Wo sehen Sie die Zukunft des Journalismus?

„Ich denke, die Technik wird näher an die Menschen rücken und immer mehr Medienunternehmen werden Programmierer einstellen, nicht nur um die Website am Laufen zu halten, sondern auch um Geschichten zu erzählen. Geschichten werden künftig stärker auf Daten aufbauen. Das Start-up-Unternehmen Circa macht das schon sehr gut, indem es Geschichten auf ihre wichtigsten Daten reduziert. Die Algorithmen, die uns personalisierte Informationen anbieten, werden in Zukunft besser werden – trotzdem werden zum Kuratieren von Nachrichten immer Menschen benötigt, kein Algorithmus kann Menschen bei der Auswahl ersetzen.“

Burt Herman,

Mitgründer von Storify,

ehemaliger Reporter bei der Nachrichtenagentur AP und heute „Entrepreneurial journalist“

Storify, gegründet 2010 und seit 2011 als offene Plattform anwendbar, ist ein Tool zum Kuratieren von Web-Inhalten. Der Dienst richtet sich an Blogger und Journalisten, ist aber für jeden offen und nutzbar. www.storify.com

„Die Printwelt muss ihre Geschäftsmodelle überdenken. Die, Businessweek‘ zum Beispiel hat es geschafft, sich von einem Print- vollständig auf ein Online-Produkt umzustellen. Man muss jetzt sicherstellen, dass man die jungen Leser für sich gewinnt. Und die werden garantiert keine Zeitungen mehr kaufen. Wie die Musikindustrie muss auch die Verlagsindustrie umdenken.“

Jenna Brinning,

Director International Development, Tumblr

Tumblr wurde 2007 gegründet, hat mittlerweile 93 Millionen Blogs und 170 Millionen Besucher pro Monat und wird von einigen Experten derzeit als nächstes maßgebendes soziales Netzwerk bewertet. Laut einer Analyse von Garry Tan, Investor bei Y Combinator, ist Tumblr bei den 13- bis 25-jährigen US-Amerikanern mittlerweile beliebter als Facebook. www.tumblr.com

„Ich bin sehr optimistisch und glaube, dass wir eine Renaissance des Journalismus erleben werden. Das Selbstbild der Journalisten verändert sich.

Wir sind in einer Phase mit sehr vielen Veränderungen – und das ist natürlich auch schmerzhaft. Letztlich stellt sich aber die Frage, wie wir es schaffen können, jeden teilhaben zu lassen und unseren Lesern zu jeder Zeit die richtige Information zukommen lassen können.“

Richard Gingras,

Head of News Products, Google

„Die qualitativ hochwertige Form, in der viele Journalisten insbesondere für Zeitungen berichten, ist auch in Zukunft einfach unersetzlich.“

Debbie Frost,

Director of Communications and Public Relations, Facebook

„Ich hoffe, dass Journalisten und Programmierer näher zusammen rücken und interessante Wege zur Zusammenarbeit finden. Ich komme von der technischen Seite und freue mich immer, wenn ich mit Leuten spreche, die einen anderen Hintergrund haben. Diese Querverbindungen helfen letztlich beiden Seiten, mehr zu lernen.“

Kanak Biscuitwala,

Gründer des Projekts „Dispatch“

Die App Dispatch soll es vor allem Bürgerreportern aus Krisengebieten erlauben, sicher aber auch authentifiziert zu berichten. Das Projekt wird durch das Brown Institute for Media Innovation gefördert. www.dispatchapp.tumblr.com

„Die Frage ist doch, wie man es schafft, die Leser für sich zu interessieren. Es gibt viele Experimente, wie man die Mauer zwischen Verlagen und Lesern aufbrechen könnte. Es gibt immer mehr Interaktion., Gawker‘ hat da einen klugen Schritt gemacht, indem es den Lesern die Möglichkeit gibt, eigene Blogs aufzusetzen und dafür auch ‚Gawker‘-Inhalte zu nutzen. Dadurch wurden nicht nur viele Geschichten generiert, sondern auch die eigenen Nutzer dazu gebracht, sich stärker mit der Plattform zu identifizieren und ihrerseits Leser anzuziehen.“

Jim Giles,

Gründer von „Matter“

Matter ist eine Autorenplattform, gegründet 2012 von Jim Giles, preisgekrönter Schreiber von u. a. „The Economist“, sowie Bobbie Johnson, ehemaliger Technik-Korrespondent des „Guardian“. Es wurde binnen weniger Wochen über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanziert. Die Artikel sind kostenpflichtig: Eine Story kostet jeweils 99 Cent. Matter versteht sich als Experiment, um herauszufinden, ob guter, unabhängiger Journalismus sich über diesen Weg finanzieren lässt und die Lücke füllen kann, die Mainstream-Medien offen lassen.

www.readmatter.com

„Journalisten waren immer schon in der Lage, Informationen zu filtern. Das wird jetzt immer wichtiger. Die Journalisten werden weiterhin die Kuratoren bleiben, denen die Menschen vertrauen.“

Johannes Seemann,

Business Designer, IDEO

IDEO ist eine internationale Innovations- und Designberatung mit weltweit zwölf Standorten und 600 Mitarbeitern. Die IDEO-Teams beraten Unternehmen von der Formulierung der richtigen strategischen Fragen über die Ideenfindung bis zur Umsetzung. www.ideo.com

„In den nächsten Jahren wird Journalismus noch schneller werden. Es wird Geschichten speziell für Mobile, Web oder Print geben, und die Journalisten müssen erkennen, wann und wo sie ihre Geschichte am besten veröffentlichen. Das macht die Arbeit wahrscheinlich etwas schwieriger, bietet aber auch viele Entwicklungsmöglichkeiten.“

Om Malik,

Gründer von GigaOm.com

GigaOm.com ist eines der erfolgreichsten Web 2.0 Blogs, mit einer heute monatlichen Reichweite von weltweit rund vier Millionen Nutzern. Es gehört zu den Top 50 Blogs im Technorati Ranking und bietet Nachrichten, Analysen und Meinungen über Startups und Neue Technologien. Das Unternehmen Gigaom wird herausgegeben von Giga Omni Media, ein Unternehmen mit mehreren Millionen Umsatz, das auch Konferenzen organisiert und weltweit Unternehmen berät.

www.gigaom.com

„Jeder produziert heute Nachrichten irgendwelcher Art. Es wird daher sehr wichtig insbesondere für Zeitungen sein, Journalisten zu haben, die selbst eine Marke sind, Journalisten, denen die Leute zuhören oder deren Werke sie lesen WOLLEN. Zeitungen aber auch Medienunternehmen generell sollten alles daran setzen, ihre Journalisten zu Marken zu entwickeln.“

Amy Adams Harding,

Head of Publishers Development, (Project 402)

Google

„Der Content muss ansprechend sein und die Leute ernsthaft interessieren – erst dann ist Werbung auch gut dort platziert. In der Realität gibt es aber überall maschinell erstellten, leicht verdaulichen Content, der offensichtlich die Masse auch zufriedenstellt. Die Gruppe der Nutzer allerdings, die nach qualitativ gutem Content sucht, ist aber für die Werbeindustrie viel interessanter. Als Verlag muss man also herausfinden, wie man genau diese Gruppe ansprechen kann.“

Philipp Pieper,

Gründer und CEO von Proximic

Proximic bietet Werbungtreibenden sowie Publishern Werkzeuge und Plattformen, mit deren Hilfe eine größere Werbeeffizienz und eine höhere Relevanz erreicht werden können. www.proximic.com

„Wir werden Geschichten wahrscheinlich in Zukunft anders erzählen, weil die Technik sich weiter entwickelt. Vor zwei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich mal Animationen oder sogar Videos mit Fingerpuppen machen würde. Aber diese verschiedenen Formen des Storytellings auf Basis qualitativ hochwertiger Informationen haben ein potenziell großes Publikum.“

Robert Rosenthal,

Direktor des Center for Investigative Reporting (CIR) in Berkeley

Das Center for Investigative Reporting (CIR) ist eine Non-Profit-Organisation, die bereits seit 1977 investigative Geschichten produziert, die an US-Medien verkauft oder selbst publiziert werden. Es finanziert sich vorrangig durch Spenden und Stipendien. www.cironline.org

Erschienen in Ausgabe 03/202013 in der Rubrik „Special Medienlabore USA“ auf Seite 53 bis 54 Autor/en: Text und Umfragen: Andreas Schümchen, Jennifer Schwanenberg, Annette Milz. © All
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