Stimmt’s, …?

01. … dass bei „SpOn“ keine Texte mehr aus dem Print-„Spiegel“ erscheinen?

Beim Spiegel-Verlag sitzen „Spiegel“ und „Spiegel Online“ (SpOn) zwar seit einigen Monaten im Neubau an der Hamburger Ericus-Spitze unter einem Glasdach. Unter der als Print-Doppelspitze wieder getrennten Chefredaktion – Mathias Müller von Blumencron ist fürs Digitale zuständig, Georg Mascolo für den gedruckten „Spiegel“ – entwickeln sich die Produkte auseinander. Mit Absicht, sagt Blumencron. Das Ziel sei, „Spiegel“ und „Spiegel Online“ deutlich voneinander unterscheidbar zu machen.

Es ist eine Debatte, wie sie derzeit in vielen Häusern geführt wird und in der es um die Fragen geht: Wie einheitlich dürfen, wie unterschiedlich müssen die digitalen und gedruckten Ausgaben ein und derselben publizistischen Marke sein? Wie werden die Texte aus der gedruckten Ausgabe im Online-Auftritt behandelt? Wie wichtig ist es, online eine eigenständige Identität mit eigener Tonalität zu haben? Wie schützt man die Auflage des gedruckten „Spiegel“? Ab wann bzw. bis zu welcher Grenze kann man von „Spiegel“-typischem Journalismus sprechen – und wie bleibt er finanzierbar?

Neuerdings haben diese Fragen offensichtlich dazu geführt, dass die Zahl der Artikel, die „Spiegel Online“ aus dem Printheft übernimmt, abgenommen hat. Mathias Müller von Blumencron bestätigt das: Es sei zwar keine apodiktische Entscheidung, online keine Texte aus dem Print-„Spiegel“ zu übernehmen, aber: „Wir wollen das reduzieren.“ Letztlich gehe es darum, dem Gefühl der Leser nicht Vorschub zu leisten, was im „Spiegel“ steht, gebe es online kostenlos. Die Themen des gedruckten Magazins würden allerdings weiterhin aufgegriffen, und sei es in Form der Vorab-Meldungen. Immerhin, so Blumencron, schrieben mittlerweile 135 Redakteure für „Spiegel Online“, Tendenz steigend. Die räumlichen Kapazitäten an der Ericus-Spitze sinken entsprechend.

Apropos: Gerüchte, „Spiegel Online“ würde dem Vorbild der „New York Times“ folgen und bald eine Bezahlschranke einführen, so dass lediglich Abonnenten alle Online-Inhalte und Nicht-Abonnenten nur einige Klicks pro Monat kostenlos zur Verfügung stünden, dementiert Blumencron. Da sei nichts dran.

02. … dass Journalisten mit daran schuld sind, wenn ihr Beruf an Wert verliert?

Kürzlich kam wieder eine dieser Anfragen: Ob man als Autor für einen medienkritischen Artikel zu einem aktuellen Thema zu gewinnen sei? Grundsätzlich immer, denkt man sich, erkundigt sich allerdings vorsichtshalber, ob es sich womöglich wieder um eine dieser Publikationen handelt, in denen Artikel über den Niedergang des Qualitätsjournalismus erscheinen, die dann schlecht bis gar nicht bezahlt werden. Volltreffer – nein, ein Honorar gebe es nicht, lautete die Antwort. Das könne man sich nicht leisten.

Die Anfrage kam in diesem Fall von „Vocer“, einem Portal, das sich ebenso wortreich wie hochtrabend als „Think Tank zur Medienkritik“ bezeichnet und von einer Gruppe rund um Journalistikprofessor Stephan Weichert gegründet worden ist. Doch „Vocer“ steht nicht allein, diese Sorte Anfragen häufen sich in jüngster Zeit, wie Kollegen berichten. Gern wird damit gelockt, wie ambitioniert die Publikation sei und zu welch toller Gesellschaft prominenter Autoren man sich geselle. Und tatsächlich finden sich immer welche, die es für umsonst machen. Manche dieser „Auftraggeber“ halten sich nicht selten für total generös, wenn sie fest angestellten Journalisten gar nichts und nur Freien (ein wenig) Honorar zahlen.

„Vocer“ fügte dem Schriftwechsel übrigens noch scheinbar verständnisvoll hinzu: Es sei ja zu verstehen, dass man als Freier nicht umsonst arbeite – nach dem Motto: Da kann man sich wohl nicht leisten, umsonst zu arbeiten. Hallo?

Journalismus ist kein Hobby, das man sich leistet, Journalismus ist ein Beruf. Und der Wert von Journalismus bemisst sich auch daran, wie viel dafür gezahlt wird, und erst recht, dass überhaupt dafür gezahlt wird. Und in Zeiten (s. o.), in denen sich alle Verlage Gedanken machen, wie mit Journalismus Geld zu verdienen ist, sollten sich Journalisten von solchen Gedanken nicht freimachen. Wer seine Arbeit billig verkauft oder gar verschenkt, sollte sich bewusst sein, dass er damit den Markt für andere Kollegen und damit für (gut) bezahlten Journalismus überhaupt kaputt macht. Die Eitelkeit zu befriedigen, indem der eigene Name publiziert wird, kann ja wohl keine faire Entlohnung sein. Das gilt auch für jene durchaus renommierten Autoren, die dank Festanstellung, guter Buchverkäufe oder vor Jahren reichlich ausbezahlter Abfindung nicht nach Honoraren fragen oder bei niedrigen Honoraren abwinken und den Auftraggebern anheimstellen, wie viel sie an eine gemeinnützige Organisation spenden.

03. … dass der Leiter der Henri-Nannen-Schule einen Doppelgänger hat?

Es kommt durchaus vor, dass ein Autor unter Pseudonym schreibt. Dumm nur, wenn er dann für alle Leser erkennbar im Foto gezeigt wird. So geschehen in der Februar-Ausgabe von „Geo Saison“, in der ein gewisser Andreas Steinhauer eine Reportage über seine Familienreise durch den Südwesten der USA veröffentlicht hat. Das Foto zeigt den Autor lächelnd mit Frau und Kindern, und man wurde den Eindruck nicht los, dass dieser Andreas Steinhauer verdammt viel Ähnlichkeit hat mit Andreas Wolfers, Leiter der Gruner+Jahr-eigenen Henri-Nannen-Schule. Der Ertappte räumt ein, den Geburtsnamen seiner Mutter gewählt zu haben. „Ich wollte auf diese Weise bloß verhindern, dass die Reportage bei den Treffern weit oben gelistet wird, wenn jemand bei Google meinen Namen eingibt“, sagt Wolfers. So sei es ihm nämlich schon einmal ergangen, als er mit seiner Familie für eine Reportage in „Geo Saison“ nach Südafrika gereist ist. Schämt er sich etwa für seine Reportagen? Aber nein, wehrt Wolfers ab. Als Leiter der Journalistenschule schreibe er solche Reportagen „nur noch aus Spaß, nicht um mein Privatleben prominent auszustellen.“ Nur um keine falschen Vermutungen aufkommen zu lassen: Auf Nachfrage betont Wolfers, dass er die Reise komplett selbst finanziert und keinerlei Journalistenrabatte genutzt hat.

04. … dass Springer wieder im Buchgeschäft aktiv ist?

Fast zehn Jahre ist es her, dass sich der Konzern von seinem defizitären Buchgeschäft getrennt hat. Doch beim Blättern durch die Vorschau des Quadriga-Verlags könnte man meinen, Springer habe für seine Journalisten eigens einen Buchverlag gegründet. Auf der Liste der neuesten Veröffentlichungen stehen Autoren wie Marcus Hellwigs, Henryk M. Broder, Eckhard Fuhr, Ulli Kulke, Sandra Garbers, Sven Felix Kellerhoff, Dana Horàkovà und Hellmuth Karasek. Stutzig geworden, klären Springer und Quadriga auf, dass der frühere Ullstein-Chef Lothar Menne von dem Zeitungskonzern die Rechte an der Marke Quadriga übernommen hat, um unter dem Dach von Bastei-Lübbe einen „Hauptstadtverlag“ zu gründen. Gegenseitige Verpflichtungen gebe es keine, doch wird Springer-Journalisten mit Buchprojekten eine Veröffentlichung bei Quadriga nahegelegt. Im Gegenzug können die Quadriga-Bücher mit den Logos der Zeitungen werben, für die die Autoren arbeiten, und auch mediale Berichterstattung und Anzeigen in den Springer-Blättern gehören zum Kooperationsgeschäft. Aber auch Autoren, die noch nicht oder nicht mehr bei Springer arbeiten bzw. dort fast einmal angedockt hätten, sind bei Quadriga untergekommen: Stefan Aust zum Beispiel oder Wolfram Weimer. Das neue Buch des zuletzt bei „Focus“ Gescheiterten kommt übrigens ganz ohne die Alliterationen von Weimers früheren Werken aus („Kunst der Karriere“, „
Geschichte des Geldes“, „Mit Goethe zum Gewinn“, „Kapitäne des Kapitals“, „Pleiten und Profite“). „Heimspiel“ soll im Vorfeld der Fußball-EM 2012 erscheinen und handelt davon, dass „der Fußballkaiser“, also Franz Beckenbauer, für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert und damit die Kanzlerin zwingt, „heimlich Nachhilfe in Sachen Fußball“ zu nehmen. „Die grotesken Geschehnisse werden zur beißenden Entlarvung des Politikbetriebs, der im Schatten der Finanzkrise die Fratze einer tiefer greifenden Demokratie- und Kulturkrise zeigt“, preist Quadriga die angeblich „witzige Realsatire auf die Zustände der Berliner Republik“.

Ulrike Simon ist freie Medienjournalistin in Berlin.

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Erschienen in Ausgabe 03/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 13 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.