Vier Nachmittage lag Thomas Peschak auf der Lauer. Regungslos neben dem Nest eines Kaptölpels positioniert, wartete er auf Augenkontakt zu einem dieser seltenen Vögel. Seine Geduld wurde belohnt: mit einem der wichtigsten Fotopreise der Welt, dem World Press Photo Award der Kategorie „Natur“. Der gebürtige Deutsche hat den Kaptölpel beim Anflug auf Malgas Island an der Westküste seiner Wahlheimat Südafrika fotografiert. Die Juroren wussten nicht, wer der Fotograf war, der diesen grimmig-entschlossenen Blick des Kaptölpels eingefangen hatte. Sie wussten auch nicht, dass es sich bei dieser Vogelart um eine bedrohte Spezies handelt.
Wenn man nicht weiß, dass die Kaptölpel verhungern werden, wenn die Überfischung ihrer Jagdgründe weiter voranschreitet; wenn man nicht weiß, dass der studierte Meeresbiologe Thomas Peschak fotografiert, weil er auf das Artensterben hinweisen will, dann sieht man das Foto mit anderen Augen: dann überzeugt es zuerst mit seinen ästhetischen und technischen Qualitäten.
Naturfotografie & Journalismus
Das ist beim World Press Photo Award so gewollt. In den ersten Auswahlrunden lesen die Juroren die Captions nicht. „Da geht es in erster Linie um das Bild und weniger um die Botschaft, die es aussendet“, sagt Ruth Eichhorn. Eichhorn ist Fotochefin von „Geo“ und saß in diesem Jahr sowohl in der Vorjury der Kategorie „Natur“ als auch in der Hauptjury, die am Ende die Gewinner in allen neun Kategorien des Wettbewerbs kürt. „Das Bild ist durchgekommen, weil es wahnsinnig attraktiv und technisch sehr raffiniert ist“, sagt die erfahrene Fotoredakteurin. Durch die Bewegungsunschärfe auf den Flügeln und den gestochen scharfen Kopf wirke es fast dreidimensional.
Trotzdem kann man sich fragen, was dieses Foto ohne die Hintergrundinformation zu einem preiswürdigen „Press Photo“ macht und welche journalistische Berechtigung Naturfotos überhaupt haben. Ruth Eichhorn sieht das pragmatisch: „Wir haben in „Geo“ seit der ersten Ausgabe 1976 immer eine Serie mit Tierfotografie und es gibt viele Magazine, die auf Natur- und Tierfotografie spezialisiert sind.“ Darüber hinaus findet sie, dass die Naturfotografie sich in den vergangenen 20 Jahren politisiert hat. „Viele Fotografen sehen ihre Fotos heute als Warnung und wollen zeigen, was wir konservieren müssen“, sagt Eichhorn.
Fotografie im Umweltschutz
So auch Thomas Peschak. Er ist Cheffotograf der in Genf stationierten „Save Our Seas Foundation“ (SOSF), die sich weltweit für den Schutz der Meere und Meeresbewohner engagiert. Obwohl er streng genommen PR für den Umweltschutz macht, sieht er sich als Fotojournalist: „Meine Arbeit besteht darin, die größten Gefahren für die Meereswelt zu dokumentieren.“ Das macht er nicht nur im Auftrag von Nichtregierungsorganisationen wie SOSF, sondern auch für „National Geographic“, „BBC Wildlife“ und andere Naturmagazine.
„Ich glaube, dass Fotos das mächtigste Ins-trument der Umweltschützer sind. Ein gutes Foto kann inspirieren, schockieren und Menschen dazu bewegen, etwas zu verändern“, sagt Peschak. Im Laufe der Jahre wurden einige seiner Fotos in Umweltschutz-Kampagnen eingesetzt und seine jüngste „National Geographic“-Serie über Zitterrochen in den Malediven war mit ein Grund dafür, dass dort jetzt ein Naturschutzgebiet eingerichtet wird.
Peschak ist gefragt: Fast 300 Tage im Jahr arbeitet er in allen Ecken und Tiefen der Erde. Er verbringt so viel Zeit unter Wasser, dass man ihn schon fast zu den Amphibien zählen könnte. Der Fotojournalist und Biologe sieht sich aber auch als Umweltaktivist: „Leider sind unsere Ozeane und die Tiere, die darin leben, in Gefahr. Es gibt immer mehr Tiere und Orte, die ich fotografieren will, weil sie in Gefahr sind. Gleichzeitig wird die Liste der Orte immer kleiner, die wegen ihrer gesunden Biodiversität fotografiert werden müssten.“
Erschienen in Ausgabe 03/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Thomas Strotjohann. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.