Kopenhagen. Welch ein Ereignis! Am 1. Januar übernimmt Dänemark den EU-Ratsvorsitz. Mitten in der Krise eine schwere Aufgabe, aber mit denen wächst man ja bekanntlich.
Und was machen die dänischen Medien? Fragen die, warum Dänemark sich nicht dem Euro-Raum angeschlossen hat, ob es das nun tun oder lieber bleiben lassen sollte, erläutern ihren Lesern, was Eurobonds, EFSF und ESM sind? Oder bringen große Artikel über einen möglichen EU-Beitritt Islands, das immerhin lange unter dänischer Herrschaft stand? Oder stellen das bekannte Europakolleg in Brügge vor, an dem die dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt studiert hat?
Fehlanzeige. Stattdessen wird Nabelschau betrieben, Innenpolitik steht weit oben auf der Agenda. „Als ich kürzlich zur EU-Ratspräsidentschaft interviewt wurde, galt das Interesse einzig und allein der Frage, ob Kopenhagen mit Gipfeltreffen und der damit verbundenen Medienaufmerksamkeit rechnen könnte“, sagt Marlene Wind, die vermutlich gefragteste der dänischen Professorinnen, die über die EU forschen.
Und als die Premierministerin Thorning-Schmidt sich gut einen Monat vor Beginn der Ratspräsidentschaft der ausländischen Presse stellte, wollte der Nachrichtensender TV2News mich danach unbedingt live interviewen – vor allem, um zu hören, warum wir ausländischen Journalisten die Regierungschefin denn nicht nach den aktuellen innenpolitischen Skandälchen ausgefragt hätten.
Zu der Zeit wurde ihr gerade vorgeworfen die Wähler getäuscht zu haben, weil diesen versprochen worden war, die Preise für den öffentlichen Personennahverkehr zu senken. Daraus aber war nichts geworden. Keine Frage, das darf thematisiert werden – aber schade, wenn die Debatte um ein paar Eurocent billigere Bus-tickets den Euro-Rettungsschirmen die Aufmerksamkeit stiehlt, deren Geldvolumen dreimal so hoch ist wie die jährliche dänische Wirtschaftsleistung.
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Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 13 bis 13. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.