Geschenktes Geld

Es geht um Zuverdienste in immerhin fünfstelliger Höhe. Und es geht um die Unmöglichkeit, Menschen Geld zu schenken. Klingt nach einem super Thema?

Es interessiert aber niemanden. Denn die Rede ist von der VG Wort. Von Ausschüttungsquoten, Tantiemen, Wahrnehmungsverträgen, also von ziemlich viel Bürokratie. Annette Wagner, die seit zwanzig Jahren bei der VG Wort arbeitet und versucht, ihre Ausschüttungen an den Mann zu bringen, sagt, sie werde im nächsten Leben vermutlich Finanzbeamtin: „Denn es ist sicher leichter, den Menschen Geld wegzunehmen, als es ihnen zu geben.“

Es ist aber auch wirklich kompliziert. Und seit Anfang 2007 noch ein wenig komplizierter. Seitdem hat Annette Wagner ein neues Betätigungsfeld, seitdem sollen nämlich eigentlich auch Online-Journalisten Geld für ihre Texte bekommen. Am 31. Januar 2012 endet die nächste Frist – „Meldeschluss für die Sonderausschüttung für Urheber im Bereich Texte im Internet”, heißt das bei der VG Wort.

Das Prozedere

Für Online-Journalisten sind derzeit zwei Formen von Ausschüttungen vorgesehen: eine Sonderausschüttung für alle, die an dem standardisierten Verfahren aus technischen oder organisatorischen Gründen nicht teilnehmen können. Voraussetzung ist, dass der Text mindestens 1.800 Anschläge hat und noch online steht. Das Meldungs-Prozedere ist nun extrem vereinfacht worden und erfolgt nach dem Muster: „Auf der Domain xy habe ich folgende Anzahl an Texten veröffentlicht.“ Diese Nachricht schickt man über das Online-Meldungsportal „Metis“ an die VG Wort. Schon gibt es Geld.

Und dann gibt es noch ein automatisiertes Verfahren, bei dem es die Verlage sind, die alle Texte auf ihren Seiten registrieren und weitermelden. Dabei müssen Zählpixel an die Texte angebracht werden (s. Infokasten). So kann die VG Wort dann möglichst exakt nach Klickzahlen Geld an die Autoren weitergeben. 2011 waren es bis zu 25 Euro pro Text, je nachdem, wie oft ein Artikel gelesen wurde. Diese Beträge werden jedes Jahr neu ermittelt.

An den Zählpixeln hatte es zunächst einige Kritik gegeben. Da war von vermeintlicher „Überwachung“ die Rede. Mit einigem Schmunzeln hat auch Anette Wagner diese Debatte verfolgt. Denn einige, die besonders laut Kritik an den Zählpixeln äußerten, stellten wenig später fest, wie viel Geld sie sich mit ihrer Pixel-Verweigerung durch die Lappen gehen ließen. „Ich finde es immer schön zu sehen, wer sich dann doch noch bei mir meldet, um die Zahlung zu erhalten“, sagt Wagner. Namen nennt sie natürlich keine.

In diesem Jahr hat ein Online-Journalist auf diese Weise im Schnitt 170 Euro von der VG Wort bekommen. Allerdings sagt dieser Durchschnittswert nicht viel aus. In der Spitze seien Summen bis zu 20.000 oder gar 30.000 Euro erreicht worden, berichtet Wagner. Das schaffen nur Autoren auf Seiten, die wirklich sehr viel gelesen werden, vor allem Blogs – denn die müssen ihre Einnahmen nicht mit den Verlagen teilen. Namen verrät die VG Wort auch hier natürlich nicht. Bei den Sonderausschüttungen werden im Gegensatz zum automatisierten Verfahren all diejenigen berücksichtigt, die tatsächlich technische Schwierigkeiten mit den Zählpixeln hatten. Manchmal lassen sich die Dinger einfach nicht einbauen. Die Autoren, die sich zur Sonderausschüttung melden, sind dann davon befreit, den Mindest-Traffic auf ihren Texten nachzuweisen – eben weil das ohne Pixel ja nicht möglich ist.

Schutz gegen Missbrauch

Einen inhaltlichen Nachweis, dass die Texte journalistische Qualität erreichen, muss ohnehin niemand erbringen. Also reichten einige Vielschreiber für die Sonderausschüttung ein Script mit bis zu 3.000 Texten ein, erzählt Wagner. Und weil niemand nachprüfen kann, ob die Texte auch gelesen werden, könnten das theoretisch auch automatisch generierte Zufallstexte sein. Diesen Manipulationsversuchen muss Wagner einzeln auf die Schliche kommen – „denn das dient ja dem Interesse derer, die zu Recht Anspruch haben auf das Geld, das es zu verteilen gibt“.

Die VG Wort überarbeitet die Kriterien ständig, um Missbrauch zu verhindern. Inzwischen ist der Betrag, der höchstens ohne Nachweis von Traffic erreicht werden kann, gedeckelt: Es gibt eine Maximal-Anzahl an Texten, die ein Autor für die Sonderausschüttung melden kann. Gemeldet wird in mehreren Stufen, von „1-20 Texte“ bis „241-480 Texte“. Alles darüber wird als eine Stufe abgerechnet, egal ob 481 Texte oder 25.000. Nach vorsichtigen Schätzungen dürfen so selbst Vielschreiber 2012 mit maximal 500 Euro rechnen – bei der Sonderausschüttung, wohlgemerkt; mit den mehreren tausend Euro, die via Zählpixel-Verfahren zusammenkommen können, hat das nichts zu tun.

Das steckt hinterm Zählpixel

Die Sonderausschüttung sollte eigentlich nur eine Zwischenlösung sein. Am liebsten wäre es der VG Wort, an allen journalistischen Texten im Netz klebte bald der VG-Wort-Zählpixel. Doch das hat sich als eine schwierige Aufgabe herausgestellt. Anstatt jeden einzelnen Journalisten zum Mitmachen zu bewegen, setzt Wagner daher vor allem auf die Kooperation mit den Verlagen. Wenn ein Verlag ein System installiert, das die Pixel automatisiert auswertet, erreicht die VG Wort schließlich mit einem Schlag gleich einen riesigen Schwung an Journalisten.

Dass es viele Journalisten immer noch schwer haben, an das Geld zu kommen, das ihnen zusteht, liegt auch an den Verlagen. Denn die müssen ein wenig Aufwand betreiben: Sie müssen für die reguläre Ausschüttung Zählpixel anbringen und entsprechende Systeme installieren. Und das kostet sie Geld. Jemand muss sich mit der nicht ganz trivialen Technik auseinandersetzen und ein geeignetes System aufsetzen. Lange haben Redakteure und freie Journalisten vergeblich darauf gedrängt, dass die Systeme endlich installiert werden, schließlich ging es ja um ihr Geld. Aus den Verlagen hieß es aber zunächst, die Techniker hielten die Systeme für ungeeignet und viel zu kompliziert. „Ich glaube, die Redakteure hätten sich weiter aufregen können, bis sie in Rente gegangen wären“, sagt Wagner.

Doch dann sei etwas passiert: Ein großer Verlag, sie sagt nicht, welcher, der sich als einer der Vorreiter an dem System beteiligt hatte, vermeldete den Eingang einer gewaltigen Summe Geld. „Da haben die anderen auf einmal ganz schnell zugesehen, dass sie das auch hinbekommen“, sagt Wagner: „Wenn das nicht passiert wäre, würden die Redakteure sicherlich noch heute auf ihr Geld warten.“ Denn was vielen Journalisten gar nicht klar ist: Die Verlage dürfen einen Anteil an den Einnahmen ihrer Autoren einbehalten. „Man kann das ungerecht finden, aber schließlich brauchen sie die Verlage als Kooperationspartner“, sagt Wagner. Sie nennt das daher „realistisch und erfolgreich“. Fast alle großen Publikumsverlage haben inzwischen solche Systeme installiert. Im nächsten Jahr will die VG Wort versuchen, auch die Fachverlage zur Zusammenarbeit zu bewegen. Wagners stärkstes Argument gegenüber den Verlagen wird dabei sicherlich wieder der Teil der Erlöse sein, den die Verlage selbst einbehalten dürfen.

Mitbestimmung ist möglich

Aber von anderer Stelle wird der Wunsch laut, den Anteil der Verlage an den Ausschüttungen zu senken. Das wird auch ein Thema auf der nächsten Mitgliederversammlung sein. Im Moment liegt der Anteil für die Verlage bei ungefähr 41 Prozent. Bei der letzten Verhandlungsrunde wurde ein Kompromissvorschlag abgelehnt, der eine klare Aufteilung von 60 zu 40 vorsah – immerhin eine transparentere Zahl und eine winzige Verbesserung für die Autoren. Doch nur ein Bruchteil der Berechtigten geht auch zu den Anhörungen, um über die Anteile mitzubestimmen. Viele Journalisten schreckt die Bürokratie ab, sie werfen die Briefe mit den entsprechenden Einladungen ungelesen in den Papierkorb. Die nächsten Anhörungen finden im
Sommer statt, eine in München, eine in Berlin.

Immer wieder wird auch Kritik laut an der VG Wort. Die Freischreiber, der Verband freier Journalisten, monierten schon 2009 die fehlende Transparenz der Verfahren für die Online-Tantiemen. Jeder Urheber, kommentierte daraufhin die VG Wort, könne für 15 Euro eine detaillierte Auskunft über seine Ausschüttungen erhalten. Unzureichend, finden die Freischreiber, „freie Autoren“ müssten so „ihren Tantiemen weiterhin hinterherrecherchieren“. Die VG Wort beschwichtigt und merkt zu Recht an, dass Verleger ein gewisses Interesse hätten, die Beiträge ihrer Autoren ordnungsgemäß zu melden. Schließlich bekommen sie ja für die Meldungen selbst ziemlich viel Geld.

Info I

Wo kommt das Geld eigentlich her?

Die Mittel dafür stammen aus der sogenannten Reprographie-Abgabe – einer zusätzlichen Abgabe, die etwa bei Herstellern von Speichermedien und digitalen Kopiergeräten eingesammelt wird. Sie soll die Urheber für sogenannte Zweitnutzungen entschädigen, also zum Beispiel für die Tatsache, dass Leser ihre Texte aus dem Netz kopieren und auf dem USB-Stick speichern. Um zu ermitteln, wie oft ein normaler Nutzer im Durchschnitt Texte, Bilder und Audio-Dateien kopiert, speichert oder weiterleitet, gibt die VG Wort regelmäßig Umfragen in Auftrag. Daran bemisst sich auch der Anteil, den dann die Online-Journalisten von dem insgesamt eingesammelten Geld abbekommen. Schließlich verteilt die VG Wort ihre Einnahmen auch an Print-, an Rundfunk- sowie an Wissenschaftsautoren.

Info II

SO GEHT’S

Jeder Autor sollte mit seinen Artikeln die VG-Wort-Karteinummer mitschicken. Das gilt auch für Printautoren, deren Texte von den Redaktionen online gestellt werden. Zwischen Anfang Juni und dem 2. August können Autoren dann auf den VG-Wort-Seiten im Netz im eigenen Konto prüfen, was die Verlage für die Ausschüttung gemeldet haben und welche ihrer Texte die Mindestklickzahlen erreicht haben. Sie müssen die Meldungen bis zum 1. September bestätigen. Vorausgesetzt ist, dass der Autor sich beim Meldeverfahren der VG Wort registriert hat, einen Wahrnehmungsvertrag muss er nicht abschließen. Wer auf fremden Seiten veröffentlicht, die nicht mit Zählpixeln arbeiten, meldet die Texte für die Sonderausschüttung. Das Verfahren wurde vereinfacht: Der Autor muss nur noch die Domain angeben und unter sechs verschiedenen Stufen wählen, wie viele Texte er dort veröffentlicht hat. Dabei ist es egal, wann der Text veröffentlicht und ob er bereits im Vorjahr gemeldet wurde – er muss lediglich im Jahr der Meldung noch online sein.

LINK:TIPPS

Online-Meldungsportal der VG Wort

https://tom.vgwort.de/portal/metis

Alle Meldefristen der VG Wort:

www.vgwort.de/termine.html

VG-Wort-Info über Online-Texte:

www.vgwort.de/verguetungen/

auszahlungen/texte-im-internet.html

Die nächsten Abstimmungen der VG-Wort-Mitglieder finden am 1. Juni in Berlin und am 7. Juni in München statt:

www.vgwort.de/termine.html

Erklärstück der Freischreiber:

www.freischreiber.de/home/welchen-einfluss-haben-freie-autoren-auf-die-schecks-der-vg-wort

Schaubild-Erklärung von Elke Feinig, wie’s geht (Achtung, die letzten Schritte haben sich geändert, siehe Text!): http://bit.ly/dbiHO5

Tina Klopp ist freie Journalistin in Berlin.

redaktion@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „[Praxis]“ auf Seite 51 bis 53 Autor/en: Tina Klopp Ist Freie Journalistin in Berlin.. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.