Kein Interesse an Buchmesse

2. Christchurch. Vergesst den Sieg der Rugby-Weltmeisterschaft und die verheerende Erdbebenserie: Meine neue Heimat ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. 76 Bücher aus Aotearoa – so heißt das „Land der langen weißen Wolke“ – wurden ins Deutsche übersetzt. Und fast so viele Autoren extra nach Deutschland verschifft. Ein Rekord für die kleine Nation, deren Literaten international bisher nur durch die Verfilmung ihrer Werke bekannt wurden: Janet Frame („Ein Engel an meiner Tafel“), Witi Ihimaera („Whale Rider“), Alan Duff („Once Were Warriors“). Nur ein Jahr blieb den „Kiwis“, die sich nach ihrem Wappenvogel nennen, um sich auf das gigantische Kulturereignis vorzubereiten.

Den meisten Neuseeländern ist die Frankfurter Buchmesse kein Begriff. In den Medien tauchte das Event hie und da auf – das halbstündige Interview mit Buchmesse-Chef Jürgen Boos bei Radio New Zealand gehörte noch zum Ausführlichsten. Auf dem gleichen Sender beschwerte sich aber auch Schriftsteller Kyle Mewburn, dass kaum Jugend- und Kinderbuchautoren nach Frankfurt geschickt würden – eine sträfliche Vernachlässigung. Die Debatte beschäftigte sogar den neuseeländischen Verlegerverband.

Die politische Vorgabe aus Wellington lautete: Das Land als Reiseziel vermarkten. Ein Spagat für das Kulturministerium, das sich in kürzester Zeit mit deutschen Festivals, Medien, Veranstaltern und Gepflogenheiten vertraut machen musste und dem erfolgreichen Buchmessen-Vorgänger Island in nichts nachstehen will. Denn nicht Gedrucktes, sondern Tourismus bringt das dringend benötigte Geld, mit dem Christchurch – zweitgrößte Stadt des Landes –nach der Kastastrophe vom Februar 2011 wieder aufgebaut wird. So kommt es, dass nicht nur Schriftsteller und Lyriker, sondern gut abgehangene Fernsehköche und der Oberschwertbastler von „Herr der Ringe“ unter den „Autoren“ sind. Hauptsache begeistern, so die Devise.

Es ist ein gut gehütetes Geheimnis der staatlich subventionierten Verlage, dass sich ein einheimisches Buch im Schnitt nur 300 Mal verkauft, selbst von begabten und gelobten Autoren. Das kann sich bald ändern: Wer in Frankfurt gut ankommt, kehrt mit Farnkraut gekrönt nach Hause – als Star.

Anke Richter: „Was scheren mich die Schafe“,

KiWi 2011, 304 Seiten, 14,99 Euro.

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 18 bis 18 Autor/en: Anke Richter aus Neuseeland. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.