dapd, Frankfurter Rundschau, FTD, Prinz, – die Ereignisse überschlagen sich und es fällt sichtlich schwer, sich dem Sog der Angst zu entziehen, der in diesem Herbst durch die Medienbranche zieht. Und dennoch, besser gesagt, jetzt erst recht, haben wir diese Ausgabe dem Schwerpunktthema Zukunft des Journalismus gewidmet – mit dem nach vorne schauenden Zusatz „wischen Untergang und Aufbruch“. Denn Angst ist kein guter Ratgeber. Was also lehrt uns das Scheitern von Projekten wie das der FTD oder der ambitionierten Redaktionsgemeinschaften in Hamburg wie in Frankfurt und Berlin?
„Ein Frankfurter Menetekel“ nennt es Uwe Vorkötter. Wir haben ihn, der die „Frankfurter Rundschau“ mit der Umstellung auf Tabloid und redaktionellen Synergien mit der „Berliner Zeitung“ auf einen gesicherten Weg in die Zukunft führen wollte, um seine Analyse gebeten, was das Projekt letztlich zum Scheitern geführt hat (Seite 22). „Es ist kein Zufall, dass die Krise in Frankfurt ihr erstes Opfer findet“, meint Vorkötter, aber auch: niemand könne sich mehr zurücklehnen nach dem Motto Was geht uns das an`?
Wir haben Claus Larass und Adolf Theobald um ihre Einschätzung gebeten, weil sie die Medien von beiden Seiten des Schreibtisches kennen – als Journalisten und Verlagsmanager. Sie sparen nicht mit Kritik, die zu denken geben sollte (Seite 27f). Anton Hunger, der sonst für „medium magazin“ die PR-Kolumne schreibt, wirft wiederum vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen als langjähriger Kommunikationschef von Porsche einen Blick aus Sicht der Wirtschaft auf die Frage, warum es der FTD in zwölf Jahren nie gelungen ist, sich im Markt so zu etablieren, dass ihre ökonomische Basis gesichert werden konnte. Seine Analyse ist schmerzhaft (Seite 28). seine Aufforderung „Zeit für Selbstkritik“ richtet sich aber an uns alle.
Die 24jährige Franziska Broich, Schülerin der DJS hat die letzten Wochen der FTD als Praktikantin vor Ort erlebt. Trotz der niederdrückenden Entwicklung will sie an ihrem Berufswunsch „Journalistin“ festhalten. denn, so spricht eine Angehörige der Generation Digital Natives“: „Journalismus ist mehr als das geschriebene Wort“ (Seite 29).
Wie aber soll und kann der Journalismus künftig finanziert werden? Ulrike Langer, Peter Littger und Manfred Scharnberg zeigen alternative Finanzierungsmodelle auf, erläutern Crowdfunding und Mäzenatentum und werfen einen Blick auf Stipendien (S.44ff). Diese Formen eint allerdings, dass sie dem einzelnen Journalist neue Möglichkeiten eröffnen – wohl kaum aber großen Unternehmen wie Verlage es sind. Vor dem Hintergrund der Hiobsbotschaften dieser Wochen hat deshalb die Diskussion um „paid content“ deutlich an Fahrt aufgenommen. Moritz Meyer und Daniel Bouhs haben den aktuellen Stand und Projekte zusammengetragen, die zeigen, wohin die Reise gehen soll (Seite 34ff).
Es ist jedoch bezeichnend für das Dilemma der Branche, dass die Debatte um die Finanzierung von Journalismus durch Begrifflichkeiten wie „Bezahlschranke“ und „Paywalls“ bestimmt wird, die dem Nutzer vor allem eins signalisieren: Abwehr. Stefan Plöchinger, der Chef von Süddeutsche.de, hat völlig recht, wenn er sagt: „Ich werbe für Begriffe, die nicht mauernd ausgrenzen, sondern … klar machen, dass sie für ihr Geld etwas Exklusives bekommen werden. „Abo“ ist gängig, aber „Leserclub“ oder „Mitgliedschaft“ beschreiben die Idee noch besser.“ (Seite 30f)
Begriffe sind Botschaften. Das sollten Medienmacher und -manager doch eigentlich am besten wissen. Und bevor neue Mauern gebaut werden, sollten die alten erst mal niedergerissen werden: Viel zu sehr waren wir in den letzten Jahren doch mit uns selbst beschäftigt – mit einem frustrierend lange anhaltenden Gegeneinander von Print und Online statt eines Miteinanders, der das Beste aus beiden Welten vereint.
Das Problem ist durchaus erkannt, wie die aktuelle Chefredakteursumfrage von Claudia Mast zeigt (Seite 42f): „Ran an die Leser“, so die längst überfällige Erkenntnis. Und man lese sich nur mal durch die schier endlosen Leserkommentare zur Zeitungskrise. Entsetzen und Häme über den Niedergang der Zeitungen, beides findet sich in den zahllosen Zuschriften an FTD wie FR und Einträgen in Blogs, Foren und sozialen Netzwerken. Das Signal solcher Reaktionen an diejenigen, die Zeitungen längst für tot erklären: Wem etwas egal ist, reagiert gar nicht erst – und schon gar nicht mit solcher Verve. Die meisten Leser haben, immer noch, zu „ihren“ Zeitungen eine emotionale Bindung, die weit schwerer wiegt als die rationale Auseinandersetzung mit anderen Kommunikationsformen.
Zeitung im besten Sinne ist ein Versprechen für eine geistige Heimat. Eingelöst wird es dann, wenn sie – ob auf Papier oder im Netz – Hirn und Herz der Leser erreicht, mit Themen und Beiträgen, die berühren und Emotionen wecken jenseits von Ärger über Rechtschreibfehler oder schlampige Recherchen. Die Debatte um „paid content“ darf deshalb nicht geführt werden ohne Diskussion über die eigentlichen Inhalte. Denn ohne guten „Content“ nutzen alle „Pay“-Modelle nichts.
Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 4 Autor/en: Annette Milz Ist Chefredakteurin von „Medium Magazin“.. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.