Stimmt’s, …?

01. … dass rechts von Hugo Müller-Vogg noch viel Platz bis zur Wand ist?

Als es nach der Berlin-Wahl darum ging, welche Partei wo genau im Abgeordnetenhaus sitzen wird, wehrten sich die Piraten zunächst, die frei gewordenen Plätze der FDP einzunehmen: Rechts außen zu sitzen, noch weiter rechts als die CDU? Niemals! Zwischen den Grünen und den Linken, als Puffer zwischen Rot und Grün oder ganz links außen: Überall würden sie lieber sitzen als dort, wo rechts von ihnen nur noch die Wand ist.

„Rechts neben uns ist nur noch die Wand“, das Zitat stammt von Franz Josef Strauß. Nicht jedoch von Hugo Müller-Vogg, dem es die „taz“ im Februar 2001 in den Mund schob: „Merken Sie sich eins, rechts von mir ist nur noch die Wand.“ Mehr als zehn Jahre ist das her. Doch erst jetzt hat ein Gericht geurteilt, dass die „taz“ dies nicht mehr verbreiten darf.

Als der „taz“-Artikel erschien, war Müller-Vogg gerade als Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschasst worden. Von Indiskretionen und Vertrauensbruch war die Rede, aber auch davon, dass politische Gründe eine Rolle gespielt hätten und der konservative Müller-Vogg der FAZ zu unbequem geworden sei. Heute ist Müller-Vogg Kolumnist von „Bild“ und „Super Illu“.

Die „taz“ jedenfalls schrieb damals über politische Gründe und beharrte auf dieser Sicht auch dann noch, als die FAZ dagegen vorging. Die „taz“ setzte sich durch, was Müller-Vogg freute. Sechs Jahre später wurde der Satz „Rechts neben mir ist nur noch die Wand“ erneut veröffentlicht. Das Buch heißt „Nervöse Zone“, handelt von Politik und Journalismus in der Berliner Republik und stammt von Lutz Hachmeister.

Man kann nicht sagen, dass Hachmeister und Müller-Vogg sich seither angefreundet hätten. „Wie Professor Dr. Hachmeister auszog, die Würde der Wissenschaft zu retten“, lästerte Müller-Vogg, als Hachmeister ankündigte, den eigenen Doktortitel niederzulegen, solange Guttenberg Minister ist. Da echauffiere sich jemand, der selbst abschreibe und es mit Fußnoten nicht so genau nehme, schrieb Müller-Vogg. Aber das habe doch nicht nur die „taz“, sondern auch der „Freitag“ geschrieben, hatte Hachmeister in einer ersten Reaktion entgegnet. Doch die Wochenzeitung gab zu, das Zitat selbst abgeschrieben zu haben: von der „taz“, ungeprüft – und gab eine Unterlassungserklärung ab. Die Deutsche Verlagsanstalt (DVA) tat dasselbe und engagierte einen Studenten, der die anderthalb Zeilen in allen noch nicht ausgelieferten Büchern weißte. Nur die „taz“ wollte keine Unterlassungserklärung unterschreiben und kam damit vor Gericht durch. Zu viele Jahre waren seit Erscheinen des Artikels vergangen. Daraufhin drohte die DVA, sie behalte sich vor, für den untersagten Vertrieb Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Nun war der „taz“-Artikel im Archiv ohnehin gesperrt – wegen dieses anderen Streits mit der FAZ. Doch nachdem die „taz“ gesiegt hatte, stellte sie den Artikel wieder online, und wieder war in den Archiven zu lesen, rechts von Müller-Vogg sei nur noch die Wand.

Hätte Müller-Vogg nun nicht gehandelt, hätte die DVA Schadenersatz fordern können. Wieder also nahm ein Gerichtsverfahren seinen Lauf. Erst jetzt, mehr als zehn Jahre nach Erscheinen des Artikels, endete es mit einem inzwischen rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg. Die Kosten des Verfahrens trägt die „taz“.

Hachmeister erfuhr davon vom „medium magazin“ an einem Strand in Südfrankreich. Was er davon halte? Die Sache sei lächerlich. Eines würde er heute allerdings anders machen: Er würde eine Fußnote einfügen, woher das Zitat stammt.

02. … dass der Fall Arndt Ginzel und Thomas Datt im Nebel überm Sachsensumpf verschwindet?

Im August 2010 wurden Arndt Ginzel und Thomas Datt wegen übler Nachrede zu einer Strafe von jeweils 2.500 Euro verurteilt. Der Grund war ein als Frage formulierter Satz in ihrem 2008 bei „Zeit Online“ erschienenen Artikel. Es ging um die „Sachsensumpf“-Affäre und die als bedenklich erscheinende Arbeit der Staatsanwälte. Von genau jener Staatsanwaltschaft wurden die Journalisten daraufhin verklagt. Nach dem Urteil des Amtsgerichts Dresden legten sie Berufung ein. Seither ist nichts mehr geschehen.

Anruf beim Landgericht Dresden: Immerhin, es gibt ein Aktenzeichen (12 Ns 900 Js 28869/08). Zuständig sei der Vizepräsident des Gerichts, lässt ein Sprecher wissen, und der habe, weil es derzeit keinen Präsidenten gebe, viel Verwaltungskram zu bearbeiten. Ab wann spricht man eigentlich von Prozessverschleppung?

„Zeit Online“ hat das verstrichene Jahr genutzt. Chefredakteur Wolfgang Blau hat den Rechtsanwalt Jörg Nabert mit einem Gutachten beauftragt, um zu klären, ob die Ansicht des Richters zutrifft, dass der als Frage formulierte Verdacht, auf Polizeibeamte sei möglicherweise Druck ausgeübt worden, eine als rhetorische Frage verpackte Tatsachenbehauptung gewesen sei. Das Rechtsgutachten ist nun fertig. Auf 28 Seiten kommt es zu dem Ergebnis: Das Gericht habe die möglichen Verständnisweisen der Frage ebenso ignoriert wie den Kontext. Arndt und Ginzel hätten lediglich Indizien gesammelt, um dem geäußerten Verdacht nachzugehen, dass die Polizeibeamten nur deshalb verdeckt und illegal ermittelt hätten, weil womöglich Druck auf sie ausgeübt worden sei. Ob dies so war, ließen sie unbeantwortet. Nabert unterstellt dem Gericht Rechtsfehler und betrachtet das Urteil als Eingriff in die Meinungsfreiheit.

Übrigens: Es ist gut möglich, dass der Fall wegen der vielen Zeit, die verstrichen ist, eingestellt wird. Lust an Aufklärung empfindet die Staatsanwaltschaft wohl ohnehin wenig, geht es doch um die eigene Zunft. Nur Ginzel und Arndt können, solange sie selbst Prozessbeteiligte sind, kaum selbst in der Sache recherchieren. Das dürfte manchem ganz recht sein.

03. … dass Hajo Riesenbeck, Neu-Mitglied im G+J-Aufsichtsrat, nicht an Print glaubt?

Bei der Essener WAZ-Gruppe konnten sie sich ein Lachen nicht verkneifen, als der Verlag Gruner+Jahr mitteilte, Hajo Riesenbeck sei neues Mitglied des Aufsichtsrats.Doch man lachte nur auf der einen Seite der WAZ-Erben, bei den Nachkommen der Familie Funke. Als G+J nachfragte, wieso man sich so amüsiere, hörten sie die Geschichte von der Braunschweiger Druckerei.

Denn als in der Gesellschafterversammlung der Essener Zeitungsgruppe der 31 Millionen teure Neubau einer Druckerei in Braunschweig beschlossen wurde, war Riesenbeck derjenige, der sich als Vertreter des anderen WAZ-Stamms, der Brost-Enkel, vehement dagegen gewehrt hatte. Es drängte sich der Eindruck auf: Riesenbeck glaubt nicht an Print. Zumal die Brost-Enkel ihren 50-Prozent-Anteil an der WAZ-Gruppe verkaufen wollen. Und nun sitzt Riesenbeck im G+J-Aufsichtsrat, wo er einen Vorstand kontrollieren soll, dessen Vorsitzender Bernd Buchholz das andere Extrem vertritt; der erklärte unlängst im „Handelsblatt“, er „schäme“ sich in keiner Weise, „dass wir rund 90 Prozent unserer Umsätze mit Gedrucktem machen“. Wurde Riesenbeck vom scheidenden Bertelsmann-Boss und G+J-Aufsichtsratschef Hartmut Ostrowski also geholt, um Buchholz vom Gedruckten wegzulenken?

Riesenbeck bestätigt die Geschichte mit dem Braunschweiger Druckerei-Neubau. In Zeiten rückläufiger Printgeschäfte baue man keine eigenen Druckereien mehr, sonst habe man sehr schnell das Problem von Überkapazitäten, sagt Riesenbeck. Sein Vorschlag sei gewesen, sich Mitbewerbern zu öffnen und wie in anderen Industriezweigen Anlagevermögen zu teilen. So, wie es Bertelsmann, G+J und Springer mit Prinovis machen würden. Und dann sagt Riesenbeck noch: „Auch heute noch würde ich mit meinem eigenen Geld
eine Zeitung kaufen. Nur managen müsste man sie anders, als es bei vielen Verlagen üblich ist.“

Dass er an den Kostenstrukturen arbeiten würde, versteht sich bei dem langjährigen, medienerfahrenen McKinsey-Mann von selbst. Damit zurück zu Buchholz, der im „Handelsblatt“ erklärte: „Es geht darum, unsere Kostenbasis laufend an die tatsächliche Marktentwicklung anzupassen. Und in den Produktionsprozessen unserer Zeitschriften und aller Verlagsfunktionen gibt es noch zahlreiche Möglichkeiten, die Arbeitsabläufe zu verbessern und ja, auch Kosten zu sparen, flexibler und schneller zu werden.“ Damit passt es ja wieder.

Erschienen in Ausgabe 10-11/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 13 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.