Hammer trifft Kühlschrank

Heute reicht ein einziger Kunde aus, um eine Marke in Schwierigkeiten zu bringen. Beim deutschen Haushaltsgerätehersteller Siemens Home Appliances hatte man die Beschwerde von Luo Yonghao unterschätzt. Luo Yonghao ist ein chinesischer Blogger, er hat im November zusammen mit anderen verärgerten Kunden Kühlschränke zertrümmert – öffentlichkeitswirksam vor der Pekinger Siemens-Zentrale. Am 27. September hatte sich Luo im Kurznachrichtendienst Weibo erstmals über fehlerhafte Produkte von Siemens aufgeregt.

Die Resonanz war groß bei Weibo, dem chinesischen Gegenstück zu Twitter; das Netzwerk hat 200 Millionen Mitglieder. Doch Luos Kühlschrank-Meldung ist nicht nur in China millionenfach verbreitet, sondern weltweit bekannt geworden. Der Kundenservice von Siemens reagierte lange nicht, und schon gar nicht auf demselben Kanal. Erst am 15. Oktober erhielt Luo eine Erklärung von Siemens, die nicht wirklich zu Social Media passt: „Wir bedauern es, wenn eine kleine Zahl unserer Kunden Probleme mit Siemens-Produkten haben“, Qualitätsmängel gebe es jedoch nicht. Aber genau darauf bestand der prominente Kunde: Siemens sollte erklären, dass das Produkt mangelhaft ist.

Luo ist in China ein Medien-Star, der im Fernsehen auftritt und einige Buchbestseller veröffentlicht hat. Seinem Mikroblog folgen rund eine Million Leser. „Siemens verhält sich arrogant wie ein chinesisches Staatsunternehmen“, sagte Luo Yonghao gegenüber dem „Handelsblatt“. „Das Unternehmen scheint auf das Zeitalter von Twitter und Facebook denkbar schlecht vorbereitet zu sein.“

Luo ist ein grandioser Selbstdarsteller, der ein Gespür für die Bedürfnisse seiner Leserschaft hat und sich als kleiner chinesischer David gegen den mächtigen globalen Goliath aus Deutschland darstellt. Aufgrund der großen Resonanz spinnt er seine Inszenierung als Opfer eines globalen Unternehmens weiter und schreibt sogar über „böse“ Siemens-Kühlschränke, die ihn in seinen Träumen verfolgen. Das wirkt alles völlig übertrieben und hat nichts mehr mit einer bloßen Kundenkritik zu tun – aber es funktioniert für Luo. Er erhält immer mehr Aufmerksamkeit und stellt Siemens weiter an den Online-Pranger.

Am 21. November gab es von der Siemens-Electrogeräte GmbH ein öffentliches Statement in einer Pressemitteilung, die auch ein freundliches Dialogangebot an Luo enthielt: „Siemens Home Appliances, China, hat Verständnis dafür, dass sich Verbraucher für ihre legitimen Rechte einsetzen. Allerdings stehen wir auf dem Standpunkt, dass dies in einem konstruktiven Rahmen stattfinden und einen Dialog mit dem angesprochenen Unternehmen einschließen sollte“, heißt es, und weiter: „Dass wir bei der Kontaktaufnahme mit Herrn Luo nicht an jeder Stelle den digitalen Medien angemessen kommuniziert haben, ist uns bewusst und wir bedauern dies.“

Angesichts Luos medialer Inszenierung ist die virale Kühlschrank-Kampagne für den Medienstar zum Selbstläufer geworden. Dieser profitiert als David gegen Goliath mehr von der Medienaufmerksamkeit als von einem Dialogangebot Siemens’. Letztlich ist aus ihm längst ein „Troll“ geworden, der als Provokateur einen globalen Konzern vorführen will. Damit müssen Unternehmen umgehen.

Klaus Eck ist PR-Blogger und hat mit „Transparent und glaubwürdig“ ein neues Buch vorgelegt.

ke@eck-kommunikation.de

TIPPS

Bei Online- Beschwerden:

01 Verfolgen Sie genau, was Ihre Kunden über Ihre Marken veröffentlichen.

02 Reagieren Sie zeitnah und öffentlich, wenn ein Influencer als Kunde auftritt und Sie kritisiert.

03 Sie schreiben immer auch für Dritte und Ihre Reputation.

04 Seien Sie offen und weniger hölzern in der Kommunikation.

05 Bringen Sie Ihre Persönlichkeit in den Kundendialog mit ein.

06 Schaffen Sie Transparenz im Umgang mit Ihren Kunden.

Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 69 bis 71 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.