Für welches journalistische Online-Angebot haben Sie zuletzt Geld bezahlt und warum?
Andreas v. Buchwaldt: Auf dem Weg in den Urlaub habe ich mir am Flughafen ein Istanbul-Special der „Zeit“ auf meinen Kindle heruntergeladen, da unser Reiseführer von meinen Kindern in Beschlag genommen war.
Ist Paid Content also das richtige Mittel gegen die Zeitungskrise?
Paid Content ist sicher kein Allheilmittel, welches die Probleme der Zeitungen alleine lösen kann. Die bisherigen Erfahrungen von internationalen Qualitätsmedien deuten aber darauf hin, dass Bezahlinhalte im Netz eine Erlössäule für Zeitungsverlage mit relevanten Inhalten werden können. Zudem halte ich die Einführung von Paid-Content-Modellen vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Online-Werbemarkt für viele Medienunternehmen auch aus strategischer Sicht für wichtig.
Gerne wird Verlagen die Musik- oder Gaming-Branche vorgehalten, die online inzwischen gute Geschäfte machen. Trifft der Vergleich mit Zeitungstexten, die doch in der Regel „Einweg-Produkte“ sind?
Die dauerhafte Versorgung mit hochwertigen, gut recherchierten Inhalten und deren Einordnung, verbunden mit dem Qualitätssiegel starker und klar positionierter Medienmarken, ist für mich kein Einweg-Produkt. Hierfür werden sich zahlende Nutzer finden – die Frage ist nur, wie viele, denn die Zahlungsbereitschaft ist nach wie vor gering. Die Kernfrage aus Sicht der Verlage ist daher, mit welchem Produkt bzw. Service- und Preismodell sie die Paid-Content-Potenziale am besten ausschöpfen können und wie der beste Einstieg geschafft werden kann.
Ist es in Zeiten von iTunes & Co. überhaupt noch zeitgemäß, in der Online-Welt in langfristigen Abo-Modellen zu denken?
Grundsätzlich zeigen Beispiele wie der Streaming-Dienst Spotify und das Video-Portal Netflix, dass Abo-Modelle auch im Netz akzeptiert werden. Auch die Zeitungsbeispiele der „Financial Times“ und der „New York Times“ deuten darauf hin. Insofern halte ich es für sinnvoll zu versuchen, auch für Publishing-Inhalte im Netz Abo-Modelle zu entwickeln.
Viele setzen Hoffnungen in mobile Apps. Wenn sich das Geschäft ohnehin auf Tablets und Smartphones verlagert, lässt sich dann mit klassischen Nachrichtenwebseiten überhaupt noch Geld verdienen?
Die Verlagerung der Mediennutzung auf Smartphones und Tablets geht einher mit diversen Herausforderungen und Chancen. Ich sehe aber keinen strukturellen Grund, warum User auf diesen Geräten weniger zahlungsbereit sein sollten als auf normalen Websites – eher im Gegenteil. Apps sind in diesem Zusammenhang eine wichtige Form der Content-Paketierung, aber nur ein Baustein einer umfassenden Paid-Content-Strategie und auch kein Allheilmittel. Insbesondere beim Vertrieb über Apple verbleiben zum Beispiel die Kundendaten nicht beim Verlag, sondern bei Apple. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die FT diesem Modell den Rücken gekehrt und setzt auf eine HTML 5-basierte Web-App. Der mobile Werbemarkt – insbesondere was Apps und Smartphones angeht – steckt noch in den Kinderschuhen, es fehlen attraktive Formate für kleine Bildschirmgrößen und Standards. Ob sich mit klassischen Nachrichtenwebsites noch Geld verdienen lässt, hängt mehr davon ab, inwieweit es den Verlagen gelingt, sich in ihren Inhalten auszudifferenzieren. Mit einem starken Fokus auf Veröffentlichung von Agenturnachrichten wird dies sicher nicht gelingen.
Welches Online-Bezahlmodell überzeugt Sie denn derzeit am meisten, unabhängig davon, ob es Journalismus oder eine andere Branche ist?
DAS beste Model für alle Zwecke gibt es leider nicht. Ein Modell, was Zeitungen einen vergleichsweise einfachen Einstieg in das Thema Paid Content erlaubt, ist das „metered“-Modell. Allerdings hängen Chancen und Risiken stark von der spezifischen Traffic-Struktur und Markenstärke ab. Am spannendsten finde ich differenzierte Modelle, in denen die Produktbündel spezifisch auf die Interessen der User zugeschnitten sind. Hier finden sich gute Beispiele in der Telekomindustrie und im Bereich Pay-TV.
Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 38 bis 39. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.