„Eine Jahrhundertaufgabe“

Sie haben derzeit eine Herkulesaufgabe zu bewältigen: Sie müssen nicht nur die Energiewende vermitteln, sondern auch die Kehrtwende Ihres Unternehmens vom Atomkonzern zum Förderer erneuerbarer Energien.

Sebastian Ackermann: So schrecklich Fukushima war und so sehr die Energiewende eine technische Herausforderung ist, ist sie doch für einen Kommunikator ein Glücksfall. Denn auf allen internationalen Foren spricht man von der „German Energiewende“. Das gibt es nur in Deutschland. Seit Fukushima im März 2011 haben wir eine massive Kommunikation bei den Energieversorgern in Deutschland zu konstatieren. Neu ist, dass hier eine Gestaltungskommunikation stattfindet, weil die Politik und die Bürger die Wende umsetzen und organisieren wollen. Damit hat sich auch die Unternehmenskommunikation massiv verändert.

Was hat sich konkret verändert?

Während die Energiebranche vor Fukushima mit Klischees behaftet in einer defensiven Rolle war, gibt es nun die Notwendigkeit, eine neue energetische Infrastruktur anzubieten, die auch entsprechend kommuniziert werden muss. Während früher die Ingenieure hinter ihren Schaltkästen gehockt haben und es schwierig war, sie auf die kommunikative Bühne zu heben, sind viele unserer Techniker heute schon kleine Medienstars. So haben wir etwa eine Vielzahl von mit Bundesmitteln unterstützten Forschungsvorhaben, die jetzt auch prominent kommuniziert werden. Bei „Smart Country“ geht es etwa um die Pufferung erneuerbarer Energien im ländlichen Raum. Dabei müssen wir technische Kommunikation auflösen und gewissermaßen in Sendung-mit-der-Maus-Sprache übersetzen. Diese Übersetzungsarbeit bedeutet für uns eine ganz besondere Herausforderung auf allen Kanälen. Der andere Aspekt sind die sich verändernden Medienkanäle und die Dynamik, die sie mit sich bringen.

Medienwissenschaftler beschreiben das Internet als eine Art Machtinstrument, mit dem die Verbraucher den großen Konzernen entgegentreten können. Ist das Web für RWE eher Fluch oder Segen?

Das Internet ist auf jeden Fall Bürgerbeteiligung pur. Jeder kommuniziert mit jedem, und das zu fast jeder Zeit. Das wirkt sich auch auf Unternehmen wie RWE maßgeblich aus. Während früher das Web als eine Art Bedrohung betrachtet wurde, haben wir in dem Bereich massiv dazugelernt. Man begegnet sich heute sportlich auf Augenhöhe. Wir wissen aber um die Kraft des Webs. Deshalb gibt es bei uns zum Beispiel auch reine Webkampagnen wie „Intelligente Energien“, in der es um die Gestaltung der Energiezukunft geht und die sich an die sogenannten LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability = Lifestyle auf Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit) richtet, die verstärkt im Internet unterwegs sind.

Und was tut ein Unternehmen wie RWE gegen sein Buhmann-Image?

Das scheint eine subjektive Wahrnehmung Ihrerseits zu sein. Die Unternehmenswerte bezüglich des Image, die wir professionell messen lassen, sind bei RWE hervorragend. Natürlich mussten wir bis zur Energiewende immer für das Thema Kernenergie herhalten, aber mit der Abschaltung der Kernkraftwerke erfahren wir von allen Zielgruppen höchsten Zuspruch. Auch haben wir seit Fukushima steigende Kundenzahlen und keine Abwanderungen. Ich werde auch gar nicht mehr auf diese ganzen Seminare zur Krisenkommunikation eingeladen, was mich fast etwas kränkt. Das werden jetzt eher meine Kollegen aus dem Bankensektor. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und stellen uns einer energetischen Zukunft, die der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Das ist durchaus mit Schmerzen erfolgt, keine Frage. Aber wir stellen fest, dass man sich mit uns tatsächlich der Sache halber unterhält und Klischees und Vorurteile da keinen Platz mehr haben.

Sie klingen, als wäre die kommunikative Wende reibungslos vollzogen. Wie sehen denn die Glaubwürdigkeitswerte aus, wenn es vor kurzem bei RWE noch hieß „Kernkraft ist sauber und billig, Solarenergie hingegen teuer und ineffizient“?

Diese Wende wird sicherlich noch eine Jahrhundertaufgabe sein. Manche vergleichen das, was wir im Moment erleben, mit den Zeiten nach der Wiedervereinigung. Man muss eine Infrastruktur herstellen, die es so noch nirgends gibt. Deutschland ist ein energetisches Versuchslabor. Für die Investitionen sind Milliardenbeträge notwendig. Das verlangt eine Kommunikation, die sachorientiert, glaubwürdig und vor allen Dingen ehrlich ist.

Wie begegnen Ihnen Journalisten in diesem Zusammenhang?

Ich war kürzlich bei Gruner+Jahr und habe verschiedene Redaktionen besucht. Vor einem Termin habe ich mich ein bisschen gesorgt, das war der bei „Brigitte“. Doch als wir uns trafen, kamen da neun Redakteurinnen und ein Chefredakteur und waren begeistert von RWE und sagten: „Ihr habt genau die Themen, die wir brauchen“, wie etwa Elektromobilität oder intelligente Hausautomatisierung, also die Themen von morgen.

RWE macht auch Sachbücher und Online-Spiele für Kinder und Jugendliche. Warum ist das eine wichtige Zielgruppe für RWE?

RWE engagiert sich seit langem im Bildungsbereich. Wie andere Unternehmen in Deutschland auch stellen wir fest, dass das Thema Technik noch ausbaubar ist. Insofern vermitteln wir Wissen rund um das Thema Energie auch in Kitas und Schulen bis hin zur Universität, wo es dann auch in den Bereich Recruiting geht. Hier kommt es im Umfeld von massiven demografischen Veränderungen darauf an, Kollegen von morgen für RWE zu begeistern.

Wie wichtig ist für Sie Social Media? Und wie viele Mitarbeiter setzen Sie dafür ein?

Wir sind da sicher nicht überbesetzt. Da gibt es bestimmt noch Ausbaupotenzial. Schließlich verändern sich Soziale Medien auch überdurchschnittlich schnell. Social Media spielt für uns zunehmend eine Rolle. Größere Marketingkampagnen begleiten wir heute mit Blogs. Wer mit seinen Kunden auf Augenhöhe sein möchte, kommt an diesen Kanälen nicht vorbei. Das haben wir auch bei RWE erkannt. Die Kunst liegt in Auswahl und Dosierung.

Welche Bedeutung hat Papier für Sie als technikaffinen Konzern beim Corporate Publishing?

Wir werden das gute, alte Papier auch weiterhin benötigen, etwa beim Kundenmagazin als Haushaltssendung und auch im Premiumbereich mit „/NEXT“ (s. a. Seite 48 f.), wo wir besondere Zielgruppen ansprechen. Die Sexyness von Technikthemen lässt sich oft nur über große Bildstrecken erschließen. Und es gibt Magazin-Reportagen, die man so nicht im Web finden wird.

Was ist Ihnen als Auftraggeber wichtig bei „/NEXT“?

„/NEXT“ ist ein Instrument, mit dem wir regelmäßig unsere Premiumkunden ansprechen wollen. Mit dem besonderen „look and feel“ versuchen wir dieser Kundengruppe auf einem außergewöhnlichen und nachhaltigen Niveau zu begegnen. Unser Ziel ist es, unseren Kunden mit dieser Kundenzeitschrift etwas zurückzugeben, ihnen erkennbar Wertschätzung entgegenzubringen. Deswegen ist es, obwohl es sehr hochwertig gestaltet ist, ein kostenloses Produkt. Ein Produkt, das wir auch in naher Zukunft dafür verwenden wollen, neue Kundengruppen zu erschließen. Daher ist es für uns ungemein wichtig, herauszufinden, was bei unseren Kunden gut ankommt.

Handelt es sich um ein B2C- oder ein B2B-Magazin?

„/NEXT“ ist in der Hauptsache ein B2C-Produkt, das aber auch wahlweise für andere Stakeholder-Gruppen genutzt wird.

Wie steuern Sie dort Themen und redaktionelle Inhalte?

Generell werden die Inhalte, die wir dort verbreiten, vom Vertrieb getrieben. Der Markt entscheidet, was Thema ist. Aber wie bereits oben erwähnt, müssen wir auch darauf schauen, was bei den Kunden gut ankommt. Daher nehmen wir die Anregungen unserer Leser ebenfalls an.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Hoffmann & Campe aus?

Von Anfang an war die „/NEXT“ ein Gemeinschaftsprojekt. Im Rahmen einer deutschlandweiten Ausschreibung präsentierte Hoffmann & Campe das Konzept für „/NEXT“. Und als sich die RWE-Vert
rieb dazu entschieden hatte, das neue Kundenmagazin aus der Taufe zu heben, bekam der Verlag auch den Zuschlag. Heute legt ein vierköpfiges RWE-Team fest, wie die Ausgaben aussehen. Aber die Arbeit im Vorfeld leistet Hoffmann & Campe, das vom Redaktionsbüro Hoppundfrenz und der Foto-/Layout-Agentur ringzwei unterstützt wird. Sie entwickeln die Ideen zum Inhalt und zum Layout der jeweils nächsten Ausgabe.

Laut der aktuellen CP-Basisstudie entfallen heute 40 Prozent der gesamten CP-Investitionen auf die digitalen Medien, 60 auf Print. Ist das bei Ihnen ähnlich?

Ja. Ich denke, am Ende ist es wichtig, über intelligente Marktforschungssysteme und Messmethoden die Effizienz der CP-Maßnahmen richtig aussteuern zu können. Für jeden ausgegebenen Marketing-Euro wird man in Zukunft auch einen maximalen Return of Invest bekommen wollen, denn die Ressourcen werden überall knapper.

Welche Wirkungsnachweise Ihrer Corporate-Publishing-Aktivitäten erwarten bzw. erhalten Sie?

Wir erwarten uns eine nachhaltige Verankerung unserer Kernbotschaften. RWE hat sich bekanntlich bereits sehr früh dem Thema „Intelligente Energie“ verschrieben. Das können wir aber nur, wenn wir unsere aus der Unternehmens- und Geschäftsentwicklung resultierenden Programme und Projekte plakativ, informativ – gleichzeitig aber auch hintergründig kommunizieren. Das gelingt mit Corporate Publishing recht gut, wie wir glauben. Und damit es nicht beim Glauben alleine bleibt, wird es in Zukunft umso wichtiger sein, über intelligente Marktforschungssysteme und Messmethoden die Effizienz der CP-Maßnahmen richtig aussteuern zu können.

Simone Schellhammer ist freie Journalistin in Hamburg.

www.simone-schellhammer.de

Zur Person

Sebastian Ackermann ist Pressesprecher und Leiter Unternehmenskommunikation von RWE Deutschland. Er arbeitet in verschiedenen Funktionen seit 2001 für den Konzern.

Erschienen in Ausgabe 09/202012 in der Rubrik „Special“ auf Seite 50 bis 52 Autor/en: Interview: Simone Schellhammer Center.Tv. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.