Martin Zöller aus Italien
Mit Monti schwanden die Aufträge
ROM. Der Verband der Auslandspresse in Rom, nahe der weltberühmten „Fontana di Trevi“, trägt in diesen Wochen Trauer – und ich auch. Denn auch wenn viele Italiener und einige europäische Regierungen aufatmen, weil Silvio Berlusconi nur noch Ex-Ministerpräsident ist, und auch wenn wir Journalisten in Kommentaren Berlusconi und manchmal das ganze Land verurteilt haben, so bedauerlich ist sein Rücktritt doch für die in Italien arbeitenden freien Journalisten. Denn der neue Mann in Italien, Mario Monti, ist bescheiden, ernsthaft und fleißig und macht eins wohl nicht: Bunga-Bunga. Was soll man also über Mario Monti schon für die „Panorama-Seiten“ der Zeitungen schreiben? Eben.
Italienische Politik verkauft sich ohne den unterhaltsamen Berlusconi einfach schlechter: Waren früher Politik-Texte aus Italien gut gebucht, weil sie – dank Berlusconi – zur Auflockerung der Politik-Seiten beitrugen, fällt dieser Bonus jetzt weg. Kurzum: Politikberichterstattung aus Italien ist jetzt so interessant oder uninteressant wie jene aus Holland, Schweden oder Slowenien. Denn es war ja nicht nur der Cavaliere selbst, der für massenhaft Geschichten sorgte; falls man über ihn mal nichts schreiben konnte, gab es ja noch sein Kabinett: Da saßen mit Lega-Nord-Chef Umberto Bossi ein handfester Separatist, mit Mara Carfagna ein ehemaliges Nacktmodell und mancher Minister, der sich nicht mit Hauskrediten aufhielt, sondern sich gleich eine Wohnung schenken ließ. Und selbst wenn Berlusconi nicht in Italien weilte, versorgte er uns mit Arbeit: Unvergessen seine Live-Schalten mit Fernsehsendern und seine Feststellung 2008, dass Barack Obama so „sonnengebräunt“ sei. In italienischen Zeitungen standen früher seitenweise Abhörprotokolle Berlusconis – heute geht es auf den ersten Seiten von „Repubblica“ und „Corriere“ um bisher ungewöhnliche Themen wie Reformen und ernsthafte politische Arbeit. So zynisch es klingt, Gott sei Dank gibt es noch die Mafia und Gott sei Dank ist Italien immer noch das liebste Urlaubsland der Deutschen, aus dem man gerne bunte Geschichten liest. Und Berlusconi lebt ja auch noch. Ein paar Jahre als Elder Statesman, ein paar Skandälchen, ein bisschen Glamour sind ihm zu wünschen – ihm und uns Auslandskorrespondenten in Italien.
Ruth Kinet AUS Israel
Jerusalem. Noch ist es nicht in Kraft, das verschärfte Gesetz gegen Verleumdung in den Medien. Aber die Knesset hat es auf den Weg gebracht: Am 21. November 2011 hat eine Mehrheit von 42 Abgeordneten für die Gesetzesnovelle gestimmt, die ein schärferes Vorgehen als bisher gegen „Verleumdung“ in den Medien ermöglicht. 31 stimmten dagegen. Die von Yariv Levin (Likud) und Meir Shetreet (Kadima) vorgelegte Novelle eröffnet die Möglichkeit, „Verleumdungen“ künftig mit Geldstrafen von bis zu 300.000 Schekel (61.000 Euro) zu ahnden. Die Strafe kann sogar auf 1,5 Millionen Schekel (306.000 Euro) anwachsen, wenn das betreffende Medium keine Gegendarstellung veröffentlicht. Neu ist auch, dass das Opfer der angeblichen oder tatsächlichen Verleumdung nicht nachweisen muss, dass es einen Schaden erlitten hat.
Die Stimmung in den Redaktionen ist angespannt. „Es herrscht eine Atmosphäre der Vorsicht“, sagt Eran Singer. Er ist Reporter beim öffentlich-rechtlichen Hörfunksender Reshet Bet. Die Luft für profilierte kritische Journalisten scheint dünner zu werden. Keren Neubach, eine Institution im israelischen Journalismus, moderiert täglich die politische Morgensendung „Seder Yom“ („Tagesordnung“) auf Reshet Bet und hatte vor kurzem ein Nachrichtenmagazin im ersten TV-Kanal. Jetzt heißt es plötzlich, sie sei nicht ausreichend telegen. Letzteres ist eine Frage des Geschmacks, aber sicher ist, dass sie eine unbequeme, unabhängige und unängstliche Journalistin ist. 2009 verlieh die Organisation Ometz („Mut“) Neubach einen Preis, weil sie eine Korruptionsaffäre in der Regierung Olmert aufgedeckt hatte.
Dagegen sagt Niv Gilboa vom privaten und regierungskritischen Fernsehkanal Arutz 10, bislang hätten weder Programmchef noch Abteilungsleiter jemals versucht, die Freiheit seiner journalistischen Entscheidungen einzuschränken, weder bei der Auswahl noch der Umsetzung seiner Berichte. Gilboa arbeitet seit mehr als sechs Jahren als Reporter und leitender Redakteur.
Auch Moshe Negbi, der als Rechtsexperte für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk Kol Israel berichtet, fühlt sich unabhängig und frei in seiner Arbeit. Sollte das neue Gesetz allerdings wirksam werden, könnte es um die journalistische Freiheit geschehen sein. Negbi fürchtet, regierungskritische Berichte würden dann nicht mehr gedruckt und ausgestrahlt. Die drastische Erhöhung der Schadenersatzsumme um das Sechsfache sei eine „sehr effiziente Methode“, jede kritische Berichterstattung schon im Ansatz zu ersticken. Denn die journalistische Arbeit ist heute „Teil eines Geschäfts“, sagt Negbi. „Und die Anteilseigner eines Fernsehkanals oder einer Zeitung werden um jeden Preis hohe Schadensersatzforderungen und kostspielige Gerichtsverfahren versuchen zu vermeiden.“
Das Gesetz „Lashon hara“ („Üble Nachrede“), das jetzt verschärft werden soll, wurde 1965 eingeführt. Es zielte damals darauf ab, das wöchentlich erscheinende Magazin „Haolam haze“ („Diese Welt“) von Uri Avnery auszuschalten, das als erstes und über lange Zeit einziges Medium in Israel investigativ recherchierte, so etwa Korruption in der Regierung aufdeckte – und offen für die Gründung eines palästinensischen Staates eintrat.
Renzo Ruf aus USA
TV-Sender Fox kann auch anders
WASHINGTON. Der spannende Wahlkampf der republikanischen Präsidentschaftsanwärter ist ein Segen für die hiesigen Nachrichtenkanäle. 36 Prozent aller Wählerinnen und Wähler schalten regelmäßig Fox News, CNN und MSNBC ein, um sich über die Suche nach einem Herausforderer von Amtsinhaber Barack Obama auf dem Laufenden zu halten.
Damit haben die Nachrichtensender eine größere Reichweite als das Internet (25 Prozent) oder die Lokalzeitung (20 Prozent), wie das Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center herausfand. Bevorzugtes Medium für das Fußvolk der Republikaner ist dabei – wenig überraschend – der Fox News Channel. Der Nachrichtensender des Medienmoguls Rupert Murdoch positioniert sich seit 15 Jahren geschickt als Stimme des einfachen Bürgers, der den angeblich links unterwanderten Medienerzeugnissen der Ostküste misstraut. Fox hat damit Erfolg, auch wenn es den Beiträgen häufig an Tiefgang fehlt. Im vorigen Jahr wurde Fox von durchschnittlich 1,865 Millionen Amerikanern in der Prime Time eingeschaltet, mehr als MSNBC (774.000) und CNN (689.000) zusammen.
Ein solcher Erfolg wäre nicht möglich, wäre der Sender bloß eine Plattform für religiöse Fundamentalisten und rechtsextreme Eiferer, wie es in Europa immer wieder heißt. Fox-Chef Roger Ailes weiß genau, wie weit er gehen kann, bevor Werbekunden abspringen. Dieses Gespür legt Ailes im republikanischen Vorwahlkampf erneut an den Tag. Bisher hat Fox vermieden, einen Favoriten zu küren. Stattdessen spiegelt die Berichterstattung die Flüchtigkeit des Wettkampfs wider. Zudem gehörten die fünf durch Fox organisierten Fernsehdebatten, in denen sich die Republikaner angriffigen Fragen stellen mussten, zu den besten in diesem Wahlkampf. Selbst „Time“-Starschreiber Joe Klein gab deshalb kürzlich zu Protokoll, dass er an der Wahlberichterstattung des Murdoch-Senders wenig auszusetzen habe. Sie sei „fairer und ausbalancierter“, als er es erwartet hätte, schrieb Klein – eine Anspielung auf den Fox-Wahlspruch „fair and balanced“, der Kritiker sonst regelmäßig wegen seiner Heuchelei in de
n Wahnsinn treibt.
Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 14 bis 15. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.