Freie Chancen & Ideen

„Gefragt sind überraschende Ideen“

„Ich finde es erstaunlich, wie unkreativ viele Freie sind. Und wie sie ihr Copyright auf teilweise völlig mittelmäßige Ideen einklagen. Ich bin zwar auch der Meinung, dass Freie von großen Redaktionen teilweise schlecht behandelt werden, die Antwort kann aber nicht diese ostentative Opferrolle sein, die beiden Seiten den Spaß raubt. Die Marktlücke für Freelancer sehe ich da, wo sie immer war: In überraschenden Ideen und guter Schreibe.“

Oliver Gehrs, Gründer des Dummy-Verlags und freier Autor, Berlin

„Vor uns liegt eine Pionierzeit“

„Ich bin jetzt seit fünf Jahren Freiberufler, eine Zeit, die ganz klar von der strukturellen Krise der Verlage bestimmt war. Trotzdem gab es immer einzelne Chefredakteure, die in Multimedia investiert haben. Die große Chance sehe ich in den nächsten Jahre in der Format-Entwicklung für Webvideo, Fotofilm und Audioslideshow. Viel Geld wird erst mal nicht zu holen sein, aber vor uns liegt eine spannende Pionierzeit, wie es die 1980er Jahre für das Privatfernsehen waren.“

Matthias Eberl, Multimedia-Journalist, München

„Mehr Gelassenheit“

„Ich habe vor allem mehr Gelassenheit gelernt: Nicht pausenlos arbeiten oder daran denken. Das kann schwierig sein, aber jetzt läuft es, ich bin gern selbstständig. Das Wichtigste ist: Organisation in einem Büro, denn tagsüber ist zu Hause Trübsal; und die inhaltliche Spezialisierung, damit man nicht nur Themen kriegt, die der Praktikant nicht wollte. Was ich nicht machen werde: Die Hälfte der Zeit PR-Texte schreiben, um mir die Arbeit leisten zu können, die Spaß macht. Wenn das mal so kommen sollte, fielen mir auch noch andere tolle Jobs ein.“

Ariane Breyer, freie Autorin, Berlin

„Man braucht andere Einnahmequellen“

„Ich bin mit der Zeit zugleich immer pragmatischer und idealistischer geworden. Pragmatischer, weil ich eingesehen habe, dass man nicht gut davon leben kann, nur freiberuflich zu schreiben. Man braucht andere Einnahmequellen. Bei mir sind das Sachbücher und Vorträge, außerdem bin ich Partner der Agentur Rethink, die Qualitätsinhalte für Marken produziert. So muss ich, und das ist der idealistische Teil, nicht jeden Textjob annehmen. Ich gönne mir den Luxus, fast nur noch für zwei Magazine zu schreiben: ‚Monocle‘ und ‚brand eins.‘“

Markus Albers, Partner ‚Rethink‘, Buchautor und Selbstverleger („Meconomy“), Berlin

„Die Zukunft heißt Multimedia“

„Das Feld der Multimedia-Reportagen bietet viele Chancen. Mein Projekt über die afghanische Frauenfußball-Nationalmannschaft hat mit einem Stipendium angefangen. Ich habe einen Kurzfilm produziert und veröffentlicht. Daraus ist dann nicht nur eine Reportage für den ‚Spiegel‘ entstanden; ich konnte auch in verschiedenen deutschen Städten Ausstellungen realisieren. Darüber gab es dann wiederum Berichte in Fernsehen und Hörfunk unter Verwendung meines Materials. Davon konnte ich ein Dreivierteljahr leben. Und durch diese Referenzen sind Folgeprojekte und weitere Aufträge entstanden.“

Lela Ahmadzai, freie Multimedia-Journalistin bei 2470media, Berlin

„Journalismus jenseits der Verlage“

„Freie müssen sich eine eigene Marke aufbauen und dürfen sich nicht von einem Auftraggeber abhängig machen. Sie werden auch andere Standbeine neben dem Journalismus brauchen, wo bessere Honorare bezahlt werden: Arbeit für Stiftungen, Vorträge, Lehrtätigkeit und ja, wohl auch PR-Aufträge – bitte unbedingt klar getrennt vom journalistischen Geschäft. Außerdem erfordert die digitale Zukunft eine Offenheit für neue Formen des Journalismus jenseits der Verlage, zum Beispiel hyperlokale Blogs.“

Benno Stieber, Vorsitzender der Freischreiber und freier Autor, Karlsruhe

Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 56 bis 56 Autor/en: Umfrage: Hilmar Poganatz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.