Es ging um die Wurst

Eine Debatte zwischen Vegetariern und Fleischessern auf dem Unternehmensauftritt einer Bank? Das war bis vor kurzem undenkbar und völlig absurd. Bis die Bank IngDiBa durch einen Werbefilm mit dem Basketball-Star Dirk Nowitzki für digitalen Aufruhr sorgte.

Wegen eines Werbespots, der den prominenten Sportstar an der Fleischtheke seiner Heimatstadt zeigt, ereiferten sich Befürworter und Gegner des Fleischkonsums auf der Facebook-Seite der IngDiBa-Bank. Zahlreiche Kommentare fluteten im Januar gleichsam den Auftritt, so dass einige bereits von einer Krise oder einem sogenannten „Shitstorm“ sprachen.

Eigentlich war nicht viel passiert. Die Facebook-Mitglieder beschäftigten sich mehr mit sich als mit der Marke IngDiBa. Dabei war die innerhalb der rund drei Wochen Vegetarier-Debatte kaum mit eigenen Postings und Kommentaren in Erscheinung getreten.

Somit fehlte in dieser hysterischen Debatte um den Fleischkonsum die Stimme des Unternehmens als deeskalierender Faktor. Ein aktiver Social-Media-Beauftragter hätte der Debatte die Schärfe nehmen können. Unmoderierte Communities entwickeln allzu schnell ein starkes Eigenleben und schaden der Imagepflege eines Unternehmens. Erst sehr spät entschied sich die IngDiBa dazu, künftig jede weitere Diskussion um die Vegetarierfrage auf der Pinwand zu unterbinden.

Selbst wenn nicht immer gleich zu Beginn alle Antworten auf Probleme offenbar sind, so braucht es eine Reaktion – auch wenn sie nur lautet: „Wir haben das Problem erkannt und kümmern uns darum.“ Danach ist es wichtig, transparent über die weitere Entwicklung zu berichten, so dass sich verärgerte Kunden und Kritiker ernst genommen fühlen. Die Entscheidung, sich, wie bei der IngDiBa geschehen, „wegzuducken“ und die Situation stillschweigend auszusitzen, ist gefährlich. Sie führt in vielen Fällen nicht zu einem Versiegen der Kritik, sondern im Gegenteil zu einer noch schnelleren Verbreitung des Falls, weil die Stakeholder das Empfinden haben, dass „etwas faul“ sein muss.

Schon ein bis drei Postings am Tag auf dem Facebook-Auftritt und vor allem mehr Kommentare hätten mäßigend auf die Akteure wirken können. Das Hausrecht auf den Kanälen sollte man sich nicht nehmen lassen. Jeder Betreiber eines Social-Media-Kanals ist für Atmosphäre und Inhalte auf seinem Angebot in jeder Hinsicht verantwortlich und haftet mitunter auch rechtlich dafür. Aus diesem Grunde ist es opportun, auf die eigene Netiquette, die Hausordnung oder Kommentarrichtlinien zu verweisen und gegebenenfalls die Diskussion zu regulieren. Ob das die Debatte weiter anheizen würde, ist eine andere Frage.

Bei Social Media geht es in erster Linie um Menschen. Wer sich im Social Web bewegt, der möchte nicht mit anonymen Marken kommunizieren. Vielmehr möchten Onliner Einblicke in das Unternehmen bekommen. Sie möchten mit ihren Problemen, Anmerkungen und Kommentaren ernst genommen werden. Hierfür wollen sie mit einer echten Person kommunizieren, nicht mit einer anonymen Marke oder einem Konzern. Deswegen ist es so wichtig, dass Unternehmen ganz bewusst Markenbotschafter im Social Web etablieren. Solche Menschen, die mit Leidenschaft und einem Gesicht für ihre Marke einstehen.

Bei der IngDiBa haben keine „erkennbaren“ Menschen geantwortet. Deshalb konnten andere sehr leicht die Agenda der öffentlichen Diskussion bestimmen. Das ist äußerst riskant gewesen und wurde zum Glück für die Bank von vielen positiv als Gelassenheit ausgelegt. Beim nächsten Shitstorm könnte diese Strategie schon schiefgehen.

Klaus Eck ist PR-Blogger und hat mit „Transparent und glaubwürdig“ ein neues Buch vorgelegt.

ke@eck-kommunikation.de

TIPPS

Was tun bei Facebook-Aufruhr?

01 Gewinnen Sie Ihre Fans mit Markeninhalten und lassen Sie sich nicht von „falschen“ Themen in die Irre führen.

02 Echte Menschen wirken mäßigend auf Kritik.

03 Passivität unterstützt die rohe Auseinandersetzung auf Facebook.

04 Eigene Inhalte und Diskussionsbeiträge sind essenziell für das Community-Management.

05 Unternehmen haben auf ihrem Facebook-Auftritt das Hausrecht, müssen es aber auch durchsetzen.

Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 67 bis 67 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.