Wer recherchiert, wird inhaftiert

3. Stockholm. Schwedens Ex-Außenminister Carl Bildt hat Glück gehabt. Wieder einmal. Denn außerhalb seines nordeuropäischen Heimatlandes ist wenig geschrieben worden über die Affäre um ihn, die Öl-Gesellschaft Lundin, deren Aufsichtsratsvorsitzender er war, deren Aktivitäten in Äthiopien und vor allem die zwei dort zu langen Haftstrafen verurteilten schwedischen Journalisten.

Im September sind die beiden überraschend freigekommen – und der Druck auf den wohl international bekanntesten schwedischen Minister wächst. Denn es bleibt unklar, ob Bildt wirklich viel dafür getan hat, die beiden freizubekommen, und wie viel der konservative Politiker sich vorzuwerfen hat, weil die Ölfirma Lundin während seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender in Äthiopien aktiv war. Bei der Suche nach Rohstoffen dort war Lundin auch an Übergriffen auf die Lokalbevölkerung beteiligt, haben schwedische Medien berichtet.

Und eben deswegen waren die jungen Journalisten Martin Schibbye und Johan Persson 2011 nach Äthiopien gereist, um Genaueres herauszufinden. Doch sie landeten schnell im Gefängnis: Im Dezember 2011 waren sie in Äthiopien zu 11 Jahren Haft verurteilt worden, weil sie illegal in das Land eingereist waren und mit Terroristen Kontakt gehabt hätten. In Schweden wurde das gemeinhin als Angriff auf die Pressefreiheit gewertet. Außenminister Bildt war mit diesem Urteil aber zunächst zurückhaltend. Es hat immer wieder geheißen, dass in der Provinz Ogade Menschen im Zuge der Rohstoffaktivitäten misshandelt worden seien. Vor Africa Oil, die dort nun aktiv sind, hatte sich die Firma Lundin aus Schweden um das Gebiet gekümmert.

Sein Engagement in der freien Wirtschaft hatte seit Bildts Amtsantritt schon mehrfach für Verstimmungen gesorgt, meist ging es dabei um seine Rolle bei Lundin. Denn die Öl- und Gasfirma hat keinen allzu guten Ruf, unter anderem wurde ihr auch Missachtung des Völkerrechts im Sudan vorgeworfen.

Auch in Äthiopien spielt der Name Lundin weiter eine Rolle: Die Familie Lundin ist, so hat die Tageszeitung „Dagens Nyheter“ nach der Festnahme der Schweden recherchiert, Großaktionär von Africa Oil. Immerhin, dort spielt Bildt wohl keine Rolle.

Mit der Freilassung der zwei Journalisten schauen die schwedischen Medien nun wieder intensiv auf die Lage in Äthiopien und die Rolle von Lundin sowie Bildt dort. Schibbye und Persson sind – auch wenn sie ihre Recherchen (noch) nicht zu Ende führen konnten – gut informiert darüber, was in dem afrikanischen Land geschehen ist, und bekommen nun mehr Aufmerksamkeit als ihnen vermutlich ohne Gefängnisaufenthalt zuteil geworden wäre.

Dass sie das Thema nicht loslassen wird, zeigt auch eine Pressekonferenz, die sie kurz nach ihrer Ankunft in Schweden gaben. Die in dem Zusammenhang veröffentlichten Materialien gibt es zum Teil auch auf Englisch – ein guter Einstieg ins Thema für die ausländische Presse.

http://martinschibbye.se/blogg/timeline

Erschienen in Ausgabe 10+11/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 19 bis 19 Autor/en: Clemens Bomsdorf über Schweden. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.