Ab heute wird zurückgeschossen

Der Fall

Fälle wie dieser sind das Lebenselixier der Paparazzi: Ein bekannter Moderator und Unternehmer, festgenommen wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung, zahlreiche Geliebte, Unterbringung in Untersuchungshaft … Was liegt da näher, als sich auf einem Gebäude gegenüber der Haftanstalt zu postieren und mit dem langen Teleobjektiv auf den Hofgang des vermeintlichen Delinquenten zu warten?

Gedacht, geknipst, veröffentlicht – natürlich in der „Bild“. Der derart Vorgeführte klagte nicht nur vor dem Landgericht Köln gegen die Veröffentlichung, sondern drehte den Spieß bei sich bietender Gelegenheit um: Er fotografierte den Fotografen, der in seinem Auto vor der Wohnung des Moderators zeitunglesend auf weitere Fotogelegenheiten wartete, und veröffentlichte das Bild über seinen Twitter-Account. Das wiederum empfand der Paparazzo, man höre und staune, als unzulässigen Eingriff in seine Rechte am eigenen Bild und beantragte per Widerklage die Unterlassung der Veröffentlichung.

Das Urteil

Die Richter am Landgericht Köln konnten sich angesichts der Konstellation wohl selbst ein Schmunzeln nicht verkneifen. Im Urteil jedenfalls reiben sie dem Fotografen recht genüsslich unter die Nase, dass dieser selbst an einer „vielfach persönlichkeitsrechtsverletzenden Bildberichterstattung über den Kläger beteiligt“ war.

Dies und die generelle Arbeitsweise des Paparazzo würde durch das Verteidigungsfoto des Moderators dokumentiert. Die Veröffentlichung leiste deshalb einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Umstände von Medienberichterstattung. Das Bild sei dementsprechend als Dokument der Zeitgeschichte zu bewerten.

In diesem Fall ist eine Veröffentlichung nur dann unzulässig, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten überwiegt. An dieser Stelle konnte das Gericht dann mit trockener Beiläufigkeit klassische Rechtsdogmatik bemühen: Das Bild zeige den Fotografen in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit, die wiederum unmittelbar den Kläger betreffe. Ein Eingriff in die Privatsphäre lag nicht vor. Der Paparazzo sei deshalb nicht wesentlich in seinen Interessen betroffen.

Die Veröffentlichung der Hofgangfotos hielt das Landgericht im selben Prozess übrigens für unzulässig: Bei dem Gefängnishof handele es sich um einen privaten Rückzugsraum und der Nachrichtenwert der Bilder sei von untergeordneter Bedeutung.

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Die Folgen

Nicht jeder Paparazzo muss nun damit rechnen, fotografischer Gegenwehr ausgesetzt zu sein: Dass der Prozess um die vermeintliche Vergewaltigung über Monate die deutsche Medienlandschaft dominierte, spielte bei der Entscheidung eine maßgebliche Rolle.

Festgehalten werden aber kann, dass auch das Warten im Auto als Teil der Berufsausübung angesehen werden kann. Der Privatsphärenschutz greift nicht, wenn die Warterei Vorbereitungshandlung für weitere Fotos ist. Fotografen sollten sich also bewusst sein, dass sie nicht außerhalb der Öffentlichkeit stehen, sondern selbst Teil der Berichterstattung sein können – zumindest, wenn sie es mit den rechtlichen Grenzen ihrer Tätigkeit nicht so genau nehmen.

Stephan Zimprich ist Rechtsanwalt im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Field Fisher Waterhouse.

stephan.zimprich@ffw.com

Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 60 bis 60 Autor/en: Stephan Zimprich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.