Zeit zur Besinnung

Was für ein Jahr, das da soeben zu Ende gegangen ist! An Themen hat es wahrlich nicht gefehlt. Eigentlich könnten wir Medienmacher damit sehr zufrieden sein – würde das erstens nicht so zynisch klingen angesichts der Katastrophen & Krisen des Jahres 2011 und würde sich die Themenfülle zweitens im Zuspruch des Publikums widerspiegeln.

Tut es aber nicht, jedenfalls nicht so, wie es sich Medienmacher wünschen.

Denn die Politikverdrossenheit nimmt bedrohlich zu und die Medienverdrossenheit nicht minder. Zum Jahresende stand, wieder mal, der böse Vorwurf vom Kampagnenjournalismus im Raum – weil nahezu alle Medien das Verhalten des Bundespräsidenten im Zusammenhang mit seiner privaten Kreditpraxis kritisch kommentierten. Ähnlich auch zu Jahresbeginn, als die Plagiatsforscher und die (meisten) Medien den Politstar Guttenberg entzauberten. Und viele Bürger darauf mit irritierender Wut auf die Medien reagierten.

Nun ist derlei nichts wirklich Neues. Schon im alten Griechenland wurden bekanntlich die Überbringer von schlechten Botschaften geköpft. Medienmacher müssen seit jeher damit leben, dass Kritik, und sei sie auch noch so begründet, Widerspruch erntet. Doch das Unbehagen wächst auf allen Seiten und stellt Journalisten vor existentielle Fragen nach ihrer Rolle und Aufgabe für eine funktionierende Demokratie.

„Die Medien haben ihre Fähigkeit verloren, die Welt verstehbar zu machen“, zitierte die „Frankfurter Neue Presse“ am Jahresende Uwe Kamann, den Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts, aus seinem Vortrag über die Entwicklung der digitalen Informationsgesellschaft. Die Rolle der Medien als kritische Vermittlungsinstanz, heisst es da, gehe mehr und mehr verloren.

Das vergangene Jahr zeigt, wie wichtig es ist, sich intensiver mit solchen Thesen auseinanderzusetzen. Und vor allem entsprechend zu reagieren.

Weil immer noch, trotz anhaltenden Auflagenverlusten, regionale Zeitungen in weiten Teilen der Bevölkerung primäre politische Informationsquellen sind, haben wir für diese Ausgabe Blattmacher nach ihren Strategien für die Politikvermittlung gefragt und bemerkenswert selbstkritische Antworten bekommen: „Wir machen die völlig falschen Themen. Viele Themen, die an den Eliten orientiert sind oder an den Interessen der Journalisten,“ sagt Joachim Braun vom „Nordbayerischen Kurier“. Anton Sahlender von der „Main-Post“meint: „Wir haben verlernt, an der richtigen Stelle zuzubeißen“, und Christoph Reisinger von den „Stuttgarter Nachrichten“: „Wir haben zumeist nicht ein Themenproblem, sondern ein Darstellungsproblem.“ (s.a. Special Politik S. 32 ff).

Dass dieses keinswegs nur regionale Blattmacher betrifft, bewies „Die Zeit“ ungewollt drastisch Ende des Jahres : „Mein ungeheuerlicher Fehler“ betitelte sie das Exklusivinterview mit Ex-Politstar Guttenberg und stellte dazu ein Aufmacherfoto, das fatalerweise aus der PR-Kampagne für das Interviewbuch stammte.

So unmittelbar und drastisch ist ein journalistischer Darstellungsfehler selten beantwortet worden: „Pfui, pfui, pfui“ schimpften wütende Leser der „Zeit“ zuhauf – was diese immerhin auf einer Doppelseite dokumentierte. Der eigentliche Schaden geht aber tiefer: Nichts ist schwerer zu reparieren als beschädigte Glaubwürdigkeit. Das gilt nicht nur für den Bundespräsidenten, das gilt auch für die Medien. Glaubwürdigkeit ist immer noch, sogar immer mehr das wichtigste Gut der professionellen Medien, mit dem sie sich unterscheidbar machen von den ungefilterten Informationen, die das weltweite Netz fluten. Doch Glaubwürdigkeit allein genügt eben nicht mehr.

Auch das ist eine Botschaft aus dem vergangenen Jahr, die der Chefredakteur des Deutschlandfunk jedoch durchaus positiv deutet: „Überall gibt es eine Besinnung auf erklärenden Journalismus. Den Zuschauern, Hörern, Lesern verständlich machen, was im reißenden Strom der Nachrichten wichtig und unwichtig ist“, stellt Stephan Detjen fest. „Früher verstanden sich politische Journalisten als eigenständige Akteure im Diskurs. Das gilt nicht mehr. Alle Chefredakteure sagen, wir müssen besser erklären. Das ist die Aufgabe der Medien.“

Möge das Neue Jahr uns alle auf diesem Weg ein Stück weiter bringen.

Erschienen in Ausgabe 01+02/202012 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 4 Autor/en: Annette Milz ist Chefredakteurin von „Medium Magazin“.. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.