Wie viel Chef muss sein?

Sie leiten ein Redaktionsteam und ärgern sich über einen Mitarbeiter. Zum dritten Mal in einem Monat hat er redigierte Beiträge nicht wie vorgeschrieben gekennzeichnet und so die Produktion verzögert. Jetzt wollen Sie ein Kritikgespräch mit ihm dazu führen. Wie genau fangen Sie das an? Unten finden Sie sechs Fragen und jeweils zwei extreme Antworten. Wo auf der Skala dazwischen würden Sie sich einordnen?

Frage 1: Wie teilen Sie dem Mitarbeiter mit, dass Sie ein Kritikgespräch mit ihm führen wollen?

Ich bestelle ihn über das Sekretariat ohne Angabe von Gründen zu einem fixen Termin ein.

Ich spreche ihn am Rande einer Konferenz an und frage ihn, wann er denn mal Zeit für ein Gespräch über ein „kleines Problem“ hat.

Frage 2: Welche Position soll der Mitarbeiter beim Gespräch einnehmen?

Ich lasse ihn vor meinem Schreibtisch stehen, biete keinen Stuhl an, während ich sitze.

Ich setze mich mit ihm an einen Tisch, z. B. an einen Konferenztisch.

Frage 3: Wie eröffnen Sie das Gespräch?

Ich beginne in einem scharfen Ton und komme sofort zum Kritikthema.

Ich spreche erst mal etwas an, das gut läuft. Dann leite ich langsam über zum Kritikthema.

Frage 4: Wie führen Sie das Gespräch?

Ich stelle das Fehlverhalten fest und fordere ihn auf, das sofort einzustellen.

Ich nenne knapp das Thema, dann frage ich ihn, wie er die Sache sieht.

Frage 5: Wie gehen Sie im Gespräch mit Hinweisen von Dritten um?

Ich flechte die Hinweise ein, indem ich z. B. sage: „Ich weiß aus sicherer Quelle, dass …“

Ich benutze nur Infos, die ich selbst recherchiert oder verifiziert habe.

Frage 6: Wie beenden Sie das Gespräch?

Ich erhebe mich ruckartig, stehe auf und öffne wortlos die Tür.

Ich lade ihn ein, doch häufiger vorbeizukommen, um sich mal auszusprechen, und schüttele ihm die Hand.

Auflösung:

Frage 1: Bitte nicht zu defensiv! Aber reservieren Sie sich den ganz offiziellen Ton für spätere Eskalationsstufen. Wie wär’s mit einer Mail: „Kannst du bitte heute um 14 Uhr zu mir kommen, ich möchte mit dir reden.“ Skalenwert: 0

Frage 2: Nein, der Mitarbeiter tritt nicht vor seinen Richter, um sein Urteil zu empfangen. Sie wollen etwas klären. Also bitte einen Platz am Tisch anbieten. Möglichst nicht vorm Schreibtisch. Skalenwert: -5

Frage 3: Kommen Sie sofort zum Thema, aber bleiben Sie sachlich. Skalenwert: +2

Frage 4: „Wer fragt, führt“, heißt es. Und tatsächlich brauchen Sie in diesem Gespräch auch Informationen dazu, wie genau der Fehler passiert ist. Aber machen Sie trotzdem klar, dass dies keine nette Plauderei ist. Es geht um Fehler, seine Fehler. Skalenwert: 0

Frage 5: Anonyme Hinweise von Dritten sind in einem solchen Gespräch nicht viel wert. Überzeugend ist nur, was Sie genau wissen oder zitieren können. Also: Bereiten Sie das Gespräch gut vor! Skalenwert: -5

Frage 6: Übermäßige Freundlichkeit wirkt wie eine Entschuldigung. Das geht nicht. Aber machen Sie auch nicht auf Generaldirektor. Ein sachlich-freundlicher Händedruck ist zu empfehlen. Skalenwert: +1

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 72 bis 72. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.