Bücher

Sendungs-Bewusstsein

Dieter Stolte: „Mein Leben mit dem ZDF“, Nicolai Verlag 2012, 221 Seiten, 19,95 Euro.

40 Jahre Geschichte des ZDF lässt Dieter Stolte, Intendant von 1982 bis 2002, Revue passieren. Mit Ausnahme der Jahre 2000 bis 2002 befassen sich die Kapitel jeweils mit einem Jahrzehnt. Von Beginn an spielte das Thema Proporz eine Rolle – eine bayrische Regionalpartei erinnerte ja erst kürzlich unfreiwillig daran, dass es sich beim Fernsehen auch im Jahr 2012 um keinen politikfreien Raum handelt. Nicht frei von Eitelkeit erzählt Dieter Stolte von seinen Begegnungen mit führenden Politikern. Seine Antrittsbesuche bei den Bundespräsidenten pflegte er mit dem Satz zu eröffnen: „Herr Bundespräsident, es ist schön, dass Sie jetzt auch hier sind. Ich war aber schon vor Ihnen da.“ Hintergrund: Im Park des in Stoltes Kindheit noch nicht als Amtssitz dienenden Schlosses spielte er mit seinem Bruder. Erstaunlicherweise endet das Buch mit acht Seiten zu Stoltes Leben vor dem ZDF. Freimütig räumt der Ex-Intendant ein, der Sender sei sein Leben gewesen. Auf Dauer habe das ZDF von ihm mehr Besitz ergriffen als umgekehrt. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte – ebenso wie dreisten Politikern auf die Finger zu klopfen.

In medias res

Christian Meier, Stephan Weichert: „Medien. Basiswissen für die Medienpraxis“, Herbert von Halem 2012, 250 Seiten, 19,50 Euro.

Auf insgesamt zwölf Bände ist die Lehrbuchreihe „Journalismus-Bibliothek“ des Herbert-von-Halem-Verlags angelegt. Zu den ersten erschienenen Titeln zählt jener, der knapp „Medien“ betitelt ist. Medienjournalismus gelte als das „Orchideenfach“ unter den journalistischen Disziplinen – die Beobachtung des eigenen Tätigkeitsfeldes stelle besondere Herausforderungen. „Medienjournalisten sind bis über beide Ohren verknallt in den eigenen Beruf“, schreiben der stellvertretende „Meedia“-Chefredakteur Christian Meier und Journalistik-Wissenschaftler Stephan Weichert im Vorwort. Der Anspruch, wirklich unabhängig zu berichten, ähnele daher dem Versuch, einen Hund die Wurst bewachen zu lassen. Geschrieben und berichtet werde nicht mehr vor allem für die „lieben Kollegen“ – längst habe sich ein fachfremdes Stammpublikum gebildet. Das Buch enthält eine zwölf Punkte umfassende Checkliste zur Frage: „Was tun, wenn ich Medienjournalist werden will?“ Scheu vor den großen Tieren der Branche empfiehlt sich laut den Autoren nicht, jedermanns Liebling dürfe ein Medienjournalist sowieso nicht sein wollen. Wer hart aber fair berichte, so ihre Erfahrung, könne sich in der Regel des Respekts der Branche sicher sein.

Recherche mit Haken

Netzwerk Recherche (Hrsg.): „Tunnelblick. Woran Recherchen scheitern können“, NR Werkstatt Nr. 22, Berlin 2012, 219 Seiten.

Im Grunde genommen rührt das Thema an ein Tabu: Journalisten scheitern hin und wieder mit ihren Recherchen. Sie reden allerdings nicht so gerne darüber. Genau das steht nun im Fokus des Netzwerk-Recherche-Werkstattbands „Tunnelblick. Woran Recherchen scheitern können“, das eine Konferenz vom vergangenen Herbst dokumentiert, von Podiumsgesprächen bis Workshops der Veranstaltung, geschrieben überwiegend von Volontären des WDR und der WAZ. Eine prominente Ausnahme vom Schweigen stellt Hans Leyendecker dar, der bezüglich des Falls Bad Kleinen mit sich ins Gericht geht. Zur Erinnerung: Eine „Spiegel“-Titelgeschichte sprach 1993 fälschlich von einer Hinrichtung des Journalisten Wolfgang Grams durch die GSG-9. Leyendecker erklärt: „Nichts ist so lehrreich wie der Misserfolg.“ Und auch die Sache mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern, denen der „Stern“ aufsaß, wird thematisiert. Alles in allem beleuchtet der Band zahlreiche Facetten der Recherche, etwa die Informationsbeschaffung in radikalen Szenen. Und auch eine ganz grundsätzliche Frage fehlt nicht: „Dürfen wir über alles berichten?“ Erhältlich gegen einen mit 1,45 Euro frankierten Rückumschlag (DIN C3/C5) bei:

Netzwerk Recherche e.V.

Postfach 580507

10414 Berlin

Bernd Stössel ist freier Journalist in Frankfurt.

bernd.stoessel@t-online.de

Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 70 bis 70. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.