Stimmt’s, …?

01. … dass WDR- Intendantin Monika Piel Gebührengelder verjubelt?

Würde stimmen, was in Washingtoner Korrespondentenkreisen kolportiert wird, wäre das der Ausweis, dass es manchem Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch immer an jeglicher Sensibilität im Umgang mit öffentlichen Geldern mangelt. Es geht bei diesem Vorwurf wohlgemerkt weder um Digitalkanäle noch um irgendwelche Ausgaben für sinnvolles oder sinnfreies Programm. Es geht schlicht um eine Frage des Stils. Anstoß zur Kolportage gab ein Ereignis im Sommer dieses Jahres.

Turnusgemäß ging die Federführung des ARD-Studios in Washington zum 1. Juli vom Westdeutschen zum Norddeutschen Rundfunk über. Weil es sich so gehört und ARD-Intendanten weiten Reisen nicht abgeneigt sind, flogen NDR-Intendant Lutz Marmor, der künftige Vorsitzende der ARD, und WDR-Intendantin Monika Piel, die bis Jahresende amtierende ARD-Vorsitzende, zur feierlichen Übergabe ins ferne Washington. „Bei Wechseln an wichtigen Korrespondentenplätzen ist es üblich, dass die Intendantin bzw. der Intendant vor Ort ist, um die dortigen Korrespondenten zu unterstützen und für einen reibungslosen Übergang zu sorgen, im Sinne einer optimalen Arbeit für die Zuschauer und Hörer“, lässt der WDR auf Anfrage des „medium magazin“ verlauten. Ah ja.

Piel flog in Begleitung ihres Gatten, dem WDR-Hörfunkmoderator Roger Handt, und zwar Businessclass, sagt Piel. Flug und Übernachtung ihres Mannes seien „vollständig privat“ gezahlt worden.

Von diesem Punkt an unterscheiden sich die Erzählungen über den weiteren Verlauf der Reise. So bestreitet Piel, erst im Hyatt untergekommen und daraufhin ins teurere Ritz Carlton umgezogen zu sein. Sie dementiert auch, sich anschließend über das Frühstück im noblen Ritz Carlton beklagt, und erst recht, daraufhin persönlich von einem emsigen Hörfunkkorrespondenten des WDR einen üppigen Frühstückskorb vorbeigebracht bekommen zu haben. „Ergänzend noch der Hinweis, dass wir uns vorbehalten, gegen Falschbehauptungen jeglicher Art rechtlich vorzugehen.“

Warum sie die vier Nächte im Ritz Carlton verbracht habe, begründet Piels Sprecher mit „der Fußläufigkeit zum Studio“ (was laut Stadtplan auch fürs Hyatt gilt). Auf die Frage, ob es richtig sei, dass ursprünglich ein Zimmer im Hyatt gebucht war, antwortet er: „Frau Piel hat nicht im Hotel Hyatt gebucht“, und nach weiterem Nachhaken: „Dem WDR war keine Buchung für das Hyatt-Hotel bekannt und er wurde auch nie über eine angebliche Buchung informiert.“

Lutz Marmor flog übrigens Economy und nächtigte im Park Hyatt, das ja nun auch nicht gerade zur Kategorie billige Absteige zählt.

02. … dass die WAZ den Anstoß zur dapd-Insolvenz gab?

Es reicht ein Stups, und Ulrich Reitz kann aus einem beinahe vier Jahre alten Interview zitieren. Es stand Anfang 2009 in der „Süddeutschen Zeitung“ und der scheidende Chefredakteur der Deutschen Presseagentur, Wilm Herlyn, räumte darin allerlei Versäumnisse, Fehlentscheidungen und Mängel ein: dass „die Multimedialität des Marktes schneller gewachsen (ist), als wir es erwartet haben“, dass die Kritik an der Armut der dpa-Sprache stimme („Ich komme von der Zeitung, mir sträuben sich auch oft die Haare“), dass mehr investigative Recherche begrüßenswert wäre, („Wir müssten dann aber unsere finanziellen Mittel umverteilen“), dass die dpa beim Thema Bewegtbild hinterher sei („Wir sind sehr spät gestartet“), es nun aber eigentlich auch zu spät sei („Da ist es schwer, ein neues Produkt durchzusetzen“). Angesichts dieser defensiv-passiven Haltung, um nicht zu sagen „Marktkapitulation“, erscheint mindestens rückwirkend verständlich, warum Reitz 2004 als damaliger Chefredakteur der „Rheinischen Post“ den Vertrag mit dpa gekündigt hat. Und umso deutlicher ist das Signal, dass er, inzwischen Chefredakteur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, zur dpa zurückkehrt.

Mit der WAZ werden nun alle Zeitungen der Essener Gruppe wieder Kunden der dpa. Die 2007 komplett übernommene „Braunschweiger Zeitung“ war ihr ohnehin treu geblieben. Entscheidend für die Rückkehr sei allein das Preis-Leistungs-Verhältnis, sagt Reitz, der mit dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner seit mehr als einem Jahr darüber Gespräche geführt hat. Reitz sagt: „Büchner hat es geschafft, die Leistung der dpa außerordentlich zu steigern.“ Sie sei „schnell, solide, berechenbar“ und überzeuge mit den „interaktiven Tools und der Systematik in der Präsentation“. Wenn Reitz also sagt, „die dpa erfüllt 100 Prozent“, liegt der Umkehrschluss nahe: dapd liegt deutlich darunter. Den Anstoß für die Insolvenz von dapd hat die WAZ-Gruppe mit der Kündigung jedoch nicht gegeben. Das Schreiben der WAZ ging – und dies bestätigt auch dapd – erst nach Bekanntwerden der Insolvenz ein.

Federführend für die WAZ verhandelte mit der dpa übrigens Mark-Oliver Multhaup, Geschäftsführer der WAZ New Media, der bei dpa von 1989 an und anschließend bei AP reichlich Agenturerfahrung gesammelt hat.

03. … dass die dapd-Insolvenzverwalter den Markt nicht kennen?

Nicht ohne Grund hat ein Agenturerfahrener im Auftrag der WAZ-Gruppe die Verhandlungen mit dpa geführt hat (s. o.). Die Kompetenz zu wissen, worum es geht, wurde dapd-Insolvenzgeschäftsführer Wolf von der Fecht von Anfang an hinter vorgehaltener Hand abgesprochen, erst recht, was seine Personalpolitik in der Agentur betrifft. Die Tatsache, dass an seiner Seite, vom Gericht angeordnet, Christian Köhler-Ma sitzt, der als ehemaliger ddp-Insolvenzverwalter zumindest hinsichtlich pleitegegangener Nachrichtenagenturen eine gewisse Erfahrung mitbringt, dürfte da auch nur begrenzt hilfreich sein. Als journalistischen Berater, der weiß, welche Erwartungen Zeitungen an das Angebot von Nachrichtenagenturen haben, engagierte von der Fecht daher Uwe Vorkötter, mit dem die Autorin dieser Zeilen zumindest bis zu seiner Absetzung als Chefredakteur von „Berliner Zeitung“ und „Frankfurter Rundschau“ beruflich verbunden war. Vorkötter beriet von der Fecht nicht in personellen Fragen, wohl aber bei der Erstellung des Sanierungskonzepts für die insolvente Nachrichtenagentur dapd und knüpfte die Kontakte zu wichtigen Kunden, die von der Fecht in den vergangenen Wochen besuchte: vorrangig, um weitere Kündigungen zu verhindern und jene zu bestärken, die sich von mehr Konkurrenz im Markt der Nachrichtenagenturen bessere Preise und mehr Leistung versprechen. Mit einer um ein Drittel verkleinerten Agentur könnte das noch vorstellbar sein. Ohne internationale Fotos und Texte von AP kaum.

04. … dass Thomas Koch das „Medienhaus Deutschland“ berät?

Das Medienhaus Deutschland ist die Gesellschaft der acht Zeitungsverlage, die sich zusammengeschlossen haben, um von 2013 an mit einem einfachen, gemeinsamen Vermarktungsangebot Markenartikler als Anzeigenkunden (zurück) zu gewinnen. „TZ Premium Select“ heißt die Kombi, mit der Werbungtreibende auf einen Schlag in rund vierzig regionalen Tageszeitungen eine viertel, halbe oder ganze Anzeigenseite buchen können – statt mit zig Anzeigenverkäufern über Millimeterpreise zu verhandeln. Lange genug hat es gedauert, möge das Vorhaben viele Millionen Euro bringen, die zur Abwechslung den Redaktionen zugutekommen, statt neu entstehende Löcher auf der Erlösseite zu stopfen! Was Media-Guru Thomas Koch jedoch über „TZ Premium Select“ sagt, nährt den Eindruck, er würde dafür bezahlt: „TZ Premium Select ist die Antwort ausgewählter Zeitungsverlage auf die Forderungen aus dem Markt.“ – „TZ Premium Select ist für alle gehobenen, einkommensstärkeren Zielgruppen die neue Reichweiten-Bench
mark.“ – „Mit diesem neuen Premiumangebot kaufen die Werbekunden nicht nur bloß austauschbare Kontakte, sondern die für Marken unverzichtbaren Werte, Bindung und gewinnbringenden Kontakt zu den attraktivsten Zielgruppen, die Medien zu bieten haben.“ – „Zum ersten Mal entsteht in Deutschland eine Kombi, die nicht zu allererst den Vermarktern schmeckt, weil sie schwache Titel mit stärkeren kombiniert. Zum ersten Mal entsteht ein Medienangebot aus lauter starken Werbeträgern, wie es der Markt seit jeher gefordert hat.“

Anett Hanck, Geschäftsführerin von Medienhaus Deutschland, räumt ein, sich gerne Rat bei Thomas Koch zu holen. Ein Beratermandat habe er jedoch keines. Er sage das alles als unabhängiger, keinerlei Interessen verpflichteter Media-Experte mit vierzigjähriger Berufserfahrung als Vordenker in seinem Metier, kurzum: aus Überzeugung. Na denn …

Ulrike Simon

ist freie Medienjournalistin in Berlin.

autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 12/202012 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 13. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.