Ein neuer Pool in Berlin

Bei der Eröffnung im März 2010 war es nur ein „Hauptstadtbüro“, doch spätestens seit der geplante Stellenabbau bei der „Leipziger Volkszeitung“ bekannt wurde, ist klar: Auch der Madsack-Konzern bastelt an einem Berlin-Pool. Der Medien-Riese mit Sitz in Hannover strukturiert kräftig um. Seit der Übernahme der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ zum Jahresende 2011 gibt er 18 Tageszeitungen in acht Bundesländern heraus. Bei Redaktionsschluss stand soviel fest: Die Berlin-Redaktion wird auf 25 Mitarbeiter aufgestockt und damit das Personal an der Spree mehr als verdoppelt. Gleichzeitig fallen in Leipzig im Laufe dieses Jahres bis zu 30 Redakteursstellen weg. Ausgangspunkt für eine konzernweite Zentralisierung?

Wege zur engeren Zusammenarbeit

Seit der Eröffnung der Berlin-Redaktion hat Madsack wiederholt durchblicken lassen, dass es zu einer engeren Zusammenarbeit in der eigenen Zeitungslandschaft kommen soll. Anfang 2011 ernannte der Verlag Manfred von Thien – bis dahin Chefredakteur der „Lübecker Nachrichten“ – zum „Beauftragten des Verlegers“ und „Redaktionskoordinator“. Von Thien sollte eine „verbesserte organisatorische Vernetzung der Redaktionen“ und die „zentrale Bearbeitung überregionaler und internationaler Themen“ auf den Weg bringen, teilte Madsack damals mit. Ihm unterstellt leitet seit Juni Thoralf Cleven die Berlin-Redaktion journalistisch. Eine Aufgabe, die er auch nach der Umstrukturierung behalten wird, wie aus Verlagskreisen zu hören ist. Cleven war vor seinem Wechsel in die Hauptstadt stellvertretender Chefredakteur der „Ostsee-Zeitung“ in Rostock.

Von Berlin aus sollen dem Vernehmen nach künftig alle Madsack-Zeitungen mit überregionalen Informationen aus Politik, Wirtschaft und Kultur versorgt werden. Eine Produktion komplett fertiger Mantel-Seiten sei aber nicht angedacht, heißt es im Verlag. Letzteres Modell – wie es etwa die „Stuttgarter Nachrichten“ mit einer ganzen Reihe von Partnerzeitungen praktizieren – wäre angesichts der Madsack’schen Vielfalt in Sachen Layout und Druckzentren auch schwer vorstellbar.

Nun also das, was man die „große Pool-Lösung“ nennen könnte. Vorgemacht hat es zuletzt DuMont Schauberg 2010 mit der Pool-Gründung für „Berliner Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“, „Mitteldeutsche Zeitung“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit einer Mitarbeiterzahl, die in der Größenordnung des aufgestockten Madsack-Büros liegt, werden alle Blätter mit Nachrichten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft versorgt.

Der Stellenabbau kommt bestimmt

Ein anderes Konzept verbirgt sich hinter dem, was man die „kleine Pool-Lösung“ nennen könnte: Seit 1998 koordiniert Peter Stefan Herbst als Geschäftsführer die sogenannte „BMS“. BMS steht für Berliner Medien Service GmbH und ist eine Tochter der „Saarbrücker Zeitung“. Insgesamt 14 Regionalzeitungen aus verschiedenen Bundesländern beziehen über BMS Artikel, Kommentare oder Interviews aus einem gemeinsamen Berliner Büro. Der Vorteil sei ein schlagkräftigeres Auftreten der eher kleinen Regionalzeitungen im Berliner Politikbetrieb. Denn die BMS-Journalisten können sich auf eine Auflage von zusammen über eine Million Zeitungen und etwa dreieinhalb Millionen Leser berufen. Sein Modell sei aber, so Herbst, mehr als „Partnerverbund“ denn als Zentralisierung zu sehen. Deshalb seien auch dreieinhalb Redakteurs-Stellen für das Berliner Büro völlig ausreichend: „Mehr Leute brauchen Sie dafür nicht“, sagt Herbst. Über das große Pool-Modell habe man schon deshalb nie nachgedacht, weil viele Titel im Verbund „stark regionalisierte“ Mäntel hätten. Daher sei es bei der BMS-Bildung immer nur um ein Themenspektrum gegangen: die deutsche Innenpolitik.

Madsack reicht das offenbar nicht. Konzern-Chef Herbert Flecken erklärte zwar 2011 in einer Verlagsmitteilung, die „redaktionelle Qualität“ seiner Tageszeitungen mit der Umstrukturierung weiter steigern zu wollen. Unter den Mitarbeitern herrscht jedoch Verunsicherung. Da heißt es, die Zentralisierung in Berlin sei Teil eines schleichenden Stellenabbaus. Und: Von einer gleichzeitigen Entlastung der Lokalredakteure oder Stärkung der regionalen Ressourcen könne keine Rede sein. Mancher fürchtet eher eine „publizistische Verengung“. Dass ein Arbeitsplatzabbau wie etwa bei der „Leipziger Volkszeitung“ offenbar auch dadurch erreicht werden soll, dass Redakteure sich konzernweit auf offene Stellen bewerben, hat ebenfalls nicht zur Vertrauensbildung beigetragen. Im Zweifel könnte das nämlich einen Arbeitsplatzwechsel von Leipzig ins schleswig-holsteinische Lübeck bedeuten.

Die Madsack-Spitze möchte ihre Pläne noch nicht näher kommentieren. Die Gewerkschaft ver.di mag die Begeisterung für die Pool-Bildung aber schon jetzt nicht teilen. „Diese Veranstaltungen sind reine Kostensenkungs-Strategien“, sagt der Fachbereichsleiter Medien für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Michael Kopp. Die offizelle Verlagsthese, regionale Berichterstattung aufwerten zu wollen, sei nicht glaubhaft, wenn gleichzeitig bei der „Leipziger Volkszeitung“ Stellen gestrichen würden. „Verlage wie Madsack, die in Sachen Gemeinschaftsredaktionen mit mehr Qualität argumentieren“, sagt Kopp, „betreiben Irreführung“. Carsten Müller

Tipp: Mehr Madsack-Personalien s. S. 70/71.

Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 10. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.