Kein Anschluss unter dieser Nummer

Am 25. Juli 2012 wurde der Mobilfunkbetreiber Vodafone vom Facebook-Mitglied Anni Roc vorgeführt. Sie veröffentlichte eine Kundenbeschwerde auf der Facebook-Unternehmensseite, die in Social Media auf ungewöhnlich viel Resonanz stieß. Sie hatte eine aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Rechnung erhalten und machte ihrer Wut online Luft. 105.000 Likes und rund 11.000 Kommentare haben Vodafone innerhalb einer Woche stark unter Druck gesetzt. Immerhin hat Vodafone insgesamt rund 552.000 Facebook-Fans. Die Interaktion stellt eine erhebliche Größe dar. Dennoch reagierte das Telekommunikationsunternehmen anfangs halbherzig. Es gab nur eine kurze Standardreaktion. Danach vergingen mehrere Tage, bis das Unternehmen ein unpersönliches Antwortschreiben verfasste, das der Situation nicht gerecht wurde und sogar den Protest weiter anfeuerte.

Während des Wochenendes reagierte Vodafone überhaupt nicht adäquat. Dabei ist der Fall dermaßen eskaliert, dass es angesichts der Vielzahl an Kundenbeschwerden notwendig gewesen wäre, präsent zu sein.

Es wäre ideal gewesen, wenn ein Unternehmensvertreter innerhalb von wenigen Stunden mehrfach und persönlicher reagiert hätte. Auf diese Weise hätte Vodafone die Kommunikation zumindest ansatzweise steuern und für seine Reputation positiv nutzen können. Allerdings bedarf es dafür eine Handlungsfreiheit, die es dem Social-Media-Manager erlaubt, ohne interne Abstimmungen direkt auf das Kundenposting individuell zu reagieren. Fünf Tage sind im Digitalen ein gewaltiger Zeitraum.

Auf die massiven Kundenbeschwerden und ersten Pressereaktionen reagierte das Telekommunikationsunternehmen am 1. August mit einem umfassenden Facebook-Beitrag auf der eigenen Pinnwand, in dem der Vodafone-Pressesprecher Christian Rapp einlenkte: „Natürlich sehen wir auch, dass die Mehrzahl der (zu dem Zeitpunkt) 7.000 Kommentare hier von Unzufriedenheit mit unserem Umgang mit Kunden geprägt ist. Wir wollen die Verantwortung auch gar nicht wegschieben, wenn bei uns Fehler gemacht werden.“ Inzwischen sei man dabei, das Problem der Kundin zu lösen. Rapp meinte weiter: „37 Mio. Mobilfunkkunden vertrauen uns. Viele von ihnen melden sich hier nicht zu Wort. Umso wertvoller finden wir Plattformen wie Facebook, um Probleme zu erkennen und gegenzusteuern. Für jede konstruktive Kritik – und ich schließe ausdrücklich den Post von Anni Roc hier ein – danken wir Euch deshalb!“

Die Erklärung des Kommunikators war ein richtiger Schritt und stieß auf viel Zustimmung: Er erzielte innerhalb von 24 Stunden rund 800 Likes und einige Kommentare. Einen Tag später gab es im Vodafone-Corporate-Blog ein Interview mit Daniel Bäumer, dem Hauptabteilungsleiter der Kundenbetreuung. Dieser äußert darin Verständnis für die Kundenunzufriedenheit und nimmt zwei Erkenntnisse mit: „Unsere Serviceprozesse speziell auf Facebook müssen wir weiter verbessern und den Kundenbedürfnissen anpassen. … Gold gewinnst du in den sozialen Medien nur, wenn du schnell bist – und das auch am Wochenende.“ Für das Interview erhielt Bäumer mehr als 200 Likes, was für einen Blogartikel viel Zustimmung bedeutet.

Letztlich fehlte es bei Vodafone an einem guten Community Management. In einer brisanten Situation sollte ein Unternehmen immer präsent sein, selbst am Wochenende, und Einfluss auf die Diskussion nehmen. Stattdessen wirkte Vodafone anfangs auf seltsame Weise abwesend und abweisend. Der stoische Verweis auf ein Kundenkontaktformular wirkte eher hilflos. Später machte der Mobilfunkbetreiber alles richtig.

Klaus Eck ist PR-Blogger und hat mit „Transparent und glaubwürdig“ ein neues Buch vorgelegt.

ke@eck-kommunikation.de

TIPPS

Regeln für den Beschwerdesturm

01 Seien Sie in dieser Phase online präsent. Wenn’s sein muss übers Wochenende.

02 Steuern Sie die Kommunikation bei Facebook und Twitter. Lassen Sie nicht den Beschwerdesturm das Zepter übernehmen.

03 Social Media funktioniert via persönlicher Interaktion: Werfen Sie Ihre Standardantworten über Bord. Es muss erkennbar sein, dass eine Person antwortet – und keine Maschine.

Erschienen in Ausgabe 09/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 69 bis 69 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.