Fördern und Fordern

A. Die erste Phase:

Der Auftakt – von der Rückmeldung zum Kritikgespräch Kollegin A hat schon lange keine größere Geschichte mehr gestemmt. Kollege B nervt mit seinen Killer-Kommentaren. Kollege C macht zu viele Fehler. Keine Frage, mit diesen Redakteuren muss der Ressortleiter mal reden, und zwar rasch. Denn Passivität, dominantes Verhalten und Nachlässigkeit mindern die Teamleistung.

> Schritt 1:

Als Erstes führt er – unter vier Augen – mit jedem ein Rückmeldungsgespräch. Es geht darum, die eigene Wahrnehmung mit der des Mitarbeiters abzugleichen: „Mir fällt auf, dass Sie in letzter Zeit weniger Themenvorschläge machen, was ist los?“ Ton: sachlich, interessiert, freundlich. Mal sehen, was der Mitarbeiter dazu sagt. Vielleicht ist man sich rasch einig, wo es jetzt langgeht.

> Schritt 2:

Vielleicht aber auch nicht. Wenn der Mitarbeiter dichtmacht oder ausweicht, dann muss der Ressortleiter umschalten und ein förmliches Kritikgespräch führen.

Der Ton: immer noch sachlich, aber fordernd. Entweder der Redakteur wirkt an einer Lösung mit oder sein Chef legt konkrete Veränderungsziele schriftlich fest („… liefert pro Woche vier Vorschläge für einen Seitenaufmacher“). Und in den Folgewochen dokumentiert er genau und ganz offen, ob das auch geschieht.

Das ist unangenehm? Jawohl, beiden. Das belastet das Teamklima?

Stimmt, aber Passivität, Dominanz und Nachlässigkeit tun das genauso. Der Mitarbeiter meldet sich erst mal krank? Könnte sein, aber darf der Chef den Anschein erwecken, er wäre erpressbar?

Klare Antwort: Nein.

Dennoch muss der Ressortleiter sich immer wieder fragen, ob er richtig handelt: Merkt er noch, wenn der Mitarbeiter Signale der Einsicht aussendet? Hat er genügend Angebote gemacht, das Problem zu lösen (zum Beispiel den Aufgabenbereich zu verändern, Fortbildungen besuchen …)?

Es geht darum, den Mitarbeiter zu fördern, aber auch konsequent zu fordern. Das ist der Balance-Akt, den der Chef durchstehen muss – damit das Team gemeinsam Leistung bringen kann.

B. Die zweite Phase:

Eskalation – vom Problemgespräch zur Abmahnung Die neue Lokalchefin arbeitet sich seit Monaten an einem harten Brocken ab. Dieser Redakteur liefert schlechte Beiträge ab, geht als Erster nach Hause, er hat offenbar völlig abgeschaltet – und das schon lange. Zwei Kritikgespräche hat sie schon mit ihm geführt. Nun beschließt die Lokalchefin, eine härtere Gangart zu wagen.

> Schritt 3:

Sie führt ein Problemgespräch mit dem Redakteur. Sie teilt ihm knapp mit, dass sie in den nächsten Monaten zwei konkrete Veränderungen von ihm sehen will: weniger Fehler in seinen Beiträgen und mehr Quellen, also mehr Recherchetiefe. Sie kündigt enge Kontrollen an und sagt, dass sie die Chefredaktion einbeziehen wird. Sie fertigt ein Protokoll, das – nach einigem Hin und Her – beide unterschreiben. Nun steht die Chefredaktion tatsächlich in der Pflicht, ihre Lokalchefin eng zu begleiten: Wie genau muss diese jetzt die Leistung des Mitarbeiters kontrollieren? Wie macht sie aktenkundig, dass sie ihm eine faire Chance zur Besserung gibt? Und sollte der Mitarbeiter sich dauerhaft krankmelden, dann braucht das Team zeitweise Ersatz. Wenn nötig, wird die Chefredaktion den Betriebsrat und einen Arbeitsrechtler frühzeitig einbeziehen.

> Schritt 4:

Für den Mitarbeiter bricht eine harte Zeit an. Er kann sich jetzt keine Fehler und Marotten mehr leisten. Er steht quasi unter Bewährungsaufsicht. Lenkt er nicht ein, wird er zu einem Disziplinargespräch in die Chefredaktion einbestellt: offizieller Charakter, strenger Ton.

> Schritt 5:

Es folgt eine schriftliche Ermahnung oder gleich …

> Schritt 6:

… eine Abmahnung. Es geht jetzt um seine berufliche Perspektive, wenn nicht gar um seine wirtschaftliche Existenz.

Wie die Sache ausgeht, ist keinesfalls sicher. Aber erfahrungsgemäß kommt der Punkt, an dem ein Mitarbeiter, der so hart angegangen wird, wieder gesprächsbereit ist. Sei es über einen Neubeginn, sei es über eine einvernehmliche Trennung.

> Schritt 7:

Verbarrikadiert er sich weiter, dann macht er voraussichtlich Fehler bei der Arbeit oder im Verfahren – und die Chancen des Verlags vorm Arbeitsgericht steigen. Die Folge: Kündigung.

Bei alldem leidet das Team mit, die einen mehr mit der Chefin, die anderen mehr mit dem Kollegen. Was nicht heißt, dass nicht hinterher alle froh sind, wenn ein jahrelanger Schrecken doch noch ein Ende gefunden hat.

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 71 bis 71. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.