Aufatmen am Tigris

Bagdad. Es gibt auch gute Nachrichten aus dem Irak. Endlich kann ich aufatmen. Mein Berichtsland ist für Journalisten nicht mehr der gefährlichste Arbeitsplatz der Welt. Lange Jahre war es dies. Immer lag der Irak auf den ersten Plätzen bei den jährlichen Erhebungen von Reporter ohne Grenzen (ROG), wenn es um getötete oder verletzte Medienvertreter ging, um Entführungen, Bedrohungen oder Flucht ins Ausland. Irak bot alles auf, was man sich an Grausamkeiten gegen Journalisten vorstellen konnte, und wurde somit zum Horrorszenario. Sprach man den Namen Bagdad als Standort aus, hörte man auf der anderen Seite des Telefonhörers ein erschrecktes „um Gottes willen“.

Meine Gesprächspartner wussten meistens nicht, ob sie mich bemitleiden, als mutig bewundern oder als lebensmüde beschimpfen sollten.

Doch jetzt, zehn Jahre nach dem Einmarsch der Amerikaner, den manche Iraker als Invasion, andere als Befreiung und wieder andere als Besatzung bezeichnen, scheinen wir Journalisten nicht mehr so stark im Kreuzfeuer zu stehen. Fünf Kollegen wurden 2012 getötet, 16 gewalttätige Übergriffe verzeichnet: „nur“, möchte man fast schon sagen. Aber nur fast. Denn erstens war 2012 das weltweit tödlichste Jahr für Medienvertreter, seit es die Erhebung von ROG gibt. Und zweitens rangiert der Irak zwar nicht mehr unter den fünf gefährlichsten Ländern, ist aber trotzdem traurige Spitze, wenn man sich die zurückliegenden Jahre anschaut: Seit 2003 mussten 373 Journalisten im Zweistromland ihr Leben lassen.

Grund für die verbesserte Situation ist in erster Linie ein drastischer Rückgang der Terroranschläge, aber auch eine starke Lobbyarbeit der Journalistengewerkschaft zur Verbesserung des Schutzes ihrer Mitglieder. So wird beispielsweise der unabhängige Medienkonzern Al Mada, auf den mehrere Anschläge verübt wurden, dessen Reporter gekidnappt und Redakteure bedroht wurden, jetzt von der Präsidentengarde in Bagdad geschützt.

Ein kürzlich verabschiedetes Mediengesetz dürfte ebenfalls für Entspannung sorgen, indem es, wenn auch nicht unumstritten, doch ein gewisses Bewusstsein für den Journalistenberuf schafft. Vielleicht wird im nächsten ROG-Bericht ja eine Null in der Rubrik für getötete Journalisten im Irak stehen? www.reporter-ohne-grenzen.de

Die Autoren dieser Kolumne sind Mitglieder von www.Weltreporter.net e-Mail: cvd@weltreporter.net

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 18 bis 18 Autor/en: Birgit Svensson aus dem Irak. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.