Wie Sie schon bemerkt haben werden, ist dies die Ausgabe, in der die „Journalisten des Jahres“ bekanntgegeben werden. In Bezug auf Ruhm und Ehre sind für uns Schreibende außerdem der Henri-Nannen-Preis, der Deutsche Reporterpreis und der Theodor-Wolff-Preis interessant.
In meinem Journalistinnenleben kann ich eine Nominierung verbuchen und einen zweiten und einen dritten Rang eben bei jenen „Journalisten des Jahres“. Und ja, ich gebe zu, irgendwann noch auf der Eins zu landen wäre toll, dann wäre die Katze im Sack. Soll heißen: Ihre Moralberaterin sitzt im Glashaus. Sie spielt mit in dem Spiel, über das sie heute reden möchte: die Frage, ob Journalisten, die mehrmals die großen Preise unserer Branche gewonnen haben, nicht von der Teilnahme an ebendiesen Wettbewerben ausgeschlossen werden sollten. Zumindest für eine gewisse Dauer. Unter „mehrmals“ könnte man zwei oder drei Auszeichnungen verstehen oder aber auch einmal den Preis erhalten, fünf Mal noch nominiert sein.
Die Gründe, die dagegen sprechen, sind klar zu benennen und klingen nach FDP: Dies ist ein freies Land; jeder soll tun und lassen können, was er oder sie will; jeder hat ein Recht auf so viel Auszeichnungen, wie er oder sie verdient; Wettbewerb stärkt die Qualität; wer nicht gut ist, gewinnt auch nicht, sprich: Wer so gut ist, dass er oder sie (auch mehrmals) gewinnt, hat es auch verdient.
So, mehr fällt mir nicht ein.
Und weil ich, Ihre Moralberaterin, den eher ungewöhnlichen Gedanken einer Einschränkung interessant finde, möchte ich mich den Argumenten dafür etwas ausführlicher widmen. Ohne auf die Gründe eingehen zu wollen, muss man feststellen, dass es nur wenige Journalistinnen und Journalisten sind, die jene Qualität bieten, die für Auszeichnungen infrage kommt. Es sind also immer dieselben, die nominiert sind. Egal, bei welchem der Preise. Was zu einem Ergebnis führt, das sich zuletzt bei der Verleihung des Deutschen Reporterpreises im Dezember gut beobachten ließ: Die Nominierungslisten waren voll mit großen Namen. Namen von Journalisten und Journalistinnen, von denen wir wissen: Sie sind sehr gut, sie gehören zu den Besten. Also eben diejenigen, die sich schon seit Jahren auf den diversen Nominierungslisten finden. Etliche von ihnen waren beim Reporterpreis gleich in mehreren Kategorien in der Auswahl.
Um es direkt zu sagen: Das ist langweilig. Und es macht den Wettbewerb langweilig. Zumal im Zweifelsfall ein erfahrener, langjähriger und mit diversen Preisen dekorierter Journalist das Stück schreibt, das – Überraschung! – jenes Fünkchen besser ist als das des Nachwuchskollegen. Womit der Preis wieder an jemanden geht, der bereits hochdekoriert ist. Das bringt den Journalismus nicht weiter und macht die Preisveranstaltungen zu Inzuchtabenden, die nur wenig Öffnung nach außen zulassen. Und die immer wieder den Eindruck bestärken, dass sich die großen Namen und die bedeutenden Häuser die Preise zuschanzen. Ein Eindruck, unter dem vor allem das Renommee des Henri-Nannen-Preises seit Jahren leidet.
Der Reporterpreis hat dieses Jahr eine konstruktive Neuerung eingeführt: Die Vorjury, in der auch Ihre Moralberaterin saß, bekam die Einsendungen ohne Namen des Autors und des Mediums, in dem der Text erschienen ist. Das ist insofern sinnvoll, als es verhindert, dass ich voreingenommen an den Text herangehe – egal in welche Richtung. Zu sehen, der Text ist von XY, diesem tollen Schreiber, erschienen etwa in „Die Zeit“, bringt es unweigerlich mit sich, dass ich dem Artikel positiv gegenüberstehe. Er muss ja gut sein! Autor und Medium nicht zu nennen, räumt denen mehr Chancen ein, die sich eben noch keinen Namen gemacht haben.
Warum zeichnet die Branche die Besten aus? Um dem Medienhaus Publicity zu bescheren, schon klar. Aber warum sonst? Doch auch, um zu ermuntern und zu ermutigen, um zu zeigen, Mühe lohnt sich.
Momentan werden ständig dieselben belohnt. Männer zumeist, warum auch immer das so sein mag. Diese Preisträger wissen, dass sie zu den Besten gehören. Der Preis macht es ihnen klar. Und auch allen anderen. Warum kann das nicht reichen? Warum ist das nicht genug? Warum darf der Nachwuchs nicht mehr Chancen haben? Chancen, die eher gering sind, solange die Platzhirsche jedes Jahr ihre besten Stücke einreichen.
Auch Takis Würger, 27, wurde beim Reporterpreis ausgezeichnet. Ein junger Mann, strahlend, leuchtend, begeistert. Dem Moderator, der zuvor genügend alte Preishirsche auf der Bühne hatte, entfleuchte da: „Mensch, du freust dich ja richtig!“ Wie kein anderer Satz macht dieser Ausruf deutlich, warum es überlegenswert ist, Vielpreisträger zumindest für eine gewisse Zeit auszuschließen: Für etliche ist die Auszeichnung eine von vielen, eine, die das Herz auch nicht mehr höher schlagen lässt. Ist es nicht viel schöner, jenen einen Preis zu geben, denen er etwas bedeutet?
Und jetzt komme ich mit meiner Moral: Wenn ich satt bin und mein Kühlschrank ist voll, dann finde ich es doch auch richtig, dass das Brot, das zu verteilen ist, an denjenigen geht, der noch keines bekommen hat. Warum also sollte man mit Auszeichnungen nicht ebenso verfahren?
Es wird ja niemandem etwas weggenommen. Es wird nur besser verteilt. Und das ist doch genau das, worum es in vielen der ausgezeichneten Texte geht: die Gier der Satten anzuprangern.
Anmerkung der Redaktion:
Auch in diesem Jahr ist Silke Burmester von der Jury in die Top 3 der Unterhaltungs-journalisten des Jahres gewählt worden. Davon aber wusste sie nichts bis Redaktionsschluss, denn die Ergebnisse halten wir bis zum Finale natürlich auch vor unseren Kolumnisten geheim.
Erschienen in Ausgabe 01-02/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 81 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.