Franziska Augstein, Netzwerk Rechercheurin und Leuchtturm-Frau

Warum sind Sie Journalistin geworden?

Als ich ein ganz kleines Kind war, kamen die Vordrucke der „Spiegel“-Artikel auf meterlangem Papier bei meinem Vater an, nämlich noch als echte Fahnen. Sie schienen mir länger zu sein als ich und haben mir sehr imponiert. Beim Fahnen-Herstellen wollte ich mitmachen.

Wie kamen Sie an Ihren ersten Beitrag, was war das Thema?

„Die Zeit“ lud Ende der 1970er Jahre Jugendliche dazu ein, sich zu weltbewegenden Fragen zu äußern, die von der Redaktion jeweils vorgegeben wurden. Meine 20 Zeilen zu der Frage, ob der Papst noch eine Autorität sei, wurden gedruckt.

Wer sind Ihre Vorbilder im Journalismus?

Ja, Rudolf Augstein – obwohl er ja mitunter auch nur mit Wasser kochte. Aber gut mit Wasser kochen ist auch eine Kunst. Heute gilt meine ungeteilte Bewunderung etlichen und vor allem englischsprachigen Journalisten, die kenntnisreich aus Krisengebieten berichten und sich nicht „einbetten“ lassen.

Wann ist ein Journalist ein guter Journalist?

Wenn er fair ist, präzise ist und nicht nur auf Recherche-, sondern auch auf Lektürereise geht.

Wie wichtig ist Klatsch?

Jede Art von erzählerischem Geblödel hilft, bei der Darstellung komplizierter Zusammenhänge die Leser nicht zu verlieren.

Wo haben es Frauen im Journalismus schwerer?

Wir leben nach wie vor in einer „Männergesellschaft“. Als Frau müsste ich hier für die Quote plädieren. Es gibt aber so viele gute Frauen im Journalismus, die genau die Art von Arbeit machen, die sie machen wollen, dass ich mich mit dieser Forderung schwertue.

Mit welchem Ihrer Merkmale würde man Sie am treffendsten karikieren oder parodieren?

Kollegen vom SZ-Feuilleton haben vor einigen Jahren ein sehr komisches kleines Hörspiel verfasst. Die mir zugeschriebene Rolle war die der Redakteurin, die immer wieder fragt: Und wann wird nun endlich der Artikel von Herrn Schlüdinger gedruckt?

Was macht Sie wütend oder ungeduldig?

Redakteure werden dazu angehalten, soziale Netzwerke zu bedienen. Dabei haben sie oft nicht einmal die Zeit, auf sachliche Mails und Angebote von Autoren zu antworten.

Was sind Ihre Stärken und Schwächen?

Meine Schwäche: Ich scheue mich, aus dem Stand binnen weniger Stunden einen langen Artikel zu verfassen. Meine Stärken: Eine von ihnen ist, dass ich auf diese Frage nicht antworten kann. Welche sozialen Medien und Netzwerke nutzen Sie?

Die sozialen Medien sind nützlich für viele, ganze Revolutionen haben sie ermöglicht. Aber ich will derzeit nicht Revolution machen.

Welche Medieninnovation schätzen Sie besonders?

Alles ist nützlich, was erfunden wurde und sich gehalten hat. Das schönste Medium: Leuchttürme.

Sind Sie Mitglied einer Partei?

Ein Journalist gehört nicht in eine Partei.

Ihr liebstes Hobby?

Boule spielen; in Frankreich nennt man es Pétanque.

Im nächsten Leben werden Sie …?

Musikerin in einem Orchester.

Was sollte Ihnen später einmal nachgesagt werden?

(Beim Abendessen:) Schade, dass sie nicht da ist.

Franziska Augstein (*1964), seit 2001 fester Bestandteil des Feuilletons der „Süddeutschen Zeitung“, ist seit neuestem auch Vorstandsmitglied des Vereins „Netzwerk Rercherche“. Ihr Zuständigkeitsbereich: Grundsatzfragen und journalistische Ethik. Augstein studierte Geschichte, Politologie und Philosophie und promovierte über frühe Rassetheorien. Noch vor Abschluss ihres Studiums war sie Ende der 1980er Jahre Redakteurin beim „Zeit Magazin“, von 1997 bis 2001 bei der FAZ in Frankfurt und Berlin. 2008 erschien ihr Buch über Jorge Semprún: „Von Treue und Verrat“.

Link:tipp

Mehr Fragen und Antworten von Franziska Augstein siehe:

www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 01-02/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 82 bis 82. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.