Leben mit dem Beben

Christchurch. Ausgerechnet in der Woche, als mein Buch über dieses Land, in dem angeblich nichts passiert, in Deutschland erschien, wurde aus meiner Realsatire dank der Ironie der Natur innerhalb von Sekunden bittere Realität: In Christchurch bebte am 22. Februar um 12.51 Uhr wieder die Erde. Ich lebe in Lyttelton, dem Epizentrum des Bebens. Letzten September war es heftig genug gewesen (so stark wie in Haiti), aber diesmal ist es eine Katastrophe: hunderte Tote, schlimmste Zerstörung. Alle stehen unter Schock. Meiner Familie, meinen Freunden ist wie durch ein Wunder nichts passiert. Selbst unser Haus steht noch, wenn auch sehr lädiert. Man gewöhnt sich schnell daran – „normal“ wird von Tag zu Tag neu definiert. Lyttelton ist ein historischer Hafenort mit Kneipenflair und Künstlerszene, dem ich durch mein Buch („Was scheren mich die Schafe“) ein kleines Denkmal gesetzt habe – ohne zu wissen, dass er sich so schnell und brutal verändern würde. Vom Flair ist nicht viel geblieben, stattdessen: Trümmer beseitigen, anderen helfen, nachts schlecht schlafen wegen all der Nachbeben, und in all dem Chaos als Journalistin und Mutter funktionieren. Manchmal wünsche ich mir, wieder nur das nächste Buch über ein Land zu schreiben, in dem angeblich nie etwas passiert.

Erschienen in Ausgabe 03/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 17 bis 19. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.