01. … dass die „Welt am Sonntag“ Zuwachs bekommt?
Zugegeben, diesmal wird’s an dieser Stelle etwas Springer-lastig, aber manchmal führt eben eine Frage zur anderen. Also: Ja, die „Welt am Sonntag“ bekommt Zuwachs – besser gesagt: Sie hat ihn schon, aber von Mitte Februar an bekommt ihn auch jeder zu Gesicht. „Welt am Sonntag Kompakt“, Springer-intern gern „die kleine WamS“ genannt, wird vom 17. Februar 2013 an bundesweit und flächendeckend erscheinen.
Bisher war es so, dass die Kompaktausgabe nur in jenen Gegenden erschien, in denen die große „Welt am Sonntag“ eine weniger starke Stellung hat, also in etwa südlich der Rhein-/Ruhr-Linie und auch nur im Westen der Republik. Nach Nord- und Ostdeutschland, erst recht in die Medienstädte Hamburg und Berlin, traute sich Springer mit der kleinen WamS bisher nicht. Das wird sich nun ändern, und das liegt auch daran, sagt Vorstand Jan Bayer, dass die Kannibalisierung zwischen der großen und der kleinen WamS bei unter zehn Prozent liegen soll. So zumindest sei der Erfahrungswert in der Gegend rund um Köln und Bonn, wo das Projekt ziemlich genau vor drei Jahren, am 21. Februar 2010, seinen Anfang nahm.
Der Marktausweitung, die dazu führt, dass nun an fünf Standorten gedruckt wird (München, Frankfurt/Main, Essen-Kettwig und zusätzlich dann auch in Ahrensburg bei Hamburg und Berlin-Spandau) ist die gerichtliche Niederlage der Frankfurter Konkurrenz vorausgegangen. Mit ihrer Klage wollte die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ Springer dazu zwingen, die verkauften Auflagen der WamS im Nordischen und der im Tabloid-Format getrennt auszuweisen. Mit dem Urteil vom Mai 2012 erkannte das Berliner Landgericht in der Addition der beiden keine Irreführung der Werbekunden, deren Anzeigen automatisch in beiden Formaten erscheinen. Die Auflagen dürfen daher von der IVW weiterhin addiert ausgewiesen werden.
Wie schon die Auflage der großen von der kleinen „Welt“ gestützt wird, wird künftig also bundesweit auch die große von der kleinen „Welt am Sonntag“ gestützt werden. Das hat auch Auswirkungen auf die Leserstruktur. Schließlich sollen erfahrungsgemäß vor allem Jüngere zur nur 2,50 Euro teuren kleinen WamS greifen. Die große Ausgabe kostet 3,80 Euro. Und jüngere Leser lassen sich ja bekanntlich ebenso wie eine höhere (oder im Vergleich zumindest konstant bleibende) Reichweite in höhere (oder zumindest konstante) Anzeigeneinnahmen ummünzen.
Springer hat das oberste Ziel, mit der WamS vor der FAS Auflagenmarktführer am Sonntag zu bleiben, einstweilen jedenfalls verteidigt. Die FAS verkauft 357.722 Exemplare, davon knapp 84.000 am Kiosk und 191.000 im Abo (was daher kommt, dass sie bei ihrer Gründung auf den Abostamm der bereits früher im Rhein-Main-Gebiet erhältlichen Sonntagszeitung der FAZ aufbauen konnte), die „Welt am Sonntag“ inklusive ihrer bisher nur vereinzelt verbreiteten Kompaktausgabe 401.143, davon knapp 226.000 am Kiosk und 65.000 im Abo. Ein Nebeneffekt: Mit Hilfe der kleinen WamS könnte die Gesamtauflage mittelfristig über der magischen Hürde von 400.000 verkauften Exemplaren bleiben. Dies umso mehr, sollten sich zahlungsbereite Online-Nutzer für das Kombi-Abo aus „Welt am Sonntag“ und dem Zugriff auf sämtliche digitalen Inhalte der „Welt“ für 14,99 Euro im Monat entscheiden.
02. … dass sich der Springer-Nachwuchs um den WamS-Nachwuchs kümmert?
Anfangs war es bei „Welt Kompakt“ so, dass sie redaktionell aus den eigenen Reihen mit Hilfe freier Springer-Journalisten produziert wurde. Später, als die Tabloid-„Welt“ ihren Projektstatus verloren und sich bundesweit etabliert hatte, entschied Springer, die Produktion der Kompaktausgabe von den Schülern der hauseigenen Axel-Springer-Akademie stemmen zu lassen. Das spart Geld, bringt frische Ideen und hört sich als Eigenwerbung für die Akademie-Ausbildung gut an.
Entsprechend war denkbar, dass auch mit der bundesweiten Verbreitung der kleinen WamS die Redaktion neu aufgestellt würde. Doch das sei nicht geplant, versichert der bereits erwähnte Springer-Vorstand Jan Bayer. Der Grund ist ein banaler: Die Journalistenschüler arbeiten von montags bis freitags, während die Hauptproduktionszeit von „Welt am Sonntag Kompakt“ erst am Freitag anläuft und am Sonnabend ihren Zenit erreicht. Den Freien, die die Hauptarbeit bei der Auswahl und dem Kürzen der Artikel aus der großen WamS leisten, droht also kein Unheil.
Zurück ins Glied treten muss bei der Mini-WamS jedoch Peter Schelling. Er leitete die WamS-Kompakt-Redaktion seit Thomas Delekats Wechsel ins Blattmacher-Team der großen Schwester „Welt“. Dort war der Freund von Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner alternierend mit Andrea Seibel und Ulf Poschardt für die Produktion verantwortlich, wenngleich im Gegensatz zu den beiden anderen nicht als Mitglied der Chefredaktion. Das ging nur ein halbes Jahr lang gut. Inzwischen hat Delekat den Blattmacher-Posten wieder abgegeben. Seine kreative Unruhe wird er nun wieder an seiner alten Wirkungsstätte ausleben. Er kehrt zurück an die Spitze der Kompakt-WamS – zum Leidwesen Schellings, der kaum euphorisiert reagiert haben dürfte, während seines Weihnachtsurlaubs das Zepter aberkannt bekommen zu haben.
04. … die Axel-Springer-Akademie Bewerbern rosige Aussichten vorgaukelt?
Mit Werbung ist das so eine Sache. Man sollte ihr nie blind vertrauen. Auf ihrer Webseite wirbt die Axel-Springer-Akademie zum Beispiel mit dem Satz: „Seit Gründung der Akademie im Januar 2007 wurden regelmäßig mindestens 90 Prozent der Absolventen unmittelbar im Anschluss an die Ausbildung in Jobs im Haus übernommen.“ Dieses Versprechen dürfte umso verlockender sein, verbreitet die Akademie doch mitten in der laut Bundesagentur in der deutschen Presse „größten Entlassungswelle seit Bestehen der Bundesrepublik“ uneingeschränkten Optimismus. Konkret schreibt sie auf ihrer Webseite: „Als Journalist noch attraktive Jobs zu finden, sei heute nahezu unmöglich, denken manche examensnahe Studierende – und täuschen sich gewaltig!“ Jaha, bei Axel Springer ist alles anders.
Doch die Aussichten auf eine Übernahme als Redakteur nach der zweijährigen Akademiezeit sind offenbar doch nicht so rosig. Zwar bekommen zunächst alle Absolventen einen Anschlussvertrag, der ist jedoch auf ein Jahr befristet. Danach entscheiden die jeweiligen Redaktionen über eine Weiterbeschäftigung der Absolventen. Ende 2012 bedeutete das für rund ein Drittel eines 20-köpfigen Jahrgangs erstmals das Aus: Betroffen waren diejenigen, die in der blauen Gruppe weiterarbeiten wollten. Aber nur ein einziger junger Kollege wurde dort als Redakteur im Auslandsressort übernommen, die anderen mussten sich ernüchtert auf externe Arbeitssuche begeben.
Marc Thomas Spahl, der Leiter der Axel-Springer-Akademie, räumt ein, dass die Zeiten für angehende Journalisten schwieriger geworden sind: „Den Teams, die jetzt zu uns kommen, sage ich, dass es keinen Übernahme-Automatismus gibt.“ Trotzdem gelte, dass bislang regelmäßig 80 bis 90 Prozent der Abgänger übernommen werden. „Dass das oft befristete Verträge sind, ist ja inzwischen fast überall so. Wie und ob die Verträge später dann verlängert werden, ist Sache der Redaktionen und hängt vom Einzelfall ab.“
Zweimal 20 Schüler nimmt die Axel-Springer-Akademie jährlich auf. Spahl sagt: „Sollte sich abzeichnen, dass unser Bedarf an Nachwuchsjournalisten langfristig geringer wird, würden wir die Anzahl an Ausbildungsplätzen anpassen.“
Die Journalistenschüler von Springer bekommen übrigens lediglich 1.200 Euro im Monat, deutlich weniger als tariflich für Volontariate (ab rund 1.600 Euro) vorgeschrieben ist. Aber wie heißt es auf der Webseite der Akademie so sc
hön: Wegen der medienübergreifenden Ausbildung biete die Akademie „einen Mehrwert gegenüber dem herkömmlichen Volontariat in einer Zeitungsredaktion. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Absolventen nach Abschluss der Ausbildung sehr gute Aussichten auf eine Festanstellung in einer Redaktion haben. Diese Perspektiven sind vielen Journalistenschülern wichtiger, als im konventionellen Volontariat Gehalt zu beziehen.“ Und weiter: „Die Qualität und der Marktwert der Ausbildung spielen bei ihnen eine große Rolle. Die Diskussion, in welcher Höhe man im Volontariat Gehalt bezieht, steht für sie daher nicht im Vordergrund.“ In der Tat: Im Vordergrund stand die rosige Aussicht auf Weiterbeschäftigung. Fragt sich jetzt allerdings wo und zu welchen Bedingungen.
Erschienen in Ausgabe 01-02/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 13 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.