Wie Unternehmen den Sturm ernten

Statt differenzierter Betrachtung gilt das David-gegen-Goliath-Prinzip: Die Kleinen gewinnen gegen die Großen – zumindest in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Das musste auch die Euroweb Internet GmbH erleben, nachdem sie kurzzeitig die Domain des populären Blogs „Nerdcore“ von René Walter gepfändet hatte. Nahezu im Minutentakt haben sich Anfang 2011 viele Blogger und Twitterer über diese Enteignung des Bloggers beschwert und damit der Reputation des Unternehmens zugesetzt.

Wer eine Person oder ein Unternehmen angreift, muss in Social-Media-Zeiten mit den kommunikativen Konsequenzen rechnen: Walter hatte vor längerer Zeit gebloggt: „Zählt für die überbezahlten Pfuscher eigentlich das Behindertengleichstellungsgesetz?”. Damit beschimpfte er seine Wettbewerber und musste die rechtlichen Konsequenzen dafür tragen. Nachdem Walter die anfallenden Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren weder rechtzeitig noch vollständig gezahlt hatte, kam es zu einem Pfändungsbeschluss, aufgrund dessen die Domain-Adresse am 7. Januar 2011 an Euroweb überging. Allerdings hatte der Pfändungsbeschluss aufgrund einiger Formfehler keinen langen Bestand. Die Übertragung wurde von der DENIC wieder rückgängig gemacht.Während man Walter kommunikationstechnisch anfangs eine gewisse Ignoranz vorwerfen kann, ist es bei der Euroweb Internet GmbH vorwiegend die Tonalität der Äußerungen, die am ehesten als „provokativ“ beschreibbar ist. Ohnehin muss der Full-Service-Internetdienstleister im Netz mit vielen Anfeindungen umgehen, weil seine Geschäftspraktiken in der Netzöffentlichkeit umstritten sind.

Das Beispiel Euroweb zeigt sehr deutlich, dass es längst nicht ausreicht, in Social Media aktiv zu sein, um dort auch etwas für seine Online-Reputation zu tun. Denn das Unternehmen weiß technisch gesehen Facebook, Twitter und sein Corporate Blog zu nutzen. Doch fehlt es manchmal etwas an Sensibilität in der Kunden- bzw. Influencer-Kommunikation. Stattdessen setzen die Protagonisten auf direkte Konfrontation. Oder warum sagt der Euroweb-Geschäftsführer Christoph Preuß der „Süddeutschen Zeitung“: „Vielleicht wird es (gemeint ist: die „Nerdcore“-Enteignung) ein Präzedenzfall, der einen Stein ins Rollen bringt in der Blogosphäre.”

In der Sache wäre es gar nicht notwendig gewesen. Auf der „Nerdcore“-Plattform selbst, die Euroweb zwischenzeitlich unter eigener Regie zugänglich machte, hieß es: Eurowebs Reaktionen seien eine „neue Erfahrung für Blogger”. Das klang selbstgerecht, nach dem Motto: Wir haben es den Bloggern mal so richtig gezeigt. Es gab zudem eine Einladung zur „Kritik” – nicht zum Dialog. Reaktionen gab es viele auf den Zwischenfall, sowohl in der Echtzeitwelt wie auch in den klassischen Medienangeboten. In unzähligen Kommentaren wurden die harschen Reaktionen Eurowebs kritisiert. Diese fühlten sich anscheinend in ihrer Rolle ganz wohl: So äußert sich Euroweb zur Rückübertragung der Domain an Walter auf ihrem Corporate Blog: „Wer glaubt, sich im World Wide Web wie ein Outlaw benehmen zu können, irrt. Das Internet ist nicht der Wilde Westen.“

Nun, das mag stimmen. Jedoch sollte niemand sich die Rolle des Sheriffs aufbürden und wild um sich schießen. Das ist unnötig und führt sicherlich nicht zum erwünschten Ergebnis. Wer „Euroweb“ in die Suchmaschinen eingibt, kann sich über die Online-Diskussion sehr schnell ein Bild machen.

Nachdem sich Ende Januar die Aufregung um die mittlerweile misslungene Blogpfändung gelegt hatte, mahnte Euroweb René Walter erneut ab, weil er einige Äußerungen in einem „Futurezone“-Interview wiederholt habe: die Fortsetzung von David vs. Goliath.

Erschienen in Ausgabe 03/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 67 bis 67 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.