Bücher

Achtung Porzellankiste!

Thomas Hestermann (Hg.): „Von Lichtgestalten und Dunkelmännern. Wie die Medien über Gewalt berichten“, Springer 2012, 211 Seiten, 24,95 Euro.

Gewalt – ein hochsensibles Thema: Medien tragen eine enorme Verantwortung gegenüber Opfern und Tatverdächtigen, die allerdings mitunter der Jagd nach Auflagen und Quoten untergeordnet wird. Herausgeber Thomas Hestermann, Professor für Journalistik in Köln, betont in seinem einleitenden Beitrag, der Pauschalvorwurf, Journalisten beuteten das Leid der Opfer aus, treffe so nicht zu. Außerdem zeuge er von einem tiefen Pessimismus dem Publikum gegenüber. Einige Fernsehformate hätten sogar ihre Gewaltanteile verringert. Der Hauptteil des Bandes enthält 14 Beiträge. Nicht fehlen darf „Spiegel“-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen. Unter dem Titel „Kriminalität als Nervenkitzel“ beklagt sie, dass heute im Journalismus kaum noch praxisnah ausgebildet werde. Sie selbst habe über einen langen Zeitraum beobachten können, was in der Justiz passiere. Diese Möglichkeiten dürften Friedrichsens Ansicht nach künftig nicht mehr gegeben sein. Medien müssen über Gewalt als Teil der Realität berichten, die Frage ist nur das Wie. Ernst Elitz formuliert es so: „Die Welt ist keine gewaltfreie Puppenstube“. Journalisten dürften Gewalt nicht verschweigen. Denn wer nicht erschüttere, könne auch nicht verändern.

Medientage dahoam

Wolfram Winter (Hg.): „Die Medientage München im Wandel der Zeit und ihre Zukunftsperspektiven“, LIT 2012, 162 Seiten, 19,90 Euro.

Seit 1999 finden die Münchner Medientage jährlich statt.Zeit für eine Bilanz, aber auch, um den Blick nach vorne zu richten. Was einmal als Treffen eines kleinen Kreises ausgewählter Entscheider begann, hat sich längst zum großen Branchentreff entwickelt. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt: So seien etwa die Jugendmedientage aufgrund der geringen Resonanz als gescheitert anzusehen. Auch bedürfe das behandelte Medienspektrum der Erweiterung, zum Beispiel bei Musik und Games. Als Beispiele für die Medientage und um deren Entwicklung aufzuzeigen, werden die Veranstaltungen der Jahre 2000 und 2010 herausgegriffen und einer kritischen Bewertung unterzogen. Optimierungsbedarf bestehe noch bei der Internationalität. Umso mehr, als das Vorwort München einen der attraktivsten Medienstandorte weltweit nennt. Und wo werden die Medientage München im Jahr 2020 stehen? Der reale persönliche Kontakt nehme in der Cyberwelt künftig an Bedeutung weiter zu, so die Autoren. Welche Gesichter hinter digitalen Unternehmen stünden, sei oft nicht bekannt, obwohl diese die Branche prägten.

Journalistische Detektive

Netzwerk Recherche: „Recherche Reloaded“, Werkstatt Nr. 21, 2012, 178 Seiten, 1,45 Euro.

Der reizvolle Untertitel lautet: „Was Journalisten von anderen Rechercheberufen lernen können“. Wie zum Beispiel geht ein Tierschützer vor? Oder wie überführen Experten Wirtschaftskriminelle? Sorgfalt ist auch bei Zahlen und Statistiken angebracht. So zeigt ein Beitrag, wie Journalisten diese kritisch prüfen sollten – mehr als die Beherrschung der vier Grundrechenarten sei hierzu nicht erforderlich. Außer gesundem Menschenverstand natürlich, um überhaupt hellhörig zu werden. „Recherche Reloaded“ lautete der Titel einer Fachkonferenz des Netzwerk Recherche. Die Eröffnungsrede, die Hans Leyendecker auf der Tagung hielt, ist zu Beginn des Bandes abgedruckt. Darin wirft der investigative Altmeister die Frage auf: „Was zur Hölle ist Recherche?“ Wie die Definition ausfällt, hängt natürlich immer auch davon ab, welchen Aufwand man für angemessen hält. Das A und O aber ist laut Leyendecker: „Die Recherche setzt eine aktive Rolle des Journalisten voraus.“

Das „Netzwerk Recherche“-Buch ist erhältlich, solange der Vorrat reicht, gegen einen mit 1,45 Euro frankierten Rückumschlag in DIN C3 oder C5 bei: Netzwerk Recherche e.V. / Postfach 580507 / 10414 Berlin

bernd stössel ist freier Journalist in Frankfurt.

bernd.stoessel@t-online.de

Erschienen in Ausgabe 07+08/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 63 bis 63. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.