Mit Streisand im Treibsand

Die Kommunikationswelt hat sich in den vergangenen Jahren durch Social Media extrem beschleunigt. Deshalb genügt ein Buch nicht, um die eigene Reputation reinzuwaschen. Wer heute wie Ex-First-Lady Bettina Wulff in die Öffentlichkeit geht, muss jeden seiner Schritte hinsichtlich seiner Wirkung auf Facebook, Twitter und Co. überprüfen. Ansonsten wird die neue digitale Umwelt zur Bedrohung schlechthin.

Kurz vor der Buchveröffentlichung wehrte sich Bettina Wulff in einigen (großen) Interviews gegen Gerüchte, in denen ihr eine Vergangenheit als Prostituierte oder Escort-Begleitung angedichtet werden. Gab es in den klassischen Medien bis vor kurzem nur Andeutungen zu lesen, hat ihre Buchpublikation das geändert. Viele Medien und Blogs berichteten in großen Schlagzeilen erstmals über die „Hurengerüchte“ um die Ex-First-Lady.

Schlecht beraten war Wulff damit, eine Unterlassungserklärung gegen die weitere Verbreitung des Gerüchtes durchzusetzen. Zwar konnte sie auf diese Weise einige Blogger und den Talkmaster Günther Jauch zur Löschung von Inhalten bringen respektive die Weiterverbreitung in der bisherigen Form unterdrücken. Doch der Preis dafür war sehr hoch. Statt die Verleumdung durch juristische Maßnahmen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten, ist das Gegenteil passiert. Durch die versuchte Unterdrückung einer Information wird diese erst richtig interessant für viele Medien und Blogger, die über den Versuch einer Klage gegen Google und über die Zensurmaßnahmen berichten.

Dieser sogenannte Streisand-Effekt verdankt seinen Namen der Schauspielerin Barbra Streisand, die eine im Web abrufbare Luftaufnahme ihres Hauses verbieten lassen wollte. Doch mit der Berichterstattung über ihre 50-Millionen-Dollar-Klage gegen den Fotografen schürte sie die Aufmerksamkeit für das Bild dermaßen, dass es sich per Mundpropaganda sehr schnell online und offline verbreitete. Social Media wirkt in so einem Fall wie ein Brandbeschleuniger, der für eine schnelle Verbreitung der missliebigen Inhalte sorgt und sich langfristig über die digitale Reputation legt.

Je mehr über den Fall Bettina Wulff und das Gerücht berichtet wird, desto stärker wirkt sich das auf die Online-Reputation der ehemaligen First Lady aus. Wer ihren Namen bei Google eingibt, erhält automatisch Hinweise auf ihre vermeintliche Rotlicht-Vergangenheit: durch die Google-Autocomplete-Funktion erscheinen sofort die Begriffe „Vorleben“, „ Prostituierte“ und „Escort“, auf die ein Suchender von selbst nicht unbedingt käme.

Innerhalb kurzer Zeit erhielt ihr Buch „Jenseits des Protokolls“ allein auf Amazon rund 1.000 Bewertungen, wovon die meisten negativ sind. Darüber hinaus gaben die Amazon-Nutzer unter der Autobiografie verunglimpfende Schlagworte wie „Hure“, „Wer kauft den Mist“ oder „Lügen“ ein.

Aufgrund der großen medialen Aufmerksamkeit ist das Buch zwar ein Beststeller geworden. Doch freuen kann sich Wulff trotzdem nicht wirklich darüber. Sie zahlt dafür einen hohen Preis: Ihre Reputation hat sich sogar noch verschlechtert.

Wer heute eine Suche zu Bettina Wulff auf Google startet, erhält im Ergebnis sehr viele glaubwürdige Quellen, die auch auf die Gerüchte um ihr Vorleben eingehen. Unter „Bettina Wulff Prostituierte“ gibt es rund 20.000 Suchergebnisse auf google.de. Verändert hat sich ihre Online-Reputation keinesfalls zum Besseren.

Klaus Eck ist PR-Blogger und hat mit „Transparent und glaubwürdig“ ein neues Buch vorgelegt.

ke@eck-kommunikation.de

TIPPS

Das hilft beim Streisand-Effekt

01 Der Aufbau eigener Online-Profile hilft langfristig dabei, die Deutungshoheit zurückzugewinnen.

02 Juristische Maßnahmen helfen nicht weiter, sondern begünstigen den Streisand-Effekt.

03 Hilfreich ist, mittels beruflicher Tätigkeit langsam ein neues Profil zu etablieren.

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 61 bis 61 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.