenhof-Konzerns und Pressesprecher Frank Schroedter, um die Wiesenhof-Perspektive der Diskussion darzustellen. Signifikant dabei ist das synchrone Aufnehmen vom Zusammentreffen mit dem SWR-Reporter bei seiner Recherche.

Dass Wiesenhof das Thema offensiv anging, weitere Journalisten Wochen vor der Ausstrahlung informierte, zeigt ebenfalls Merkmale der geänderten Krisen-PR des Unternehmens. Jedoch ließ man das SWR-Team nicht an der Pressekonferenz teilnehmen, es fehlte das „Vertrauen“, so Schroedter. Mit dieser eindeutigen Zurückweisung der kritischen TV-Reporter verpufft die positive Wirkung Pressekonferenz, die eigentlich Transparenz beweisen sollte.

Letztes Element des Social-Media-Ensembles von Wiesenhof ist der am 30. August ins Leben gerufene Twitter-Account. Dort wird allerdings mehr auf den Newsroom mit Faktencheck und den eigenen PR-Film verwiesen, als in den Dialog mit Kritikern getreten. Abschluss der Wiesenhof-Aktivitäten war eine Pressemitteilung, veröffentlicht einen Tag nach der Ausstrahlung der Doku.

Doch obwohl Wiesenhof in dieser Krise einige Social-Media-Kanäle mit Inhalten bespielt hat, kann man nicht von einer erfolgreichen „Krisen-PR 2.0“ sprechen. Statt auf den Dialog mit Kritikern zu setzen, agieren die Firmenvertreter distanziert und unnahbar. Es wäre sinnvoll, einen Markenbotschafter zu bestimmen, der nahbar, authentisch und persönlich auf die relevanten Themen eingeht und so dem Unternehmen ein Gesicht verleiht. Dieses fehlte während der gesamten Auseinandersetzung – die Identitäten der Verantwortlichen hinter dem Twitter-Account, Newsroom oder auch dem Youtube-Kanal blieben im Verborgenen.

Wiesenhof bleibt die anonyme Marke, die scheinbar nur wenig Wert auf Transparenz und Kommunikation legt, und ihre Online-Aktivitäten nach der Krise wieder reduziert hat.

Tipp

Krisen-PR 2.0

01 Transparenz muss glaubwürdig und erlebbar sein. Die Behauptung alleine reicht nicht aus.

02 In Social Media benötigen Unternehmen echte Menschen, die glaubwürdig auftreten.

03 In einer emotionalen Debatte helfen Fakten kaum, sie müssen durch eine empathische Kommunikation ergänzt werden.

04 Nach einer akuten Krise geht es immer um den Vertrauensaufbau. Dazu bedarf es kontinuierlicher Veröffentlichungen. Wiesenhof hat in seinem Newsroom im September nur zwei Postings veröffentlicht, auf Twitter nach dem 2. September einen einzigen Tweet.

Erschienen in Ausgabe 10-11/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 49 bis 49 Autor/en: Klaus Eck Foto: Screenshot Wiesenhof. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.