Herr Spahl, ist eine Unterscheidung bei der Ausbildung zwischen Print- und Onlinejournalismus heute überhaupt noch zeitgemäß?
Marc Thomas Spahl: Nein. Wir bringen jungen Journalisten an der Axel-Springer-Akademie guten, zeitgemäßen Journalismus bei. Und der sollte keine Grenze mehr ziehen zwischen Print und Online. Deshalb sehen wir unsere Absolventen auch als „digitale Botschafter“.
Und was genau heißt das?
Wenn Sie so wollen, werden unsere Journalistenschüler an der Akademie vollgepumpt mit Ideen, Know-how und Inspiration, die sie später in den Redaktionsalltag mitnehmen. Die meisten unserer Studenten leben das Thema Crossmedia geradezu. Ich will, dass sie hier neue Sachen ausprobieren und so in den Redaktionen später auch neue Impulse geben können. So haben wir etwa den ersten Social-Media-Redakteur für die „Welt“-Gruppe ausgebildet.
Was lernen Ihre Volontäre?
Kurz gesagt alles, was zu professionellem Multimedia-Journalismus gehört. Das beginnt mit den neuesten Möglichkeiten der Onlinerecherche, geht über sämtliche Darstellungsformen, die wir konsequent crossmedial vermitteln, und reicht bis zur Video-Ausbildung, vor und hinter der Kamera. Auch moderne Formen von narrativem Journalismus gehören bei uns inzwischen zum Handwerk. So ist der Video-Essay einer unserer Studentinnen über die Zukunft der Zeitung mit dem Titel „Neue Nähe“ kürzlich sogar im Kino gelaufen, als Vorfilm bei den Cinemaxx-Previews des neuen Clooney-Films „Ides of March“ in Berlin, Hamburg und München. Demnächst soll er sogar auf einem Kurzfilm-Festival gezeigt werden.
Welche Digitalprojekte haben Ihre Volontäre denn zuletzt realisiert?
Einer der Höhepunkte der Ausbildung ist ein ambitioniertes Crossmedia-Projekt, das jedes Team nach der Grundausbildung umsetzt. Die Journalistenschüler recherchieren, schreiben, drehen und fotografieren ihre Geschichten und sind auch für das soziale Marketing verantwortlich. Sehenswerte Arbeiten sind so entstanden: das iPad-Magazin „Kraftwerk D“ zum Beispiel, das auf der Cebit ausgezeichnet wurde und das sich ganz ordentlich im App-Store verkauft hat. Die Website „Little Berlin“, für die wir als bisher einzige Journalistenschule den Grimme Online Award gewonnen haben. Kürzlich wurden wir mit einem anderen Projekt, „This Is South Africa“, erneut dafür nominiert. Und der aktuelle Lehrgang hat gerade ein beeindruckendes Portal zum Thema Pressefreiheit realisiert, „20zwoelf“, aus dem jetzt auch eine Serie in „Welt Kompakt“ geworden ist und das schon mehr als 2.000 interessierte Fans auf Facebook gewonnen hat.
Worum geht es bei „20zwoelf“?
Da beschäftigen sich junge Journalisten kritisch und selbstkritisch mit der Frage, wie es um die Pressefreiheit in Deutschland im Jahr 2012 bestellt ist. Die Antwort ist: Lang nicht so gut, wie man denkt. Die Beeinflussung freier Berichterstattung nimmt immer mehr zu – durch Politiker, PR-Manager, Anzeigenkunden. Deutschland steht nur auf Platz 16 des internationalen Pressefreiheits-Rankings von „Reporter ohne Grenzen“. In Hintergrundberichten, Interviews, Videos beleuchten unsere Studenten die Situation und decken eklatante Verstöße auf. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Exklusivgeschichten, etwa das erste Streitgespräch von Bild-Chef Kai Diekmann mit einem seiner „Widersacher“, dem Medienanwalt Christian Schertz. Oder ein Video-Plädoyer für die Pressefreiheit von Joachim Gauck. Auch ein Blog gehört dazu, die Seite soll kontinuierlich weitergeführt werden.
Link:Tipps
Das Pressefreiheits-Portal der Axel-Springer-Akademie: www.20zwoelf.de
Einblicke in das Akademie-Leben, Kostproben und Kuriositäten gibt es täglich auf der Fanseite der Akademie: http://de-de.facebook.com/asakademie
Bewerbungen für den Lehrgang 2013 ab jetzt jederzeit bis spätestens 1. Juni unter: www.axel-springer-akademie.de
Zur Person
Marc Thomas Spahl (*1968) absolvierte nach Germanistik- und Politikstudium in Hamburg die Henri-Nannen-Schule, schrieb währenddessen für „Spiegel“, „stern“ und „Zeit“. Seitdem arbeitete er als Ressortleiter, Textchef und Vize-Chefredakteur bei verschiedenen Titeln. Seit 2001 ist er beim Axel-Springer-Verlag, bis 2006 als Teil der Chefredaktion von „Welt“ und „Berliner Morgenpost“. Er baute die Axel-Springer-Akademie mit auf, deren Direktion er Anfang 2010 übernahm.
Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Special“ auf Seite 53 bis 54 Autor/en: Interview: Katy Walther. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.