Bischkek. Der morgendliche Gang zum Zeitungskiosk in Bischkek ist sinnvoll. Das unterscheidet die kirgisische Hauptstadt von den zentralasiatischen Nachbarn, in denen die staatliche Zensur der autokratischen Regimes die Lektüre der Presseerzeugnisse sehr oft zu einer eintönigen Angelegenheit werden lässt.
Nicht so in Kirgistan, wo nach dem Machtumsturz im April und den Parlamentswahlen im Oktober 2010 die staatliche Gängelei der Medien aufgehoben wurde. Es gibt unzählige Zeitungen in russischer Sprache, „Vetschernij Bischkek“ oder „Delo N.r.“, oder auf Kirgisisch „Asman“, „Alibi“ und viele mehr. Und es geht ordentlich zur Sache. Die eine Zeitung beschwört auf dem Titelblatt das Herannahen einer dritten Revolution, die andere Zeitung widmet sich der Korruption und die dritte will wissen, was aus den Wahlversprechen geworden ist. So weit, so pluralistisch.
Nur bei einem Thema bleibt die bunte kirgisische Medienlandschaft schmallippig. Wenn sie über die ethnischen Unruhen im Juni 2010 schreibt, im Laufe derer es zu so schweren Pogromen in den usbekischen Wohnvierteln gekommen ist, weicht sie nicht von der gängigen Meinung der kirgisischen Öffentlichkeit ab. Die Usbeken, obwohl diese vor allem unter den Pogromen gelitten haben, hätten die Unruhen ausgelöst und seien daher für das Leid auch verantwortlich.
Diese Eintönigkeit ist nicht von der Regierung vorgegeben, sondern von der Straße verordnet. „Wir sind noch nicht bereit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen“, sagt die kirgisische Menschenrechtlerin Asisa Abdirasulowa in Bischkek.
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Erschienen in Ausgabe 03/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 17 bis 17. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.