Wer soll was bezahlen?

Des einen Freud, des anderen Leid: Erstmals trumpfte „Spiegel Online“ in der jüngsten AGOF mit mehr Nutzern („unique visitors“) auf, als der gedruckte „Spiegel“ Leser zählt: 11,3 Millionen haben SpOn genutzt. Kurz darauf ist vom „erbitterten Machtkampf“ („Meedia“) in der „Spiegel“-Spitze die Rede: Printchef Georg Mascolo geißelt die angebliche Kannibalisierung des Mutterblatts durch SpOn und sieht in einer Bezahlschranke das Heilmittel.

Das Gute an dieser Auseinandersetzung: Sie klärt die Fronten. Und zeigt zugleich, wie absurd es ist, heutzutage noch in „Fronten“ zwischen Print und Online unter einem Verlagsdach zu denken.

Längst hat sich – besonders eindrücklich beim Erfolgsbeispiel „Zeit“ und „Zeit Online“ in Hamburg gleich nebenan – gezeigt, wie Print und Online ein und derselben Marke sich gegenseitig ergänzen können. Kannibalisierung? Im Gegenteil. Und das obwohl, oder weil, „Zeit Online“-Chef Wolfgang Blau ein vehementer Verfechter von Free Content ist (s. a. Titelinterview „medium magazin“ 12/2010).

Dennoch: Natürlich ist es überfällig, dass über nutzbare Strategien für bezahlte Online-Inhalte nachgedacht wird. Die Frage sollte aber doch eher nach „bezahlwürdigen“ Inhalten gestellt werden. Jan-Eric Peters, Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, plädiert zwar ebenfalls für Paid Content, doch er sagt zugleich offen über „Welt Online“: „Das Angebot ist […] noch nicht gut genug, um damit möglichst viele Nutzer zum Bezahlen zu bewegen. Ich kenne überhaupt kein überregionales Nachrichten-Portal in Deutschland, das so exklusiv und eigenständig ist, dass es keine kostenlose Alternative dazu gäbe. Wir haben also noch einige Arbeit vor uns“(s. Titelinterview S. 22 ff.).

Da lohnt der Blick auf die Entwicklungen in der regionalen Ebene: Landauf, landab experimentierten Regionalzeitungen verstärkt mit Bezahlmodellen (s. S. 32 ff.). Und es scheint, als ob sich die Haltung zur Online-Expansion in den regionalen Redaktionen von einem „Ja, aber“ zu einem „Jetzt aber“ wandelt. Dazu gehört auch: Ein Freund-Feind-Denken zwischen Print und Onlinern ist gestrig, was ja seit Jahren gepredigt wird. So sagt etwa Harald John, Chefredakteur „Neue Presse“ Hannover (Madsack): „Die Strategie, jeden Redakteur auch zum Onliner zu machen, ist sinnvoll und überzeugend. Die Aufgabe, seine Inhalte in jeden Kanal – von Print über Online bis zur App – zu geben, stellt sich künftig jedem Redakteur. Auch und gerade bei Regionalverlagen.“

Und noch etwas Gutes hat die Debatte um Paid Content: Sie schärft den Blick auf Unsitten der traditionellen Vermarktung. Unternehmensberater Florian Bauer sagt zu Recht: „In Deutschland ist ein verbreiteter Fehler, dass Verlage mit Prämien wie Kaffeemaschinen oder sogar mit Cash um Neuabonnenten werben, was letztlich das Produkt entwertet“ (s. S. 36 f.). Wer also über Bezahlinhalte diskutiert, sollte sich im Verlag wie in der Redaktion vorrangig der Wertediskussion stellen. Und das ist laut Bauer nicht nur eine Frage des Preises: „Vergessen Sie nicht, es geht auch in der digitalen Welt um Preispsychologie.“

In eigener Sache

Wir gratulieren: Unser Redaktionsmitglied Thomas Stroth-johann (24) hat nun an der Hochschule Darmstadt mit Bravour ein Diplom als Online-Journalist erhalten. Für seine Diplomarbeit ist er auf manch schmalem, eisigem Grat gewandert: Er hat Willi Weitzel („Willi will’s wissen“, BR) und dessen Team bei der Besteigung des Mont Blanc begleitet und darüber die multimediale Webreportage bergdreh.de produziert. Die Geschichte kann der Nutzer in drei Dimensionen erleben: Räumlich über die Map, chronologisch über den Zeitstrahl und inhaltlich über Links in den Geschichten. Thomas hat alle Fotos, Videos und Texte selbst produziert und das WordPress-Template mit den interaktiven Elementen selbst entwickelt. Der verdiente Lohn: ein „Sehr gut“ der Darmstädter Prüfer.

Thomas ist im Dezember 2008 als Erstsemester in unsere Redaktion gekommen und hat sich seither ein breites Wissen über die Medienbranche und Können als Journalist angeeignet. Dies wird er ab 15. Mai nun als diplomierter „Redakteur für Neue Medien“ bei der „Oberhessischen Presse“ in Marburg einsetzen. Wir wünschen ihm viel Erfolg – und freuen uns darauf, wenn er für uns weiter als Autor schreiben wird.

Annette Milz ist Chefredakteurin von „medium magazin“.

Erschienen in Ausgabe 04+05/202012 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 5. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.