Bücher

Wirtschaft in großen Lettern

Klaus Beck / Simon Berghofer / Leyla Dogruel / Janine Greyer: „Wirtschaftsberichterstattung in der Boulevardpresse“, Springer VS, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2012, 194 Seiten, 29,95 Euro.

Boulevardpresse und Wirtschaft? Zwei Welten scheinen aufeinanderzutreffen – mehr Expertise als das Schimpfen über faule Griechen vermuten die wenigsten auf dem Boulevard. Doch aufgrund der anhaltenden Finanzkrise erhält das Thema Wirtschaft ein solches Gewicht, dass auch und gerade Massenblätter komplexe Zusammenhänge aufzeigen müssen, die ausnahmslos jeden betreffen. Die Verfasser betreten mit ihrem Buch Neuland. Wie es im Vorwort heißt, sei die Boulevardpresse-Forschung generell durch kulturkritische Vorbehalte belastet. Was speziell den Wirtschaftsjournalismus betreffe, so werde der Boulevard in der Regel außen vor gelassen – hier werde offenbar nichts vermutet, was der weiteren Erforschung würdig wäre. Die Studie vergleicht die vier Boulevardblätter „Bild“, „B.Z.“, „Express“ und „tz“ (auch deren Websites) und zieht für einen zweiten Vergleich „Süddeutsche Zeitung“ und „Märkische Allgemeine“ heran. Charakteristisch für die Wirtschaftsberichterstattung der Boulevardpresse sei der ressortübergreifende Ansatz: Wirtschaft werde gemeinsam mit Politik bearbeitet, ein eigenständiges Wirtschaftsressort unterhält nur die „tz“. Gerne tauchen Wirtschaftsthemen in Ratgeberrubriken auf. Ein bemerkenswertes Ergebnis: Die Wirtschaftsberichterstattung besitze online größeres Gewicht als in der Zeitung – besonders stark sei hier der Unterschied zwischen „Bild“ und bild.de.

Goodbye Darling!

Marcus Bösch / Ramón Garcia-Ziemsen / Michael Karhausen / Andreas Lange / Jan Lublinski (Hrsg.): „Kill Your Darlings. Handbuch für die Journalistenausbildung“, LIT Verlag, Berlin 2012, 219 Seiten, 19,90 Euro.

Die Autoren des etwas anderen Handbuchs für die Journalistenausbildung sind Journalisten, die regelmäßig für die Deutsche Welle Volontäre ausbilden. Die innovativen Trainingsmethoden und Journalistenworkshops, die man bei dem Sender habe entwickeln können, fließen mit ein. Eine der 13 „Goldenen Regeln“ des Journalismus bildet den Titel: „Kill your darlings“ bedeutet, der Journalist muss lernen, sich von geliebten Bildern, Textabschnitten oder guten Einfällen zu lösen, wenn sie nicht ins Gesamtkonzept passen. Doch Vorsicht: Regeln müssen auch beiseite geschoben werden können. In manchen Fällen heißt es daher: „Keep your darlings“. Warum nicht einmal ein anarchischer Beitrag, mit Bildern „schief wie die Porträts von Picasso“? In einem eigenen Kapitel finden die Leser Übungen zu investigativer Recherche, Interviewführung oder Nachrichtenschreiben. Aber auch ein scheinbar leichtes Fach wie die kulinarische Reportage erfordert handwerkliches Geschick. Unvorhergesehene Fragen verleihen dem Ganzen Würze: Welches Gericht ist dem sternedekorierten Spitzenkoch bisher noch nie gelungen?

Mediale Strippenzieher

Jochen Reiss: „Menschen machen Medien“, Daedalus Verlag, Münster 2013, 246 Seiten, 19,95 Euro.

Was bewegt Journalisten? Und was bewegen sie? Jochen Reiss, ehemaliger Chefreporter und Stellvertreter des Chefredakteurs der Münchner „Abendzeitung“, porträtiert 32 Kolleginnen und Kollegen, die für alle Mediengattungen arbeiten. Passenderweise ziert der frisch von „medium magazin“ zum Journalisten des Jahres 2012 gekürte Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios in Brüssel, das Cover. Gemäß Rudolf Augsteins Motto: „Nichts ist interessanter für den Menschen als der Mensch“, gewähren die Porträtierten auch persönliche Einblicke. Neben bekannten Namen wie Nikolaus Gelpke oder Hans-Hermann Sprado findet sich Jesuitenpater Bernd Hagenkord: er leitet die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan.

Medium:Online

Weitere Lesetipps

siehe www.mediummagazin.de, Rubrik magazin+

Bernd Stössel ist freier Journalist in Frankfurt.

bernd.stoessel@t-online.de

Lernen von den anderen: Die Neuerscheinungen erzählen uns, wie gut der Boulevard Wirtschaft kann, wie man seine Lieblinge tötet und wer in deutschsprachigen Redaktionen schaltet und waltet.

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 76 bis 76 Autor/en: Bernd Stössel. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.