Aufbruch am Rhein

Mit der Mehrheits-Übernahme der Saarbrücker Mediengruppe macht die Mediengruppe der „Rheinischen Post“ einen gewaltigen Sprung: Von Platz 10 unter die Top 5 der auflagenstärksten Zeitungsverlage …

Karl Hans Arnold: Das ist tatsächlich der größte Sprung in unserer Unternehmensgeschichte.

Was reizt Sie mehr an den Saarbrückern: Das publizistische oder das Übersetzungs-Geschäft von Euroscript?

Beides. Wir verfolgen sogar drei strategische Ziele. Erstens: die Weiterentwicklung unseres Basisgeschäfts im Zeitungsbereich. Zweitens: den Ausbau unseres Digitalgeschäftes. Drittens: eine Diversifizierung unserer Unternehmensgruppe. Letzteres haben wir bereits vor Jahren eingeleitet und können sie nun mit der Euroscript auf breitere Beine stellen. Das ist ja das besonders Reizvolle an der Übernahme der Mehrheit an der Saarbrücker Zeitungsgruppe: Wir können damit gleich mehrere Ziele verwirklichen.

… für den Preis von 200 Millionen Euro für 52,3 Prozent Anteile?

Zu Preisspekulationen äußere ich mich nicht.

Manche Verleger-Kollegen unken allerdings – weil Sie auch eine Investitionszusage für eine neue Verbunddruckerei gegeben haben.

Wir glauben an die Zeitung, an das gedruckte Wort, also brauchen wir auch leistungsstarke Druck-Kapazitäten. Und in Trier ist eine Ersatz-Investition erforderlich. Zeitungmachen ist allerdings nur eine unserer Aktivitäten. Die Saarbrücker Zeitungsgruppe ist ja längst kein reines Zeitungshaus mehr – das Gleiche gilt für unser Haus in Düsseldorf. So zählt „RP Online“ zu den Top-Nachrichtendiensten in der Republik. Und wir werden weitere Medienangebote für mobile Endgeräte und Festgeräte entwickeln.

Der Verleger der „New York Times“ hat bereits das Ende der Zeitungs-Ära ausgerufen. Was bestärkt Sie so in Ihrem Glauben an das gedruckte Wort?

Ach, es gibt immer solche, die Print totreden. Man kann auch trefflich für die Zeitung argumentieren – insbesondere im lokalen und regionalen Bereich. Dort haben Zeitungen nach wie vor eine herausragende Bedeutung, die es zu bedienen gilt. Das bedeutet ja nicht, dass wir die Medienvielfalt ignorieren, im Gegenteil: Natürlich müssen wir unsere Angebote auch auf anderen Kanälen – online wie elektronisch – bereithalten.

Wie soll das aussehen, worauf setzen Sie da?

Wir wollen sowohl international wie national eine ganze Reihe von Portalen aufbauen – bezogen auf unser erweitertes Verbreitungsgebiet. Das heißt, wir fokussieren die Märkte, in denen wir heute schon eine starke Medienstellung haben. Wir stellen uns darauf ein, dass die Leser unsere Angebote auch digital haben wollen. Wir arbeiten zum Beispiel an einer Daily App für mobile Endgeräte wie Smartphones. In den letzten Monaten haben wir bereits eine ganze Menge von Produkten entwickelt und in den Markt gebracht. Die Leser haben ein vielfaches Informationsbedürfnis, es liegt an uns, konkrete Angebote zu entwickeln. Trauerportal, Restaurantführer, Sport-Liveticker oder Amateur-Fußballportale – wir sind hier in den vergangenen Monaten in eine Produktoffensive gegangen und möchten die Schlagzahl noch erhöhen. Das müssen nicht immer Big Bangs sein, sondern es gilt, auch kleinere Marktsegmente zu bedienen. Dazu brauchen wir mehr Mut und mehr Bereitschaft zum Experimentieren, als das bislang der Fall war in unserer Branche. Ich bin sicher, dass der weitere Ausbau durch den Zusammenschluss mit den Kollegen aus Saarbrücken zusätzlich beschleunigt wird, sowohl inhaltlich als auch von der Umsetzungsgeschwindigkeit.

2007 haben Sie mit der Holtzbrinck-Gruppe den Technik-Dienstleister „circ IT“ gegründet, deren Anteile die Saarbrücker 2011 übernahmen. Warum ist da nicht schon ein gemeinsames Redaktionssystem entwickelt worden?

Wir arbeiten bereits an vielen Stellen zusammen – auch an gemeinsamen Systemen. Gemeinsam können wir da tatsächlich deutlich profitabler, effizienter arbeiten. Solche Dinge werden wir weiter entwickeln. Wir wollen die „circ IT“ zunehmend als einen attraktiven, wettbewerbsfähigen Dienstleister auch für andere Verlage oder Unternehmen im Markt aufstellen. Da sind wir auf einem guten Weg.

Mit den Saarbrücker Mehrheitsanteilen Ende 2012 haben Sie weitgehende Garantien übernommen – u. a., „dass die Unternehmensgruppe mit ihren regionalen Publikationen selbstständig an ihren Standorten erhalten bleiben sollen.“ Gilt das für alle Redaktionen, also auch für den „Trierischen Volksfreund“?

Schon in unseren ersten Gesprächen mit den Saarbrücker Gesellschaftern wurde sehr schnell klar, dass wir uns in der Art und Weise, wie man regionale Zeitungshäuser führt, sehr einig sind. Eine Regionalzeitung muss dort gemacht werden, wo ihre Leser sind. So halten wir es auch mit anderen Beteiligungen, so wird es auch in Saarbrücken sein. Die Identifizierung der Kollegen dort mit der Zeitung und all ihren Produkte ist ausgesprochen hoch. Diesen „USP“ wollen wir erhalten und ausbauen. Das gilt ebenso für den „Trierischen Volksfreund“, der wiederum einen eigenen Charakter hat, den es zu erhalten und zu stärken gilt. Die Saarbrücker Zeitungsgruppe ist kerngesund. Aber an der Weiterentwicklung wollen wir gemeinsam arbeiten. Wir wollen an der jeweiligen Identität der Medien festhalten. Das setzt eigene Redaktionen voraus, das ist doch klar, und wir haben keine Pläne, das zu ändern – auch nicht in der Schublade. Das schließt ja nicht aus, dass man an der einen oder anderen Stelle zusammenarbeiten kann.

Welche Stellen meinen Sie?

Zum Beispiel könnten alle Redaktionen von gemeinsamen Entwicklungseinheiten profitieren, sowohl online als auch im Print. Das gilt es im Einzelnen miteinander zu besprechen. Um es deutlich zu sagen: Wir haben die Saarbrücker Gruppe nicht übernommen, um uns über Synergien zu refinanzieren, sondern um uns gemeinsam weiterzuentwickeln. Hier hat Größe durchaus Relevanz.

Wird es bei den beiden Berliner Parlamentsredaktionen der SZ und RP bleiben?

RP und SZ verfügen über leistungsstarke Parlamentsredaktionen. Es gibt keine Pläne zur Zusammenlegung. Wohl aber werden wir gemeinsam überlegen, ob und in welcher Form wir zusammenarbeiten. Grundsätzlich gehört die redaktionelle Berichterstattung zu unseren Kernkompetenzen. Medien sind dann erfolgreich, wenn sie relevant sind. Dazu ist erforderlich, dass Redaktionen und Leser miteinander im Dialog stehen. Dialog wiederum setzt Ansprechpartner voraus – so werden die Medien zu Persönlichkeiten. Von dieser Individualität hängt unser Erfolg ab. Der Erfolg der redaktionellen Berichterstattung, des Anzeigenverkaufs und des Vertriebs hängt zentral von handelnden Personen ab – davon bin ich mehr denn je überzeugt. Unsere nachhaltigen Ziele werden wir nicht kurzfristigen Renditezielen unterordnen. Als Wirtschaftsunternehmen sind wir allerdings angehalten, permanent nach Effizienzsteigerung zu suchen. Diese sehe ich eher in der Technik, in der IT, der Verwaltung sowie in den Strukturen.

Sie haben Ihre Medienmanagement-Karriere bei Gruner+Jahr, in Frankreich bei Axel Ganz, begonnen. Was haben Sie dort gelernt?

Axel Ganz ist ein außergewöhnlich kreativer Mensch, der ja aus dem Journalismus kommt. Bei ihm habe ich das Handwerk des Zeitschriftenmachens gelernt – sowohl das Blattmachen wie auch das Führen von Zeitungsverlagen. Ich habe dort an der Konzeption von Zeitschriften mitgearbeitet. Gelernt habe ich dort vor allem aber, wie wichtig es ist, nah an den Märkten, den Trends zu sein und schnell darauf reagieren zu können. Die Marktentwicklungen sind von einer nie zuvor gekannten Schnelllebigkeit. Das erfordert heute entsprechende Strukturen in einem Unternehmen, um nicht nur journalistisch, sondern in allen Bereichen schnell reagieren zu können. Wer da in den Führungsstrukturen von früher verhaftet ist, wird auf der Strecke bleiben.

Haben Sie deshalb den Chefredakteur der RP nun stärker in die Verlagsgeschäftsführung eingebunden?

Ich halte sehr viel von dezentralen Strukturen. Das habe ich in den 90er Jahren sehr überzeugend bei Gruner+Jahr und in der Bertelsmann-Welt kennengelernt. Dank dezentraler Verantwortung können die jeweiligen Bereiche schneller auf Marktentwicklungen reagieren. Das ist eine heute notwendige Stärke. Ich denke da natürlich auch an Online-Entwicklungen. Eine Geschäftsführung in einer Holding darf nicht zu einem „Bottleneck“ werden, indem dort zu viele Entscheidungskompetenzen angesiedelt sind. Deshalb geben wir die Verantwortung für das Geschäft dorthin, wo tägliche Entscheidungen notwendig sind – im Redaktionellen wie auf Verlagsebene. Das hat sich bewährt, auch im zurückliegenden Prozess zur Mehrheitsübernahme der „Saarbrücker Zeitung“. Ohne dezentrale Strukturen hätte uns dabei zu viel Zeit für unsere anderen Aktivitäten gefehlt. Für die „Rheinische Post“ haben wir daher eine Verlagsleiter-Struktur geschaffen, in der der Chefredakteur eine gleichwertige, ständige Rolle einnimmt. In der Holding-Geschäftsführung arbeiten wir nach ähnlichen Prinzipien. Das gilt für unsere nationalen Aktivitäten genauso wie unsere internationalen. Unser Osteuropa-Geschäft unter Leitung von Johannes Werle in der Tschechischen Republik, der Slowakei und in Polen funktioniert nach denselben Regeln. Das Ganze wird zusammengehalten durch einen Team-Spirit.

Gibt es zwischen Ihren osteuropäischen und deutschen Titeln auch eine Zusammenarbeit?

Ja, zum Beispiel helfen uns die tschechischen Kollegen gerade bei der Programmierung einer Daily App und haben uns auch beim Aufbau unserer digitalen Sonntagszeitung unterstützt. Solche Formen der Zusammenarbeit wollen wir auch forcieren. Es müssen sich ja nicht vier Einheiten in einer Unternehmensgruppe mit denselben Themen beschäftigen. Wo es Stärken oder freie Kapazitäten gibt, sei es in der Tschechischen Republik, in Saarbrücken, Düsseldorf oder anderswo, werden wir diese nutzen – aber ohne dass andere aus ihrer Verantwortung genommen werden. Das ist durchaus inspirierend für alle Seiten. (Update: Ende Juni 2013 gab die Rheinische Post Mediengruppe bekannt, dass sie ihre „sämt­li­chen Akti­vi­tä­ten in der Tsche­chi­schen Repu­blik“ an die tschechische Agrofert-Gruppe verkauft hat)

Brauchen Medienhäuser eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen?

Ich halte nichts von einer eigenen Abteilung mit dem Etikett „Forschung und Entwicklung“ – und einem Eigenleben. Wir haben in unseren Häusern unglaublich viel kreatives Potenzial. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die Ideen zu bündeln und die Kreativität zu entfalten. Es gilt, die PS nicht in der Garage zu halten, sondern auf die Straße zu bringen. Es gilt, ein Klima zu schaffen, in dem sich Kreativität und Innovation entfalten können. Gelingt das, werden wir auch auf dem Arbeitsmarkt noch attraktiver.

Wie soll das konkret aussehen?

Ein aktuelles Beispiel ist unsere „Mehr“-Beilage, die Print- und Online-Elemente enthält. Sie wurde maßgeblich entwickelt vom Anzeigenbereich, unter Mitwirkung von Redaktion und Technik. Wir wollen nicht nur über Akquisitionen wachsen, sondern auch durch Eigenentwicklungen. Dafür ist die „Mehr“-Beilage nur ein Beispiel.

An welche Investitionen denken Sie?

Sie brauchen für solche Weiterentwicklungen natürlich ein finanzielles Budget. Aber mindestens genauso wichtig ist, dass wir die Potenziale unserer Mitarbeiter wecken können, deren Neugierde auf Neues vorantreiben. Das ist ein permanenter Prozess, der vor allem im Team funktioniert. Das bedeutet allerdings eine grundlegende Änderung der Arbeitsabläufe, wie sie in Zeitungsverlagen als Ein–Produkt-Unternehmen jahrzehntelang anzutreffen waren, auch in der „Rheinischen Post“. Ich halte die Förderung des Austausches quer durch alle Bereiche für eine zentrale Management-Aufgabe.

Und wie fördern Sie die Zusammenarbeit von Print- und Onlineredaktion?

Wir unterscheiden nicht mehr in „Online-Redakteure“ oder „Print-Redakteure“, sondern wir haben und wollen nur gute Redakteure. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, relevanten Journalismus zu machen – in der Grafik, im Text, in einer Fotosprache, die auf die jeweiligen Medien zugeschnitten ist. Dazu arbeiten die Redaktionen aktuell am Konzept für eine integrierte Redaktion, die nicht mehr nach Gattungen trennt.

Werden die „guten“ Redakteure auch gleich gut bezahlt?

Unsere Redakteure sind gut bezahlt.

… Online genauso wie Print?

Ja. Wenn Sie sich die Gehälter für Berufseinsteiger anschauen, muss sich die Zeitungsbranche nicht hinter anderen Branchen verstecken. Um unsere Journalisten angemessen zu bezahlen, bedarf es aber auch in der digitalen Medienwelt Geschäftsmodelle mit wirtschaftlichen Perspektiven. Das schließt nicht aus, dass wir zu neuen Vergütungsmodellen kommen. Sollten wir nicht generell über variable, leistungsbezogene Vergütung nachdenken? Unsere Branche befindet sich im Wandel. Denkverbote sollten wir uns nicht auferlegen. Hier die Redaktion, dort der an wirtschaftlichem Profit interessierte Verlag: das ist Denken von gestern. Auch Redaktion und Verlag sollten sich mit einem gemeinsamen Team-Spirit weiterentwickeln.

Sie engagieren sich ja auch im Lokalfernsehen. Sehen Sie darin einen Wachstumsmarkt?

Das ist ein eigenes, lokal zugeschnittenes Angebot. Uns war es wichtig, in unserem Heimatmarkt, also im Raum Düsseldorf, mit einem lokalen TV-Programm vertreten zu sein und so in unsere regionale Berichterstattung zusätzlich eine eigene Note zu bringen. Das ist kein 24-Stunden-Vollprogramm, sondern es sind einige Stunden mit lokal zugeschnittenen Berichten. Das wird sehr gut angenommen. Aber es gibt keine Expansionspläne für weitere Städte. Fernsehen ist zudem dank Lizenzen und Kabelplatzverteilungen ein sehr reglementierter Markt. Insofern sind da automatisch Grenzen vorgegeben.

Die RP gehört zu den acht Zeitungsverlagen, die gegen die „Tagesschau“-App geklagt haben. Wie soll es da jetzt nach dem Urteil des Kölner Landgerichts weitergehen?

Es geht uns um eine grundsätzliche Sache – nämlich die Frage, ob es ordnungspolitisch richtig ist, dass wir über Gebühren die Online-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen quersubventionieren und so die Grundlage dafür schaffen, dass diese ihre Angebote kostenfrei bereitstellen können. Wir haben nichts gegen Wettbewerb und setzen uns inhaltlich auch gerne damit auseinander. Die „Tagesschau“ ist ja eine gute App. Aber hier handelt es sich um einen verzerrten Wettbewerb, denn die Öffentlich-Rechtlichen finanzieren ihre Angebote über Gebührengelder. Qualitätsjournalismus muss einen Preis haben. Das aber können wir nur erreichen, wenn wir unsere Inhalte auch online kostenpflichtig machen können. Daher brauchen wir gemeinsame Bezahlmodelle.

Wie könnte eine tragbare Lösung in Ihren Augen aussehen? Beispielsweise auch in einer stärkeren Bewegtbild-Kooperation?

Gemeinsam bedeutet in diesem Fall nicht, zu kooperieren, sondern vielmehr eine Verständigung darauf, dass hochwertige journalistische Leistungen, ob aus öffentlich-rechtlicher oder privater Hand, einen Preis haben müssen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalten liefern gebührenpflichtige Fernseh- und Rundfunk-Programme, und dies, auch im internationalen Vergleich, auf sehr hohem Niveau. Das Zeitungsgeschäft gehörte allerdings nie zu den Aufgabenfeldern der öffentlich-rechtlichen Anstalten und sollte jetzt auch im digitalen Geschäft keinen Einzug halten – also sehe ich auch keine Fantasien für umfangreiche Kooperationen. Wir stehen im Wettbewerb, dieser ist gewollt und wir scheuen ihn nicht, solange er fair ist.

Welche Chancen geben Sie Paywalls?

Grundsätzlich muss Qualitätsinhalt kostenpflichtig sein. Nun ist aber jeder gewohnt, im Internet hochqualifizierten Journalismus umsonst zu erhalten. Das komplett zu ändern ist unrealistisch, das lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Aber dank der Smartphones ist die Hemmschwelle, über das Internet zu bezahlen, deutlich geringer geworden. Diese Bereitschaft wird weiter zunehmen. Ich halte es für sinnvoll, Paywalls dort auf mobilen Endgeräten zu installieren, wo wir mit exklusiven Inhalten aufwarten können. Dann sind die Menschen bereit, dafür zu zahlen.

Was verstehen Sie unter exklusiven Inhalten?

Das ist sicherlich in der regionalen Berichterstattung möglich: Wer sich aus der Region informieren will, kann einen Teil des Angebotes nach wie vor auch kostenfrei haben, aber wer mehr erfahren möchte, wird dafür zahlen müssen. So könnte die Information an sich weiter kostenfrei verfügbar sein, Hintergründe, Einordnungen und Orientierung jedoch kostenpflichtig.

Die „Rheinische Post“ kooperiert seit kurzem mit fupa.net. Welche Perspektive sehen Sie in solchen hyperlokalen Kooperationen?

Die Resonanz auf die Kooperation mit der Amateurfußball-Plattform ist ausgesprochen positiv – von den Vereinen ebenso wie von den Nutzern. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind. Und dieser Weg ist ausbaubar, gar keine Frage. Es gibt ja nicht nur Fußball auf dieser Welt.

Welche anderen Themen für solche Kooperationen könnten Sie sich konkret vorstellen?

Neben dem Sport sind Bildung und Gesundheitswesen von großer Bedeutung.

Was vermissen Sie eigentlich in der Zeitungsbranche?

Ganz offen (lacht leise): Unsere Branche ist mir oft zu larmoyant in eigener Sache. Ich wünsche mir viel mehr Zuversicht, Gestaltungswillen, positives Denken – und auch viel mehr Innovationskraft. Wir haben uns schließlich überhaupt nicht zu verstecken. Es gibt keinen Grund, Untergangsstimmung zu verbreiten. Wir sollten stattdessen viel selbstbewusster auftreten. Ich glaube, das täte uns insgesamt ganz gut.

Mit Blick auf die Konjunkturaussichten hat in vielen Verlagen aber das große Zittern begonnen. Die WAZ hat bereits die nächste Sparrunde ausgerufen. Was gibt Ihnen da Anlass zu solchen Zuversichtsappellen?

Dass es in einer sich verändernden Medien-Landschaft Anpassungen in den Häusern gibt, ist normal. In anderen Branchen ist dies schon seit Jahren gängige Praxis. Vielleicht ist unsere Branche darin noch nicht so geübt. Auf der anderen Seite gibt es in einzelnen Häusern durchaus beachtliche Produktentwicklungen und viele Ideen, die eine erfolgreiche Umsetzung erfahren. Darüber gilt es zu sprechen.

Haben Sie ein publizistisches Credo?

Ich bin davon überzeugt, dass der Inhalt den Unterschied ausmacht. Guter Journalismus wird sich durchsetzen.

Was verstehen Sie unter „gutem Journalismus“?

Ich scheue mich vor dem Begriff „Qualitätsjournalismus“, denn dieser Begriff ist nicht greifbar. Ich spreche lieber von relevantem Inhalt, der die Leute berührt, sie unmittelbar betrifft. Inhalt, der gut recherchiert informiert und darüber hinaus eine Orientierung bietet, wird Erfolg haben. Dies wird in einer immer komplexer werdenden Welt immer wichtiger. Ich bin davon überzeugt, dass guter, relevanter Journalismus Zukunft hat – und auch wirtschaftliche Perspektiven.

In der Selbstdarstellung der RP heißt es, ihre Auflage liege bundesweit an fünfter Stelle – etwa „auf dem Niveau der FAZ“. Ist die FAZ auch sonst eine Messlatte für Sie?

Wir sitzen ja hier gerade im Berliner Redaktionsbüro der RP, einem großen Büro – und zwar ganz bewusst: Wir wollen aus erster Hand über Politik, Wirtschaft, Gesellschaft informieren, mit unserer eigenen Berichterstattung eine individuelle Note setzen. Das ist wichtig. Die RP versteht sich als „Stimme des Westens“. Bonn war für uns damals aufgrund der räumlichen Nähe zu Düsseldorf noch ein Heimspiel. Berlin bedarf jedoch einer eigenen Präsenz. Und dafür gilt: Entweder macht man es richtig oder gar nicht. Und wir haben uns entschieden, es richtig zu machen. Wir wollen mit unserer Zeitung das Informationsbedürfnis der Leser komplett abdecken. Die „Rheinische Post“ ist eine Regionalzeitung mit überregionalem Anspruch. Wir sind damit klar positioniert.

Ihr Großvater, RP-Mitgründer Karl Arnold, war CDU-Ministerpräsident in NRW. Ihr Vater Gottfried Arnold, Mitherausgeber der RP, war lange CDU-Bundestagsabgeordneter. Welche politischen Ambitionen haben Sie?

Ich bin ein politisch denkender Mensch, aber weder in parteipolitischen Gremien aktiv noch Mitglied einer Partei. Und ich habe auch keine Pläne, das in Zukunft zu werden.

An welche Leitlinien Ihrer Vorväter fühlen Sie sich gebunden?

Die Presse hat eine enorme Verantwortung in der Gesellschaft, für die politische Meinungsbildung. Hier gilt es zu informieren, aber auch eine klare Meinung zu vertreten, auch wenn man sich daran reibt. Eine Zeitung braucht eine eigene Identität, durch die sie sich von anderen Medien unterscheidet. Ich glaube, es ist ein ganz zentraler Punkt, die Zeitung als eine Persönlichkeit zu verstehen, quasi als ein Individuum. Dabei gilt es, an Traditionen festzuhalten, ohne dass die Vergangenheit einem bei der Gestaltung der Zukunft im Wege stehen darf.

Zählt dazu auch die Tradition der RP als bürgerlich-konservatives, CDU-nahes Blatt?

Eine parteipolitische Verortung wäre fatal. Dies gilt auch für unsere Zeitung. Das Denken in politischen Lagern ist deutlich rückläufig. Viel wichtiger ist das Verstehen komplexer Sachverhalte. Eine gute Redaktion ist eine selbstständige und selbstbewusste Redaktion. Eine gute Redaktion ist eingebunden in die Werte der Zeitung und fühlt sich diesen verpflichtet.

Es heißt, Sie gingen auf die Jagd. Stimmt’s?

Nein (lacht). Ich hab weder Schießgeräte noch einen Jagdschein. Ich war nur ein einziges Mal auf der Jagd, als Kind. Als mein Onkel damals schießen wollte, bin ich ihm ins Gewehr gefallen, damit er nicht trifft. Seitdem wurde ich nie wieder mitgenommen. Ich spiele lieber Golf und Tennis, aber beides viel zu wenig.

Sie tragen am Handgelenk gerade bunte Freundschaftsarmbänder. Gehört das jetzt auch zu den Teamübungen im Verlag?

Nein, die haben meine drei Kinder mir im Urlaub geschenkt. Aber das wäre mal eine Überlegung wert …

Interview: Annette Milz ist Chefredakteurin von „medium magazin“.

annette.milz (@ )mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 20 bis 22 Autor/en: Interview: Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.