Freud & Leid

Damit hatte niemand gerechnet. Ein alter Herr macht plötzlich Faxen. Es ist kein Geringerer als Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der während des Festaktes einer Hamburger Schule mit den Kindern scherzt. Die Einrichtung trägt jetzt den Namen seiner verstorbenen Frau Loki. dapd Fotograf Axel Heimken und sein Kollege Marcus Brandt von dpa reagieren schnell und halten diesen kuriosen Moment fest. Diese Bilder gehören 2012 zu den sehr erfolgreichen.

„Am Jahresende sieht man anhand der Bilder, wie viel große Ereignisse das Jahr geprägt haben“, resümiert dpa-Fotochef Bernd von Jutrczenka. Dabei waren zwei Dauerthemen bestimmend: Die Eurokrise und der Syrien-Konflikt. „Die Finanzkrise ist eine visuelle Herausforderung“, meint Joachim Hermann, Senior Picture Editor von Reuters in Deutschland. Denn es sei ein Konflikt, der hauptsächlich in Politikerkonferenzen und Demonstrationen sichtbar ist, im Kern aber kaum optisch zu fassen ist. Bei Reuters versucht man dem mit regelmäßigen Telefonkonferenzen zu begegnen. „Beim Brainstorming kommen immer wieder neue Ideen auf“, so Joachim Hermann.

„Bei der Illustration der Eurokrise ist Kreativität gefordert“, bestätigt auch Bernd von Jutrczenka. Die dpa-Fotografen haben neben nachrichtlichen Fotos sehr viele Symbolbilder produziert. Ein eindrucksvolles Exemplar dieses Genres gelang dem dpa-Fotografen Alkis Konstantinidis. Er erwischte einen Blitz, der aus den dunklen Wolken über die Athener Akropolis hinwegzischt. „Ein pures Naturereignis, das eine starke Symbolkraft hat“, so Jutrczenka.

In Syrien, dem weiteren Dauerkonflikt, mussten sich internationale Nachrichtenagenturen wie Reuters und AFP verschärften Bedingungen stellen. Wegen der großen Gefahr, aber auch weil die Kämpfe über das ganze Land verteilt sind, mal hier, mal dort aufflackern. Die dortige Arbeit ist nicht nur ein logistischer Balanceakt. „Einerseits müssen unsere Reporter genügend lange vor Ort sein, um interessante Geschichten zu bekommen. Andererseits sollten sie den Gefahrensituationen nicht zu lange ausgesetzt sein. Das wäre zu strapaziös“, sagt Isabelle Wirth, Leiterin des Bilderdienstes für Deutschland bei Agence France-Presse (AFP). „Schließlich ist die Sicherheit und Gesundheit unserer Leute das Wichtigste“, fügt Reuters-Fotochef Hermann hinzu. Beide Agenturen praktizieren ein Rotationsprinzip ihrer festen Fotografen, die auf Krisengebiete spezialisiert sind. Wegen des langen Zeitraums mussten dazu freie Mitarbeiter angeheuert werden.

Der Sommer war vom Sport geprägt. „Champions League, Olympiade, Paralymics – diese Sportevents haben uns zwei Monate im Stück schwerpunktmäßig beschäftigt“, berichtet Isabelle Wirth. AFP war mit 13 Editoren und 30 Fotografen vor Ort. „Wir übertrugen fast live: 300 Bilder in 20 Minuten. Dabei haben wir es nicht auf Masse angelegt, sondern die Fülle der Ereignisse brachte ungeheuer viele gute Fotos hervor.“ Wie einige andere Agenturen auch hatte AFP erstmals Roboter-Kameras im Großeinsatz. Insgesamt ein Dutzend, davon zehn unter dem Stadiondach und zwei im Schwimmstadion, die von Fotografen gesteuert wurden.

Ein Großereignis lief ein wenig anders als sonst: die US-Wahlberichterstattung. „Im Gegensatz zu den textlich spannenden und gut darstellbaren Inhalten gestaltete sich die Fotografie eher klassisch“, schätzt Isabelle Wirth ein. „Dieser Wahlkampf war weniger visuell als der letzte. Starke Bilder brachte eigentlich nur der Wahltag.“

Neben Pflichtthemen waren auch einige unbeachtete erfolgreich. So die brutale Misshandlung von Svyatoslav Sheremet, dem Organisator einer Gay-Parade in Kiew. Als Unbekannte ihn attackierten, war ein Reuters-Fotograf zur Stelle. „Wenn dieses Foto nicht so extrem intensiv wäre, hätte die Geschichte wohl kaum jemand wahrgenommen. Denn allgemein werden Schwulen-Ressentiments nicht als brutale Feindsituation wahrgenommen“, sagt Joachim Hermann.

Ein derart exklusives Foto schoss auch der dapd-Fotograf Nigel Treblin. Er hatte sich vor Christian Wulffs Haus aufgestellt und fotografierte ihn unmittelbar nach dessen Rücktritt vom Bundespräsidentenamt. Im Privatauto wird Wulff von seiner Frau Bettina nach Hause chauffiert. „Ein starkes Bild: Das Ehepaar Wulff kommt im Privatleben an“, urteilt Alexander Becher, Fotochef bei dapd.

Erschienen in Ausgabe 01-02/202013 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 16 bis 19 Autor/en: Manfred Scharnberg. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.