Schattenmänner für die Griechen

Sie sind die Hexenmeister. Hilflosen Mächtigen gehen sie gerne zur Hand, um sie vor einer enthüllungswütigen Presse zu schützen. Geldgierigen Mächtigen greifen sie unter die Arme, wenn es gilt, eine „alarmistische“ Presse für deren Interessen zu instrumentalisieren: die Spin-Doctors. Einer der ihren etikettiert sich und seinesgleichen als Legionäre: „Wir schlagen die Schlachten der anderen.“

Ohne Spin-Doctors hätte es keinen Hype um die Vogelgrippe und keinen um die Schweinegrippe gegeben, keinen um den Rinderwahn und keinen um das Ehec-Virus. Profitiert haben bei jeder – die Menschheit angeblich dahinraffenden – Epidemie die Pharmagiganten, die ihre Gegenmittel massenhaft dem verängstigten Publikum in die Kehle drücken konnten.

Berührungsängste kennen die Legionäre dabei nicht. Sie arbeiten für Greenpeace, wenn die Umweltschutzorganisation einen Ölmulti in die Knie zwingen will. Sie arbeiten für die amerikanische Tabaklobby, um die Schädlichkeit des Rauchens anzuzweifeln, oder für die Waffenlobby, wenn Barack Obama der schießwütigen Bevölkerung ans Leder will. Spin-Doctors arbeiteten für die argentinische Militärjunta und organisierten Kampagnen gegen Menschenrechtler. Sie machen das, was sie können: effiziente PR eben. Zum Nutzen ihrer Auftraggeber.

Schweine mit Schulden

Da wundert es einen dann doch, dass die „PIIGS“-Staaten sich dieses Instruments nicht bedienen. PIIGS sind phonetisch Schweine, ein von PR-Beratern erfundenes Synonym für die Schuldnerstaaten Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien. Deren Staatsmänner wirken auf der internationalen Bühne wie bleichgesichtige Gestalten: hilflos und erbärmlich. In einem solchen Theater erscheint Angela Merkel dem Publikum geradezu als Charaktertitanin.

Sicherlich sind die Schuldnerstaaten in der Defensive. Sie haben mit geliehenem Geld ihre Bürger an einem Wohlstand teilhaben lassen, der nur scheinbar vorhanden war. Und sie müssen jetzt ihre Bürger kasteien, weil ihnen sonst der internationale Geldhahn abgedreht wird.

Aber wer das Szenario so stehen lässt, bleibt in der Defensive. Zumindest findet er für seinen Zustand in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Verständnis. Es ist ja nicht so, dass nur die PIIGS-Staaten Schulden machen. Im Gegenteil: Die USA und Japan sind in dieser Disziplin Weltmeister. Und Deutschland ist noch nicht einmal in der Lage, nach den historisch höchsten Steuereinnahmen einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen.

Das müsste doch ein gefundenes Fressen für die Spin-Doctors sein, jedenfalls für die Besten der Zunft: Monti, Coelho, Rajoy und Samaras sind zwar einer strengen Spardisziplin unterworfen. Aber genug Geld, um die Gagen der Schattenmänner zu begleichen, findet sich noch allemal in ihren Schubladen.

Munition läge für die Kampagnenspezialisten genügend bereit: Ratingagenturen, die selbst Griechenland vor Ausbruch der Krise mit Bestnoten bewerteten, die das Sparprogramm Montis noch vor der endgültigen Entscheidung im Parlament durch den Rost fallen ließen und die Spanien sofort wieder herabstuften, als das Land das tat, was die Ratingagenturen gefordert hatten: massiv sparen.

Und dann die Banken. Wer mit Krediten sein Geld verdient, haftet auch für den Ausfall. In aller Regel, nur nicht bei Staatsschulden. Dabei gilt auch in diesem Fall: Die Schulden der einen sind die Vermögen der Gläubiger.

Moral ist egal

Aus dieser Gemengelage müsste doch ein „Spin“ zugunsten der Betroffenen zu drehen sein. Jede Polemik wäre erlaubt. Wer Vogelgrippe und Schweinegrippe organisieren kann, dürfte auch einem Staatsbankrott seinen Schrecken nehmen können. Sicher, auch dann werden Coelho, Rajoy und Samaras nicht zu Helden. Aber ihr Auftritt in Brüssel und den europäischen Hauptstädten wäre weniger demütigend.

Was da gewonnen wäre? Nach der Moral ihres Tuns darf man Spin-Doctors nicht fragen. Und moralisch ist auch das Verhalten der Ratingagenturen und der Banken nicht. Also, wer kneift da? Die Kampagnenspezialisten haben doch auch sonst keine Scheu, ihre Kunst wortreich anzudienen.

„Die Phönizier haben das Geld erfunden, aber warum nur so wenig?“, fragte sich schon der Dramatiker Johann Nepomuk Nestroy. Das wissen inzwischen auch die Schuldnerstaaten.

Allein für die Spin-Doctors würde es nicht zutreffen. Wenn sie den Gebeutelten mit einem überzeugenden „Spin“ zu mehr Achtung verschaffen würden, könnten sie Nestroy wiederlegen – zumindest für ihre Zunft.

Anton Hunger (64) ist Journalist und war 17 Jahre Pressechef bei Porsche. Heute betreibt er das Kommunikationsbüro „publicita“ in Starnberg.

Er ist u. a. auch Mitgesellschafter von „brand eins“.

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 82 bis 82 Autor/en: Anton Hunger. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.