Hallo, wie geht’s?

Ihr Tag beginnt mit einem Radio-Interview, wie jede Woche. Beim Lokalsender Radio Eins vom rbb stellt der Moderator die regelmäßige Kommentatorin vor: „Brigitte Fehrle von der ‚Berliner Zeitung‘. Es geht um Guttenbergs Rücktritt und Merkels Versagen. Ein paar Tage zuvor spricht ein SWR2-Moderator Fehrle als „politische Redakteurin der ‚Berliner Zeitung‘ an, Fehrle analysiert die Hamburg-Wahl; neulich, bei Radio Bremen, trat sie für die „Frankfurter Rundschau“ auf.

Nur selten wird sie mit ihrem korrekten Titel vorgestellt: Chefredakteurin der DuMont-Redaktionsgemeinschaft, genannt „Rege“. „Damit können Zuschauer und Hörer nichts anfangen“, sagt sie, „und auch unsere Leser interessiert das eher nicht“. Also hat sie je nachdem ein anderes Label – und nie das der Chefin. So wie auch die Vorabmeldungen abwechselnd als exklusive Geschichte der FR oder der „Berliner“ verschickt werden.

Seit fast einem Jahr bestücken Fehrles Leute jetzt die Politik- und Wirtschaftsseiten der DuMont-Titel in Frankfurt und Berlin. Auch „Kölner Stadtanzeiger“ und „Mitteldeutsche Zeitung“ können sich Texte herauspicken, was sie allerdings seltener tun, weil die Textlängen meist nicht passen. Es ist ein Modell, über das mittlerweile einige Verlage nachdenken – oder in ähnlicher Form bereits umgesetzt haben: Gruner+Jahr legte die Wirtschaftsredaktionen zusammen, die WAZ-Gruppe führte einen gemeinsamen Content-Desk für ihre NRW-Zeitungen ein, die Hannoveraner Verlagsgruppe Madsack hat einen Autorenpool in Berlin geschaffen. Die Verleger versprechen: Wir sparen und trotzdem steigt die Qualität. Die „Rege“ als maßgeschneidertes Konzept für die DuMont-Titel gilt innerhalb der Mediengruppe als Erfolgsmodell. Weitere Kooperationen seien daher durchaus möglich, sagt Fehrle.

Ob es dazu kommt, wird wohl auch davon abhängen, wie sich die FR entwickelt. Sie hat bei Verkauf, Abos und Verbreitung im Vergleich zum Vorjahresquartal erneut verloren – jeweils rund zehn Prozent.

Journalistisch habe sich ihre Rege profiliert, sagt Fehrle: „Ein gelungenes Experiment.“ Selbst Kritiker räumen ein, dass die Textqualität stimme. „Ich habe einfach für jede Situation genügend Leute“, sagt Fehrle. Beim Guttenberg-Rücktritt spannte sie die ganze Truppe ein, die „Rege“ lieferte Leitartikel, Analysen, Portraits, Reportagen seitenweise. Bei solchen Großlagen zeige sich, wie produktiv Rechercheure, feuilletonistische Schreiber und klassische Politikredakteure zusammenarbeiten würden; Fehrle spricht von „Crossover-Journalismus“, durch den ganz neue Ideen entstünden, anders als beim „klassischen Bannmeilen-Journalismus“. Ähnlich lief es schon bei der Griechenland-Krise, als die „Rege“ gerade startete. Neue Erzählformen für Geräte wie das iPad entwickeln die Crossover-Journalisten nicht, Digital- und Online-Redaktionen können aber auf die Texte zugreifen. Doch selbst wenn es um Print geht, fällt die Abstimmung mit den Haupthäusern in Frankfurt und Berlin mitunter schwer. „Wir sind als Autorengemeinschaft gegründet, nicht als Produktionsgemeinschaft“, sagt Fehrle, „da lässt sich nicht vermeiden, dass die Kluft zwischen Blattmachern und Autoren wächst“.

Dass sich die „Rege“ einen Ruf erarbeitet hat, zeigte sich kürzlich in der Empfangshalle des Berliner Verlagshauses: Erstmals lud die DuMont-Gruppe zu einem Neujahrsempfang in der Hauptstadt, gut 800 Gäste kamen, darunter die Kanzlerin, mehrere Bundesminister, Fraktionschefs und Anzeigenkunden. „Solche Veranstaltungen sind absolut wichtig, um sich zu präsentieren“, sagt Fehrle. Vor so einem Abend muss sie sich auch nicht überlegen, mit welchem Titel sie auftritt. Alle wissen: Dort hinten am Stehtisch, das ist die „Rege“-Chefin. Oliver Trenkamp

Serie: So wie wir ein Jahr lang die Startphase der Gemeinschaftsredaktion der Gruner+Jahr-Wirtschaftstitel begleitet haben, berichten wir an dieser Stelle über die Arbeit der DuMont-Redaktionsgemeinschaft (Start: 26. April).

Erschienen in Ausgabe 03/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 7 bis 7. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.