Empörte Kunden entzaubern Amazon

Wenn Konsumenten richtig wütend werden, ist es für Unternehmen schwer, richtig zu reagieren. Eine TV-Reportage reichte, um Amazon erheblich unter Druck zu setzen. Viele Kunden beschweren sich auch noch zwei Wochen nach der ARD-Sendung in den Social Media über den größten Onlinehändler der Welt, löschen ihre Amazon-Konten und rufen zum Boykott auf. Ist das nur ein Sturm im digitalen Wasserglas oder ein nachhaltiger Imageschaden?

Die Reportage „Ausgeliefert – Leiharbeit bei Amazon“ zeigte Anfang Februar, wie der Versandhändler ausländische Arbeitskräfte unter schlechten Arbeitsbedingungen ausbeutete. Mitarbeiter des hessischen Sicherheitsunternehmens Hensel European Security Services (H.E.S.S.) überwachten die Unterkünfte von Leiharbeitern äußerst scharf und gelten als rechtsradikal. In der Mediathek erreichte die Reportage rekordverdächtige 1,5 Millionen Abrufe. Im Fernsehen haben am 13. Februar rund 2 Millionen Zuschauer eingeschaltet.

Auf der Amazon-Facebook-Seite war nach der Sendung der Teufel los. Im Minutentakt kommentierten, „liketen“ und teilten die Onliner ihre Kritik mit anderen und trieben gleichzeitig die Zahl der Interaktionen mit Amazon in die Höhe, was dem Thema viel Aufmerksamkeit verschaffte. Dennoch verzichtete die Marke beinahe völlig auf Online Reputation Management – Community Management fand in den Social Media nicht statt.

Erst vier Tage später gab es eine sachlich vorbildliche Reaktion auf Facebook, in der Amazon Verantwortung übernimmt und die richtigen Konsequenzen zieht: „Amazon ist verantwortlich dafür, dass alle Beschäftigten unserer Logistikzentren jederzeit sicher sind und mit Respekt und Würde behandelt werden. Es ist uns eindeutig nicht gelungen, die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte bei unseren Zeitarbeitskräften verantwortlich war, zu gewährleisten. Aus diesem Grund beenden wir unsere Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen. Den Einsatz des kritisierten Sicherheitsdienstes hatten wir bereits beendet.“ Daraufhin erhielt Amazon innerhalb einer Woche über 15.000 Likes, 1.300 Shares und 4.700 Kommentare. Das zeigt, wie sehr auf eine Reaktion gewartet worden war.

Ansonsten fehlten die Antworten. Das Unternehmen wirkte auf Facebook gegenüber seinen 2,8 Millionen deutschsprachigen Fans seltsam sprachlos, während Amazons Pressesprecher nach einer Prüfungsphase ansonsten bereitwillig Auskunft gaben. Einen offenen Dialog gab es bis Ende Februar nicht auf der Facebook-Präsenz.

Je mehr Menschen sich negativ äußern, desto weniger schick ist es, noch Amazon-Kunde zu sein. Ganz im Gegenteil: Wer sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen aussprechen will, tut aktuell sogar gut daran, sich von der Marke zu distanzieren.

Wer mit dem Onlinehändler unzufrieden ist und sogar zu einem Kundenboykott aufruft, lässt sich nicht von Lippenbekenntnissen beruhigen. Künftig wird Amazon stärker unter Beobachtung stehen. Die Wutwelle wird nachlassen, die Zahl der Kündigungen vermutlich ebenfalls, doch Amazons Geschäftsgebaren wird jetzt auch beim Bundeskartellamt geprüft: Dem Konzern wird vorgeworfen, über seine Geschäftsbedingungen seine Onlinehändler zu knebeln. Entscheidend für die Reputation von Amazon wird sein, ob noch weitere Issues nachgeliefert werden. Ansonsten wird die Empörungswelle trotz fehlender Online-Kommunikation sicherlich schnell nachlassen.

Klaus Eck ist PR-Blogger und hat mit „Transparent und glaubwürdig“ ein neues Buch vorgelegt.

ke@eck-kommunikation.de

Info

Amazons Reputation angekratzt

01 Amazon überlässt seinen Kritikern in den Social Media zu sehr das Feld.

02 Es fehlen echte Markenbotschafter, die für Sympathie und Verständnis sorgen.

03 Amazon hat schnell und richtig gehandelt, aber zu wenig im Social Web kommuniziert.

04 Mehr interne Transparenz hätte den PR-Gau vermeiden helfen können.

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 83 bis 83 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.