Sie finden mich, Ihre Moralberaterin im Schockzustand. Denn ich habe etwas in der ARD gesehen, das ich für verantwortungslos halte. Das zu sehen, mich erschüttert hat, weil ich nicht glauben kann, dass die ARD-Verantwortlichen so etwas durchgehen lassen. So etwas Beschönigendes, Verherrlichendes, Verharmlosendes. Ich habe „Rommel“ gesehen. Ein Film, der die letzten Monate von Vorzeigefeldherrn und Stütze des Nazi-Regimes Erwin Rommel beschreibt und ihn in die Sphäre des guten Soldaten hebt, der – so suggeriert der Film – lediglich den deutschen Tugenden von Treue und Pflicht zu ihrer Umsetzung verhilft. Ein Film, der den Konflikt eines Mannes erzählt und in dem der Zweite Weltkrieg nur noch als Geräuschtapete dient. Ein Film, der aus einem Hitler verehrenden Nationalsozialisten eine heldenhafte Figur macht. Einen Mann, der 1944 angeblich noch nichts von den Deportationen der Juden gehört hat.
Der Film ist ein Gemeinschaftsprojekt von Produzent Nico Hofmann und Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein. Hofmann hat aufgrund seiner Quotenerfolge bei den Sendern einen gottgleichen Status und kann quasi machen, was er will. Sein filmisches Unterfangen, aus dem Tätervolk der Deutschen ein Volk von Opfern, im Zweifelsfall Opfern der Umstände zu machen, lässt man ihm durchgehen. Ob „Die Flucht“ oder „Dresden“: Indem Hofmann das Schicksal einzelner Menschen erzählt, ersetzt er die furchteinflößende Fratze „Nazi-Deutschland“ durch hübsche, warme Gesichter. Auch Niki Stein schmückt der Ruf des Erfolgs, auch er genießt viele Freiräume. Ehrlich gesagt, ich vermute hinter Filmen wie „Rommel“ die – wohlmöglich unbewusste – Absicht, dem Vater ein guter Sohn sein zu wollen und die Generation der Eltern oder Großeltern rehabilitieren zu wollen. Mit 52 und 51 Jahren sind Nico Hofmann und Nikolaus Stein von Kamienski in dem Alter, in dem der frühere Groll ihrer Generation gegen die Täter-Väter dem Wunsch nach Versöhnung gewichen sein könnte. Schon in seiner Hochschulabschlussarbeit, dem Film „Der Krieg meines Vaters“, setzte sich Hofmann mit dem Thema von Schuld und Trauma auseinander. Soll heißen: In ihrer persönlichen Annäherung an ihre Väter – oder stellvertretend an die Generation ihrer Eltern und Großeltern – brocken uns die Filmemacher eine unverantwortliche Naziverkitschung ein.
Sicher wird es wieder heißen: Die Burmester übertreibt. Die spinnt. So schlimm war es doch gar nicht. Und Burmester sagt: Doch, so schlimm ist es. Denn während auf allen Kanälen, auch in der ARD, in Sendungen über den „braunen Terror“ mitten in diesem Land berichtet und ergründet wird, wieso die NSU so lange morden konnte und wie es sein kann, dass die Behörden so „versagt“ haben, können Hofmann und Stein mal so eben aus der Heldenfigur der Nationalsozialisten und dem glühenden Verehrer Hitlers einen netten Menschen in einer schwierigen Phase machen. Sie rücken ihn sogar in die Nähe der Widerstandskämpfer um Graf von Stauffenberg, was sogar Rommels Sohn als unzutreffend abtut. Aber was stört das die Herren, die ihre Väter persilsauber waschen wollen? Und die ARD, die tags darauf nichts Besseres zu tun hat, als eine „starke Quote“ zu vermelden.
Aber, wird jetzt einer einwenden, die ARD hat im Anschluss immerhin eine Dokumentation gezeigt! Aber das ist tatsächlich das Irrste an der ganzen Nummer. Denn dort wurde ein Rommel gezeigt, der im Film quasi gar nicht vorkam. Ist es also in Ordnung, aus einem Nazi-Verantwortlichen einen netten Onkel zu machen, schließlich kann man sich an anderer Stelle ja informieren, wie es wirklich war?
Was ist denn mit den 15- oder 20-Jährigen, die es nicht besser wissen, die die Uniformschmonzette sehen und denken: „War ja ein netter Mann und wie fies von Hitler, dass der sich umbringen musste!“ Was kommt als Nächstes? Ein Film über Göring, den Katzenfreund? Eine Tragikkomödie über den Zwiespalt Rudolf Eichmanns, als seine Mutter pflegebedürftig wurde?
Viele Artikel und Interviews mit Hofmann und Stein haben den Film begleitet. In den Interviews zeigten sich die Journalisten durchaus kritisch und formulierten ihre Zweifel und Kritik. Die Antworten sind nicht dazu geeignet, die Einwände auszuräumen. Im Gegenteil. Vor allem Niki Stein rechtfertigt sein Tun mit Überlegungen, die die Kritik der Fragesteller als absolut berechtigt ausweisen. Viele Filmbesprechungen sind hingegen überraschend seicht und wie die Berichte über die Leistung des Hauptdarstellers Ulrich Tukur von großer Begeisterung getragen.
Natürlich ist die ARD nicht der einzige Sender, der durch die „Vermenschlichung“ von Tätern und die Darstellung des Volks als Opfer dazu beiträgt, die Schuld und die Verantwortung sukzessive abzutragen. Auch andere Sender tun das und die Berichterstattung rund um „Rommel“ hat eine erschreckende Bereitschaft offenbart, den geschichtlichen Kontext als eine Art Märchenwelt zu inszenieren, in der es halt ein paar Böse gab. Diese Entwicklung ist indiskutabel. Und geradezu schizophren angesichts der NSU-Realität. Dabei müsste genau das Gegenteil eintreten: Alle Versuche, aus Tätern Opfer zu machen, müssten mit einem strikten „Nein!“ abgeschmettert werden. Und das ist exakt der Job von all denjenigen, die Informationen verbreiten: Es ist die Aufgabe der Medien.
Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 81 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.