Stimmt’s, …?

01. … dass G+J der neue Bauer-Verlag wird?

Es ist kein Leichtes, Chefredakteur von gleich fünf Zeitschriften zu sein. Das stellt sich schon beim Versuch heraus, den neu berufenen „Brigitte“-Chef an die Strippe zu bekommen. Bei der „Brigitte“-Redaktion heißt es, er sei gerade bei „Schöner Wohnen“. Dorthin durchzustellen sei aber nicht möglich, denn das Telefon dort sei auf die „Brigitte“-Redaktion umgestellt, man würde also wieder da landen, wo man gerade sei. Die Erreichbarkeit von Stephan Schäfer ist ein Problem, aber sicherlich nicht das einzige.

Der 38-Jährige war einst Redakteur bei „Bild“, Ressortleiter bei der verblichenen „Allegra“ und anschließend bei Bauer. 2009 ging er zu Gruner+Jahr und wurde Chefredakteur von „Schöner Wohnen“. Seit 2010 ist er zusätzlich Chefredakteur von „Essen & Trinken“, seit Frühjahr dieses Jahres auch noch vom Architekturmagazin „Häuser“, Anfang des Jahres brachte er als Gründungschefredakteur das Wohn- und Fashion-Magazin „Couch“ auf den Markt. Mit „Brigitte“ ist er nun zum Fünffach-Chefredakteur mutiert. Eine Ämterfülle, die glauben macht, eine Redaktion und eine Zeitschriftenmarke zu führen sei nicht mehr als eine Nebentätigkeit. Dabei hätte „Brigitte“ es verdient, dass sich jemand zu hundert Prozent um sie kümmert, heißt es aus dem Kreis der Redaktion, die den Grauschleier beklagt, der über allem liege. Die Identifikation mit dem Blatt, die bei „Brigitte“ immer ganz besonders hoch war, schwinde. Und dass Co-Chefredakteurin Brigitte Huber offensichtlich nicht zugetraut wird, es ohne männliche Unterstützung zu schaffen, macht es nicht besser.

„Brigitte“ gehört (oder muss man die Vergangenheitsform wählen?) neben dem „Stern“ und dem kaum noch wahrnehmbaren „Capital“ zu den identitätsstiftenden Marken des Hauses Gruner+Jahr. Ihre Wurzeln reichen bis ins Jahr 1886. 1969, vier Jahre nach der Verlagsgründung, wurde „Brigitte“, die John Jahr von Ullstein gekauft hatte, mit „Constanze“ fusioniert. „Brigitte“ war immer mit der Zeit gegangen, ihre Realitätsnähe zeichnete sie aus. Wer aber kann sich daran erinnern, wann sich „Brigitte“ zum letzten Mal mit starker Stimme in eine gesellschaftliche Debatte eingemischt, gar eine Vorreiterrolle übernommen hat? Die Entscheidung, keine Models mehr abzubilden, sei ein PR-Gag gewesen, der Ursula von der Leyens Aktionen im Vergleich dazu innovativ aussehen lasse, lästert ein Kenner des Hauses. Zugegeben, „Brigitte“ war keine „Emma“. Die „Brigitte“-Leserin bewegte sich immer zwischen gesellschaftlichem Engagement und der neuesten Lippenstiftfarbe. Aber tonangebend ist „Brigitte“, die in den Achtzigern mit eigenem Umwelt-Ressort voranschritt, nicht mehr. Der Belanglosigkeit folgt nun der nächste Schritt, nach dem Vorbild des immer nur auf die Rendite schielenden Bauer-Verlags einen Multifunktionschefredakteur einzusetzen. Begonnen hatte dieser Trend in den Neunzigerjahren bei den zunehmend austauschbar gewordenen Programmzeitschriften. Doch lagen Bauer und G+J damals auf der Qualitätsskala noch so weit auseinander wie RTL 2 und Arte in der Fernsehlandschaft oder Kik und Boss in der Modewelt.

Ja, auch Angelika Jahr war Mehrfach-Chefredakteurin. Sie hatte den Bonus der Verlegerstochter, und die Entwicklung der von ihr verantworteten Zeitschriften zeigte zum Ende ihrer journalistischen Laufbahn nicht ohne Grund Optimierungspotenzial. Im Übrigen hatte keine der von ihr verantworteten Titel für den Verlag eine auch nur annähernd hohe Bedeutung wie „Brigitte“, weder publizistisch noch wirtschaftlich.

Vorstandschef Bernd Buchholz stellt zwar in Aussicht, dass Schäfers Postenanhäufung nicht von Dauer sein werde. Was es allerdings über die verlegerische Weitsicht aussagt, am 7. August die Ablösung von Andreas Lebert mitzuteilen, nachdem sein Relaunch noch am 19. Juli – keine drei Wochen vorher – umgesetzt und über Gebühr gelobt worden ist, bleibt ein Geheimnis. Wie hieß es da noch: „Das neue Design unterstreicht die Qualität des Magazins, macht es erlebbarer und betont die klassischen inhaltlichen Stärken der, Brigitte‘.“

Im Nachhinein wird der Relaunch mit hochgezogener Braue (ab-)gewertet. Lebert, der wohl keine Lust hatte, als Herausgeber weggelobt zu werden, will sich nicht äußern. Er konzentriere sich auf einen neuen Lebensabschnitt, sagt er. Nach zehn Jahren beim selben Titel sei das überfällig, heißt es bei G+J. Apropos: Wie lange sind Thomas Osterkorn und Andreas Petzold nun schon „Stern“-Chefs? Diesen Titel wird Schäfer aber vorerst nicht auch noch übernehmen.

02. … dass sich der „Tagesspiegel“ einen Geschäftsführer spart?

Tatsächlich dauert der Zustand schon länger an, offiziell ist Joachim Liebler seit Frühjahr nicht mehr Geschäftsführer des Berliner „Tagesspiegel“. Kommissarisch führt derzeit Oliver Finsterwalder die Geschäfte. Er ist hauptberuflich Finanzchef der vierköpfigen Holding DvH Medien in der Stuttgarter Kernerstraße mit Dieter von Holtzbrinck an der Spitze. Am Sitz des „Tagesspiegel“ physisch anwesend ist Finsterwalder meist nur donnerstags, dann ist auch Michael Grabner, Dieter von Holtzbrincks zweiter Mann, in Berlin.

Haben wir es – siehe erstes Gerücht – schon wieder mit dem Phänomen zu tun, dass einst zentrale Aufgaben in den Medien zu Nebentätigkeiten geschrumpft sind? Bei Holtzbrinck spricht man von einer „Übergangsphase“. Im Herbst soll der neue „Tagesspiegel“-Geschäftsführer gefunden sein. Im Rennen seien noch zwei Kandidaten, beide keine Holtzbrinck-Gewächse. Der Neue wird sich möglicherweise gleich mit Sparmaßnahmen unbeliebt machen. Wie schon andere Regionalzeitungen müssen derzeit auch Berliner Blätter fürchten, dass sich der Handel aus dem klassischen Anzeigengeschäft zurückzieht. Bis Oktober heißt es zu zittern, wie sich Aldi & Co. entscheiden. Sollte sich die Befürchtung bewahrheiten, wird sich im Budget für 2013 ein dickes Loch auftun.

03. … dass das Springer-Archiv im eigenen Haus tabu ist?

Anfang August erhielten die Redakteure von „Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Berliner Morgenpost“ interessante Tipps von ihrem geschäftsführenden Redakteur Holger Zöllner. Sie mögen zur Recherche doch kostenlose Möglichkeiten nutzen, etwa ein Archiv der eigenen Titel, das über „Google schnell und einfach“ zu nutzen sei. Das hauseigene Archiv Infopool verursache nämlich hohe Kosten. „Jedes Mal, wenn im Intranet der Button, Suche‘ geklickt wird, sind €1,60 fällig.“ Und wer Infopool gar per Telefon und E-Mail kontaktiere, verursache auf einen Schlag mindestens 26 Euro, bei einem Rechercheaufwand von mehr als 30 Minuten 42 und bei bis zu einer Stunde 66 Euro. „Wenn wir also jetzt bei Suchanfragen sparen, spüren wir in den Ressorts die Effekte in 2013“, heißt es in der Rundmail.

Die Redakteure sehen sich ihres liebsten Rechercheinstruments beraubt, sehen einen Zusammenhang mit einigen nicht nachbesetzten Stellen und spüren den Druck zu sparen. Da es sich bei Infopool um ein hauseigenes Springer-Unternehmen handelt, verstehen viele nicht, worin die Sparmaßnahme bestehen soll, wandert für den Konzern das Geld doch verlustfrei von der linken in die rechte Tasche.

Offiziell will sich keiner äußern, inoffiziell wird von Fällen gesprochen, in denen Redakteure angeblich bei Infopool angerufen hätten, etwa um das Alter von Klaus Wowereit zu erfragen. Man habe dafür sensibilisieren und Kostenbewusstsein schaffen wollen, heißt es auf Verlagsseite. Die Zeitungsetats sollen nicht
unnötig belastet werden.

Derzeit wird innerhalb der Welt-Gruppe bei internen Verrechnungen ohnehin genauer hingeschaut. So wurden gerade die Kostenstellen neu sortiert, Transparenz sei das Ziel. Es werde wieder produktbezogen abgerechnet, um transparenter zu machen, welche Kosten die einst zur Welt-Gruppe fusionierten Titel im Einzelnen verursachen.

04. … dass wir Halbgares verbreiten?

Natürlich nicht. „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl warf uns fehlerhaftes Arbeiten vor und forderte eine Korrektur, weil an dieser Stelle in der vorigen Ausgabe stand, die „taz“ werde Werbung auf Sportfotos „mit dem Ende der Tour de France“ nicht mehr unkenntlich machen. Genau so hatte es Pohl gesagt. Nun aber wird auf den „Leibesübungen“-Seiten doch weiter verpixelt. Offensichtlich wurde Pohl daran erinnert, dass Ressorts in der „taz“ eine gewisse Autonomie genießen.

Ulrike Simon ist freie Medienjournalistin in Berlin.

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Erschienen in Ausgabe 09/202012 in der Rubrik „Spektrum“ auf Seite 14 bis 15 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.