Das Kleingedruckte

Es ist wie David gegen Goliath, ein Klassenkampf, Konzern gegen Mensch: Alle warten auf den Showdown – und niemand weiß, wann genau er beginnt.

Irgendwann im kommenden Jahr wohl wird der Bundesgerichtshof (BGH) im Rechtsstreit Axel Springer AG gegen Deutscher Journalisten-Verband (DJV) ein wegweisendes Urteil fällen: Es geht um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Springer-Konzerns. Ein Grundsatzurteil.

Denn die Verlage halten das Urheberrecht in seiner heutigen Fassung für nicht mehr zeitgemäß und fordern ein Bündnis zwischen Autoren und Verlagen gegen die Gratis-Kultur des Internets. Es ist daher essenziell, dass Freiberufler wissen, was sie zu beachten haben, wenn sie Post von einem Auftraggeber bekommen und die AGBs unterschrieben zurückschicken sollen.

1.Welche Rechte kann, soll und muss man als Freier überhaupt abtreten?

Das deutsche Urheberrecht räumt dem Autor eines Werkes weitreichende Rechte ein: Niemand kann ihm seine Urheberschaft abkaufen, lediglich Nutzungsrechte am Werk können veräußert werden. Unterschieden werden das einfache Nutzungsrecht, bei dem beispielsweise eine Reportage zum Abdruck verkauft wird, der Autor seinen Text aber auch an anderer Stelle publizieren darf. Heute weit verbreitet hingegen ist das ausschließliche Nutzungsrecht. Der Autor räumt dem Vertragspartner ein Exklusivrecht an seinem Werk ein. Allerdings kann das Recht räumlich, zeitlich und inhaltlich eingeschränkt werden. Wer seine Reportage also beispielsweise an ein Magazin verkauft, kann sich als Urheber zusichern lassen, dass sie in keinem anderen Produkt des Verlages gedruckt oder als Beitrag im Radio versendet wird. All das – so das Rechtsprinzip – ist Verhandlungssache. Ohne besondere Vereinbarung erwerben Zeitungen von ihren freiberuflichen Mitarbeitern laut Gesetz ein einfaches Nutzungsrecht, Zeitschriften erhalten auf ein Jahr begrenzt ein ausschließliches Nutzungsrecht.

2. Inwieweit können Freie Ausnahmen aushandeln?

Den Vertragspartnern steht es außerdem frei, in AGBs grundsätzliche Vereinbarungen zu treffen, die bei allen geschlossenen Verträgen gelten sollen. Für freiberufliche Journalisten bedeutet das: Einigen sie sich mit einem Verlag auf AGBs, gelten diese bei jedem Auftrag, den sie von einer Redaktion erhalten – es sei denn, man vereinbart abweichende Konditionen, die man am besten schriftlich fixiert, damit man sie beweisen kann. So weit die Theorie.

3.Was für ein rechtlicher Rahmen gilt derzeit?

In der Praxis jedoch steht der Freiberufler ziemlich machtlos den Rechtsabteilungen der Verlage gegenüber. Die haben AGBs entwickelt, die ihren Häusern immer mehr Rechte pauschal einräumen sollen. Beliebt sind sogenannte „Total Buy-out“-Klauseln, mit denen sich die Verlage eine vollständige Rechteübertragung gegen ein einmaliges Pauschalhonorar sichern. Schon 1982 wurde der BGH deswegen angerufen – damals unterlagen die Urhebervertreter. Mittlerweile hat der Bundestag das Urheberrecht jedoch geändert, und deshalb sehen die Gewerkschaften nun bessere Chancen, ihre Rechtsauffassung durchzusetzen: Seit 2002 haben Urheber einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung für die Nutzung ihres Werkes – nach Meinung der Gewerkschaften auch dann, wenn der Verlag mit ihren Texten, Fotos und Beiträgen Geschäfte macht. In der Begründung zum Gesetz hieß es damals: „Vor allem freiberufliche Urheber und ausübende Künstler scheitern häufig bei dem Versuch, gegenüber strukturell überlegenen Verwertern gerechte Vertragsbedingungen durchzusetzen. Das Gesetz behebt diesen Missstand, indem es die vertragliche Stellung der Urheber stärkt und die Vertragsparität zwischen Urhebern einerseits und Verwertern andererseits herstellt.“

4.Wieviel Honorar steht den freien Autoren wofür zu?

Was die im Gesetz nicht näher definierte „angemessene Beteiligung“ ist, darüber streiten Verlage und die beiden Journalistengewerkschaften DJV und Deutsche Journalisten-Union durch die Instanzen. Nur selten sind die Verlage bereit, außergerichtlich eine Regelung zu finden; momentan befindet sich „Spiegel Online“ in Verhandlung mit den Gewerkschaften, der Jahreszeitenverlag legte Ende November seine umstrittenen neuen Rahmenverträge vorerst auf Eis. Häufig mangelt es den AGBs der Verlage an eindeutigen Vergütungsregeln – und häufig erklären die Gerichte die schwammigen Vertragsklauseln deshalb für nichtig. So befand beispielsweise das Landgericht Hamburg im Prozess zwischen dem DJV und den G+J-Wirtschaftsmedien, dass fast ein Dutzend Vertragspunkte unzulässig sei und verbot dem Verlag die weitere Nutzung dieser Geschäftsbedingungen. Insbesondere bei einer Klausel spricht das Urteil sehr deutliche Worte: G+J hatte in die AGBs seiner Wirtschaftstitel den Passus aufnehmen lassen, dass mit dem vereinbarten Honorar für die ersten sechs Monate nach Erstveröffentlichung jede weitere Nutzung abgegolten sei. Der Verlag wollte sich also das Recht sichern, den einmal gekauften Artikel beliebig oft in eigenen oder fremden Blättern unterbringen zu dürfen. Was ein Autor für die „Financial Times Deutschland“ geschrieben hatte, konnten nicht nur „Impulse“ und „Capital“ kostenfrei abdrucken – G+J durfte die Inhalte auch weiterverkaufen an ausländische Zeitschriften, Online-Portale wie T-Online und Web.de oder Corporate-Publishing-Magazine, ohne dass der Autor weiteres Geld bekam.

In diesem Punkt watschte das Gericht den Verlag förmlich ab: Die angemessene Vergütung habe Leitbildfunktion, der Urheber sei ausnahmslos an jeder Nutzung seines Werkes zu beteiligen; deshalb habe der Bundestag 2001 das Urheberrecht ja geändert, siehe Bundesgesetzblatt.

5.Was ändert sich für die Freien mit dem G+J-Urteil?

Wie immer im Zivilrecht sind diese Urteile Einzelfallentscheidungen. Die geprüften G+J-AGBs sind zwar nach dem Urteil ungültig, aber die Rechtsprechung der verschiedenen Gerichte im gesamten Bundesgebiet ist sich in vielen Details nicht immer einig. Oft ist in den Urteilen die Rede davon, dass die Klauseln der AGBs die Urheber „unangemessen benachteiligen“. Und immer wieder mahnen die Richter, dass das Urheberrecht eine Beteiligung der Urheber an Gewinnen aus dem Weiterverkauf der Nutzungsrechte ausdrücklich vorsieht und Klauseln der AGBs gegen dieses Gebot verstoßen. Egal ob es das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg im Fall Heinrich Bauer Achat KG ist, das Oberlandesgericht München bei der „Süddeutschen Zeitung“ oder bei Axel Springer AG das Kammergericht Berlin.

Dementsprechend optimistisch gibt sich Rechtsanwalt Christian Donle, der den DJV in seinen Prozessen gegen die Verlage als Anwalt vertritt: „Der BGH hat jetzt die Möglichkeit, unter der geänderten Gesetzeslage und im ausdrücklichen Auftrag der Gesetzesreform über einen Sachverhalt neu zu entscheiden, den er 1982 aus Sicht der Autoren nicht positiv entscheiden konnte.“ Allerdings schränkt er ein: „Die reale Situation ist noch immer die, dass der einzelne Journalist wenig tun kann. Er ist wehrlos; und Freiberufler, die es wagen, den vorgelegten Vertragsbedingungen nicht zuzustimmen, bleiben ohne Aufträge.“

6.Wie können sich Freie gegen Verträge konkret wehren?

Der juristische Laie, so DJV-Anwalt Donle, könne schwer erkennen, welche Klauseln ihn unberechtigt benachteiligen und welche Bedingungen die Verlage zu Recht stellen dürfen. Er empfiehlt allen freien Journalisten, sich einer Gewerkschaft anzuschließen und die AGBs der Verlage dort prüfen zu lassen: „Mit der Verbandsklage haben wir ein Instrument, sehr schnell gegen unzulässige Bedingungen vorzugehen. Rechtsberatung ist für Mitglieder kostenlos und ihre Anonymität gegenüber dem Verlag bleibt gewahrt.“

Den Klageweg über die Gewerkschaften empfiehlt auch Wolfgang Michal vom Berufsverband Freischreiber, der noch nicht genug Mitglieder f
ür eine Verbandsklage hat. Michal rät, den individuellen Konflikt mit den Verlagen zu vermeiden: Zwar könne der Freie versuchen, die Post mit dem Vertrag zu ignorieren oder ungewollte Passagen durchzustreichen. „Manchmal funktioniert das“, sagt Michal, „aber wenn die Verlage Druck machen, bleibt den Freien nichts anderes übrig, als die vorgelegten Klauseln zu unterschreiben.“

Ob die anstehende Gerichtsentscheidung des BGH ausreicht, den Konflikt zwischen den Interessenvertretern der Freiberufler und den Verlagen endgültig zu lösen, daran haben alle Beteiligten Zweifel. „Das Urhebervertragsrecht ist sehr schwammig und die Verlage können sich viel erlauben“, sagt Freischreiber Wolfgang Michal.

7. Und was hat das Leistungsschutzrecht damit zu tun?

„Wir beobachten seit einiger Zeit, dass sich die Medienhäuser mehr und mehr zu Lizenzierungsunternehmen wandeln, die als Geschäftsgrundlage nicht mehr die verlegerische Arbeit sehen, sondern den Handel mit Nutzungsrechten“, sagt Michal. Für diese Sicht der Dinge spricht, dass die Verleger seit langem ein Leistungsschutzrecht für die Presse fordern; also Eigentumsrechte an den von ihnen publizierten Artikeln, ähnlich wie sie Musikindustrie, Fernseh- und Hörfunksender oder Filmproduzenten bereits besitzen. Jüngst kündigte Hubert Burda bei der Jahrestagung des Zeitschriftenverlegerverbands VDZ an, „Dampf“ machen zu wollen, und forderte ein „Recht auf Content“. Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG, stimmt zu: „Solange es dieses Leistungsschutzrecht nicht gibt, sind die Verlage darauf angewiesen, diejenigen Nutzungsrechte von den Autoren zu erwerben, die erforderlich sind, um multimedial arbeiten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Er findet, es „könnte die Lage entspannen“.

Während sich die Gewerkschaften verhandlungsbereit zeigen und einem Leistungsschutzrecht zustimmen würden, sofern die Urheberrechte nicht angetastet und die Autoren angemessen an den Erlösen beteiligt werden, sind die Freischreiber skeptisch: Als Nutzer von Informations- und Nachrichtenquellen im Internet müssten die Freien schließlich selbst für die Nutzung zahlen. „Es gibt zwar die Zusage, dass wir eine Kompensation von den Verlagen erhalten“, sagt Wolfgang Michal, er hält das aber für wenig glaubwürdig: „Die Medienhäuser werden im Gegenteil immer unverschämter: Der Jahreszeitenverlag hat in den aktuellen Rahmenvertrag erstmals den Passus eingeführt, dass die Autoren ihre urheberrechtlichen Vergütungsansprüche abtreten sollen – sprich: die Tantiemen der, VG Wort‘.“

Erschienen in Ausgabe 12/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 64 bis 65 Autor/en: Matthias Thiele. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.