Wer als Journalist auf ein gutes Thema gestoßen ist, schweigt über seinen Fund und beginnt mit der Arbeit. Wenn Georg Stefan Troller auf ein gutes Thema gestoßen ist, erzählt er es herum. Als Ehrenpreisträger „Lebenswerk“ unter den „Journalisten des Jahres“ unterhielt er sich mit seinem Laudator Wilm Herlyn auf der Bühne über sein nächstes, sein „endgültig letztes“ Projekt. „Es gibt eine Gruppe israelischer Ärzte, die im Gaza-Streifen operieren, weil sie glauben, es den Menschen dort zu schulden. Das ist etwas, was ich gerne machen möchte“, sagte Troller. Wie 90 wirkte er dabei nicht. „Ich will jetzt anfangen, so zu leben, wie ich immer leben wollte, ohne Angst, ohne etwas drum zu geben, was die anderen Leute von einem halten“, sagte Troller einmal in der Talkshow „3 nach 9“, 1988 war das und der Fernsehmann gerade 66 geworden: „Das ist der einzige Vorteil des Älterwerdens.“
Troller hat sich an diese Maxime Zeit seines Lebens gehalten. Er revolutionierte den deutschen Dokumentarfilm, er schuf seine „Personenbeschreibungen“, die ungewohnt subjektiv waren, aber tiefgründig. Troller brachte Bild und Ton so leichtfüßig zusammen, dass viele seine Dokumentationen für Fiktion hielten, vielleicht das größte Kompliment für einen Filmemacher auf der Suche nach der Wahrheit. „Wenn man Glück hat, wird die eigene Wahrheit zu einer allgemeinen Wahrheit, von der auch andere Leute reden können. Die zu suchen habe ich mich bemüht“, sagte er vor den rund 100 Gästen im Deutschen Historischen Museum.
Zum achten Mal hatte das „medium magazin“ die besten Journalisten des Jahres gekürt. Ins winterliche Berlin waren die Preisträger gereist, viele der in den Jahren zuvor Ausgezeichneten und die Jury. Ihr gehören traditionell die Gewinner des Vorjahres an.
Eckart Lohse und Markus Wehner von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erhielten die Auszeichnung als „Journalisten des Jahres“ für ihre kritische Beobachtung der Guttenberg-Affäre. „Je länger man hinguckte, desto mehr Blendwerk fiel an Guttenberg auf, er war in einem Tempo unterwegs, das ihn aus der Kurve tragen musste“, sagte Eckart Lohse in seiner Dankesrede. Und weil Christian Wulff bei der Preisverleihung noch der zehnte Bundespräsident der Republik war, zog Markus Wehner die naheliegende Parallele: „Die Einschätzung, Journalisten würden Politiker herunterschreiben, stimmt nicht. Das Gros der Porträts war oberflächlich und positiv.“
Die Politikjournalistin des Jahres, Andrea Röpke, berichtet seit vielen Jahren über die rechtsextreme Szene. Trotzdem habe sie bei der „Zwickauer Zelle“ nicht „mit einer solchen Professionalität gerechnet“. Vor dem Auffliegen des Thüringer Terrortrios sei das Thema Rechtsradikalismus in Redaktionen oft auf nur wenig Interesse gestoßen (s. auch Titel-Interview S. 16 ff.).
Auch Stefan Buchen, Reporter des Jahres, berichtete von seinem Kampf mit der Aufmerksamkeitsspanne von Kollegen und Zuschauern. Die Jury zeichnete den NDR-Reporter für seine Berichterstattung über die Revolution in Arabien aus. „Wir haben seit Jahren gehofft, dass die Diktatoren endlich fallen. Doch sobald aus dem Arabischen Frühling ein Sommer oder Herbst wird, lässt das Interesse in Redaktionen und Öffentlichkeit nach“, sagte Buchen. „Meine Aufgabe ist es, diesem Trend entgegenzuwirken.“
Thomas Gottschalk schaffte dann gekonnt den Übergang von E nach U, vielleicht ist das eine der besten Eigenschaften des Moderators, der Unterhaltungsjournalist des Jahres wurde. Er sei zwar kein Journalist, nehme den Preis aber dennoch an, witzelte Gottschalk selbstironisch. „Ich werde ihn morgen in mein Studio hängen. Dort sieht ihn ja eh keiner“, sagte er in Anspielung auf die bislang unterirdische Quote seiner neuen Vorabendsendung „Gottschalk Live“. Er überschüttete die zweitplatzierte Autorin Silke Burmester mit Lob (sie saß einige Wochen nach der Feier auch in seiner Sendung), hielt die kürzeste Rede des Abends, steckte mit Georg Stefan Troller die Köpfe zusammen und verabschiedete sich mit einem Satz, den jede „Wetten, dass?“-Saalwette gekrönt hätte: „Da kann man einiges lernen bei euch“.
Danke
Für die freundliche Unterstützung des Festes der „Journalisten des Jahres“ haben wir zu danken – allen voran der METRO Group und der OTTO Group.
Darüber hinaus danken wir herzlich unseren Kooperationspartnern VDP – die Prädikatsweingüter, Lamy, Kofler & Kompanie, TSE AG-Technik und Events AG und dem Deutschen Historischen Museum Berlin.
Medium:Online
Die gesamte Liste der „Journalisten des Jahres 2011“ mit den Jurybegründungen sowie alle Ansprachen im O-Ton als Audiofiles und weitere Fotos sind dokumentiert unter:
www.mediummagazin.de
Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 68 bis 69. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.