Worüber Gerichte lachen sollen

Der Fall

Prinz Ernst August von Hannovers Lust an der körperlichen Auseinandersetzung wurde von der Zigarettenmarke Lucky Strike genauso aufs Korn genommen wie der Rechtsstreit um Dieter Bohlens Buch „Hinter den Kulissen“: Im ersten Fall stand neben einer offenbar schwer misshandelten Zigarettenpackung der Slogan „War es Ernst? Oder August?“. Im anderen Fall waren einzelne Wörter der Zeile „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“ geschwärzt – ein Hinweis auf die gerichtliche Auseinandersetzung um Bohlens Buch, das am Ende nur mit einigen unkenntlich gemachten Passagen in den Handel kommen durfte. Weder Welfenprinz noch Poptitan konnten über die Anzeigen lachen. In mehreren Instanzen versuchten sie, Schadenersatz für die ungewollte Verwendung ihrer Namen im werblichen Zusammenhang zu erstreiten. Am Ende entschied der BGH – zugunsten von Lucky Strike. Jetzt setzen beide auf die Humorlosigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR.

Das Urteil

Dem BGH zufolge müssen Prominente die Nennung ihres Namens unter bestimmten Voraussetzungen tolerieren: wenn es sich um Satire handelt und die Anzeige nicht den Eindruck erweckt, der Genannte identifiziere sich mit dem Produkt. Beide Voraussetzungen waren nach Auffassung der Karlsruher Richter erfüllt. Hintergrund ist, dass auch Werbeanzeigen Meinungsäußerungen sind – und damit vom grundrechtlichen Schutz des Artikel 5 des Grundgesetzes profitieren. In der Abwägung der Interessen kam deshalb dem satirischen Aspekt besondere Bedeutung zu. Vor allem, weil die Kläger jeweils nur eine Lizenzzahlung geltend gemacht haben, also den „vermögensrechtlichen Aspekt“ ihres Persönlichkeitsrechts. Die Kommerzialisierung der eigenen Prominenz aber ist bei den Karlsruher Richtern nicht besonders weit oben auf der Werteskala angesiedelt. Jetzt soll der EGMR die Entscheidung korrigieren.

Die Folgen

Zunächst einmal handelt es sich um Werbung – und hier liegt auch schon der Vorwurf, den man dem BGH machen kann: Das hat nichts mit Meinungsbildung der Gesellschaft zu tun, die Werber agieren als Trittbrettfahrer: Sie nehmen eine Debatte auf und instrumentalisieren sie für die Verkaufsförderung. Die Werbung enthält keine eigene Position zum Thema, sondern setzt allein auf den Wiedererkennungseffekt beim Publikum. Es erstaunt, dass der BGH hier in der besonderen „Pfiffigkeit“ der Anzeigen einen gesellschaftlichen Diskursbeitrag gesehen hatte. Der EGMR soll nun feststellen, dass der BGH hier falschliegt und auch die Vermarktung der eigenen Prominenz das volle Gewicht des Persönlichkeitsrechts trägt. Die Entscheidung dürfte auch Auswirkungen auf presserechtliche Auseinandersetzungen haben: Bislang ist die Pressefreiheit als vom Grundgesetz-Artikel 5 geschütztes Verfassungsrecht ein starker Gegner, wenn sich der Kläger unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht eine goldene Nase verdienen will. Entscheidet der EGMR gegen den BGH, ist damit zu rechnen, dass in Zukunft zahlreiche Betroffene leichte Beute wittern und in solchen Fällen auf Lizenzzahlung klagen.

Stephan Zimprich ist Rechtsanwalt im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Field Fisher Waterhouse.

stephan.zimprich@ffw.com

Erschienen in Ausgabe 06/202012 in der Rubrik „Tipps“ auf Seite 60 bis 60 Autor/en: Stephan Zimprich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.