Jenseits von Pussy Riot

RUSSLAND. Der Name der russischen Punk-Gruppe „Pussy Riot“ und die bunten Wollmasken ihrer Sängerinnen dürften inzwischen weltweit bekannt sein. Wer aber kennt Alexander Khodzinski? Am 7. Juli wurde sein von vielen Messerstichen gezeichneter Leichnam in Tulun, einer kleinen Stadt im Süden Sibiriens, aufgefunden, wie „Reporter ohne Grenzen“ berichtete. Seit Jahren recherchierte der 74-jährige freie Journalist über korrupte Praktiken bei der Bewilligung und dem Bau einer „Shopping Mall“ in Tulun. Besonders Gennady Zhigaryov, der ehemalige stellvertretene Bürgermeister des Ortes, war nach Ansicht von Khodzinski tief in einen lokalen Korruptionssumpf zwischen Politik und einzelnen Unternehmern verstrickt. Khodzinski hat mehrfach in der Lokalpresse wie auch im Internet darüber berichtet. Zwei Tage nach dem Auffinden der Leiche des Journalisten wurde der ehemalige Politiker auch als dringend tatverdächtig festgenommen. Khodzinski, davon ist auszugehen, dürfte nur einer von vielen Journalisten gewesen sein, die heute mit hohem existenziellem Risiko in den Dunkelzonen zwischen zentraler, regionaler und lokaler Politik und den oft mafiösen privaten Unternehmern recherchieren. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihnen wegen dieser oft mutigen Arbeit entgegengebracht wird, liegt weit jenseits von „Pussy Riot“. Nur wenn sie mit Messerstichen übersät in der russischen Provinz gefunden werden, wird ihre Arbeit vielleicht mal kurz zur Kenntnis genommen. Auch an Alexander Khodzinski wird sich in einem Jahr niemand mehr erinnern.

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Erschienen in Ausgabe 09/202012 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 6 bis 6 Autor/en: Carl-Wilhelm Macke, Jhj. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.