Was nun, Herr Festerling?

Seit Anmeldung des Insolvenzverfahrens war nichts mehr von Ihnen zu hören zur Zukunft der „Frankfurter Rundschau“, nur Appelle an die Leser, im eigenen Blatt zu lesen. Warum haben Sie so lange geschwiegen?

Arnd Festerling: Wir mussten schweigen, solange der Verkaufsprozess lief. Denn wir als Redaktionsleiter – Rouven Schellenberger und ich – waren auch an den Gesprächen mit den verschiedenen Bewerbern beteiligt, was die Redaktionsbelange anging. Insofern waren wir auch Teil der Verhandlungen mit den Kaufinteressenten. In einer solchen Phase kann jede Form der öffentlichen Äußerung eine laufende Verkaufsverhandlung erschweren.

Ist das nun gefundene Konstrukt Ihre Wunschlösung?

Ja, es ist meine Wunschlösung. Nun zu einem großen Verlag zu gehören, der sich mit dem Zeitungsgeschäft auskennt, ist die beste von allen Varianten, die in den vergangenen Monaten im Gespräch waren. Es gab auch Bewerber, die nicht zeitungserfahren sind …

Welche waren das?

Namen kann ich Ihnen natürlich nicht nennen. Es gab viele Bewerber, die unterschiedlich weit verhandelt haben. Nun ist eine sehr gute Lösung gefunden: Die Societät und die FAZ wissen, was es zum Zeitungmachen braucht. Es ist ein Haus, das traditionell eine radikale Trennung von Verlag und Redaktion praktiziert – und das aus wirtschaftlichen Erwägungen die politische Ausrichtung der „Frankfurter Rundschau“ unterstützt. Denn wir bieten ein Spektrum, dass FNP und FAZ nicht abdecken können.

Das ist für unsere Zukunft auf jeden Fall verlässlicher als reine Bekundungen nach dem Motto: „Wir stehen politisch dahinter.“ Da bin ich inzwischen so nüchtern, dass ich sage: Wenn die Garantie der redaktionellen Linie mit handfesten wirtschaftlichen Interessen untermauert wird, verlasse ich mich noch lieber drauf. Deshalb bin ich sehr zufrieden mit der Lösung.

Weniger froh sind die Leser, die in Onlinekommentaren nach dem Verkauf von einer „Frankfurter Allgemeinen Rundschau“ reden und nicht daran glauben, dass der bisherige Wettbewerb der Frankfurter Zeitungen weitergeführt wird. Wie wollen Sie den Kritikern das Gegenteil beweisen?

Die Möglichkeit dazu haben wir als Tageszeitung ja jeden Tag aufs Neue. Überzeugen werden wir sie nur durch die tägliche Arbeit. Aber es müsste ja schon theoretisch jedem Kritiker klar sein, dass eine Angleichung der Zeitungen allein aus wirtschaftlichen Gründen ein fataler Fehler wäre. Denn damit würde man die komplette Glaubwürdigkeit, in Folge die Auflage und wirtschaftliche Basis verlieren. Wer würde denn eine FR kaufen, die plötzlich FAZ-Positionen vertritt? Insofern besteht ein ganz entschiedenes wirtschaftliches Interesse der neuen Eigentümer, die FR linksliberal aufzustellen und mit den anderen Zeitungen nicht zu vermengen. Weil es da, wie gesagt, ums Geld geht, verlasse ich mich darauf. Und darauf kann sich auch der Leser verlassen. Im Übrigen: Den Verdacht der Angleichung äußern viel weniger unsere Leser als Kollegen von anderen Zeitungen.

Die neuen Eigentümer haben bei Bekanntgabe des Verkaufs Pläne zu redaktionellen Synergien dementiert, sogar ausgeschlossen. Sie selbst haben Ihren Lesern versprochen: „Sie werden keinen Artikel finden, der auch in der, Frankfurter Neuen Presse‘ oder der, Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ steht, den anderen Zeitungen unserer neuen Eigner.“ Die Eigenständigkeit der FR sollen zukünftig 28 Redaktionsmitglieder gewährleisten. Wie soll das gehen?

Das ist eines der großen Missverständnisse, gegen die ich derzeit ankämpfe. Lassen Sie mich deshalb erst mal die Fakten klären: Diese 28 sind Mitglieder der sogenannten Kernredaktion. In Form eines Betriebsübergangs nach Paragraph 613A des Betriebsverfassungsgesetzes sind sie mit ihren vollen Verträgen übergegangen in die neue Gesellschaft Frankfurter Rundschau GmbH, die seit dem 1. März die FR herausgibt. Das ist natürlich nicht die gesamte Redaktion. Kann es gar nicht sein. Mit nur 28 Leuten könnten wir die Zeitung nicht mal zur Hälfte produzieren. Um diese 28 herum arbeiten natürlich weitere Schreiber, Reporter, Fotografen, Layouter. Derzeit arbeiten wir zwar noch an den Strukturen der künftigen Redaktion, aber wir werden sicherlich bei einer dreistelligen Zahl von Leuten landen, die für die FR arbeiten.

Dreistellig ist auch 999. Etwas genauer bitte?

Sagen wir mal als Richtung 100. 999 werden wir nie (lacht). Natürlich können wir die Zeitung nicht mit 28 Leuten machen und wenn wir in die Richtung gehen, die wir eingeschlagen haben, also auch eine eigene Mantelproduktion wieder aufbauen, schon gar nicht. Wir werden dafür hier in Frankfurt wieder eigenes Personal aufbauen.

Wer hat eigentlich die Liste der 28 Kernredakteure zusammengestellt?

Die ist in Form eines Interessenausgleichs zwischen der neuen Geschäftsführung und dem Betriebsrat beschlossen worden. Die Chefredaktion war nicht beteiligt.

Warum nicht?

Das lag auch daran, dass zum Zeitpunkt, als die Liste aus formalen Gründen des Verkaufs gemacht werden musste, noch nicht endgültig klar war, in welche Richtung das künftige Redaktionskonzept geht. Angesichts der drängenden Zeit vor dem 1. März musste sehr vieles sehr schnell passieren, um Fristen zu wahren. Jetzt können wir die offenen Fragen und das künftige Konzept gemeinsam klären.

Hans Homrighausen, Chef des neuen FR-Mehrheitseigentümers, wünscht sich eine stärkere regionale Berichterstattung. Zugleich soll das überregionale Profil beibehalten werden. Gerade dieser Faktor aber galt doch immer als erheblicher Kostenfaktor?

Die FR steht da auf zwei Beinen: auf dem inhaltlichen Anspruch, eine überregionale Zeitung zu machen, und auf dem wirtschaftlichen der überregionalen Auflage. Wenn wir nicht auf die rund 20.000 Leser verzichten wollen, die deutschlandweit die FR beziehen, haben wir gar keine andere Wahl. Zumal auch unsere Leser in der Region einen Mantel mit überregionalem Anspruch erwarten. Unsere Aufgabe ist jetzt, die FR so zu machen, dass sie sich treu bleibt – und politisch vielleicht ein bisschen mehr zu ihren Wurzeln zurückfindet.

Was meinen Sie mit „zurück zu den politischen Wurzeln“?

Ich meine damit weniger eine politische Umorientierung, sondern – das wäre mein Wunsch – ein bisschen mehr politische Leidenschaft und vielleicht ein bisschen weniger analytische Distanz. Also ein etwas anderes journalistisches Herangehen an die Themen.

Die FR soll kämpferischer werden?

Kämpferischer, leidenschaftlicher – das sind jetzt so Schlagwörter, das weiß ich auch. Aber ich würde mir wünschen, dass die FR wieder eine Zeitung wird, die inhaltlich mehr die Leidenschaft derjenigen widerspiegelt, die sie machen. Teilweise haben wir das im Regionalen und Lokalen schon hingekriegt. Und mit einer eigenen Mantelproduktion, die wir nun aufbauen, bieten sich jetzt auch neue Chancen dazu. Das soll keine Kritik an der gemeinsamen Produktion sein, aber wenn man in einer gemeinsamen Redaktion, wie zuletzt in Berlin, zwei Zeitungen macht, ist eben eine größere professionelle Distanz auch nötig.

Aber wie passte das zusammen, dass Stephan Hebel, einer der bekanntesten und meinungsstärksten Köpfe der FR und Autor des neuen Merkel-kritischen Buchs „Mutter Blamage“, nicht zu den 28 der Kernredaktion gehört?

Wir gehen aber ganz fest davon aus – und ich glaube, da auch für Stephan Hebel sprechen zu können – dass er weiter für die „Frankfurter Rundschau“ schreiben wird. Als Autor ist er für die FR von zentraler Bedeutung.

Ein anderer prägender Autor der FR war in den vergangenen Jahren Arno Widmann – der aber eigentlich zur „Berliner Zeitung“ gehörte. Wie geht’s da weiter?

Arno Widmann ist ja inzwischen „nur noch“ Autor – wer ihn kennt, weiß, dass man diese Anführungszeichen setzen muss. Wir, und ich pers